
Judith Meusburger „Wir leben in Frankreich – und doch am anderen Ende der Welt“
Die in Bregenz geborene Judith Meusburger lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen auf einer kleinen Insel im Indischen Ozean. 2007 ist sie „durch Zufall“ im französischen Übersee-Département La Réunion gelandet. Die landschaftliche Idylle der Insel steht im Widerspruch zur wirtschaftlichen Realität.
Im Landesinneren von La Réunion, in einem kleinen Dorf mit rund 3000 Einwohnern, hat sich Judith Meusburger mit ihrer Familie niedergelassen. „Es ist in den Bergen, aber wir sind in 15 Minuten mit dem Auto am Meer“, erzählt die gebürtige Bregenzerin von ihrem neuen Zuhause. Die Insel ist ein Übersee-Département und eine Region Frankreichs. Réunion liegt knapp 700 km östlich von Madagaskar. Die leicht ovale Insel hat eine Fläche von 2504 Quadratkilometern und einen Durchmesser von 50 bis 70 Kilometern. Das tropisch-feuchte Klima prägt die üppige Vegetation der Insel: „Hier gibt es natürlich viele Gemüse- und Obstarten, die es in Vorarlberg nicht gibt. Wir haben Avocados, Mangos, Ananas, Litschis und vieles andere in unserem Garten.“ So stehen bei Familie Meusburger viele kreolische Gerichte auf dem Speiseplan. Und die werden die meiste Zeit nicht im Haus, sondern im Freien zubereitet: „Derzeit ist sogar unsere Küche im Freien auf der überdachten Veranda“, berichtet die zweifache Mama von den Vorzügen des Klimas auf der Insel, auf der sie „durch einen Zufall“ gelandet ist: „Ich hatte mich 2007 als Sprachassistentin in Frankreich beworben und wurde einem Job auf La Réunion zugeteilt. Ich wusste nicht einmal, wo das liegt“, erzählt sie lachend. Auf der Insel hat sie dann ihren zukünftigen Mann kennengelernt: „Wir haben unseren ersten Sohn Elio 2009 bekommen und unseren zweiten, Roan, 2011 - und jetzt bin ich noch immer hier.“
Unter freiem Himmel
Das Leben von Judith Meusburger, ihrem Mann und ihren beiden Söhnen spielt sich fast ausschließlich im Freien ab: „Wir gehen mehrmals in der Woche ans Meer, wandern und campen sehr viel und sind die meiste Zeit draußen – das Haus ist nur zum Schlafen“, erzählt sie. Ihre Kinder kennen weder Schnee noch Kälte: „Sie sind das ganze Jahr über barfuß oder mit Flipflops, mit kurzen Hosen und T-Shirts unterwegs.“ Das sei aber auch schon der einzige Unterschied, „ansonsten werden sie wie Vorarlberger Kinder erzogen“, sagt Meusburger. Dazu gehört auch der Dialekt: „Ich spreche immer Vorarlbergerisch mit den Kindern.“ Was die Zweit- und Drittsprache betrifft, gibt es aber doch Besonderheiten: „Der Papa spricht Französisch mit ihnen, und in der Schule sprechen Elio und Roan mit ihren Freunden viel Kreolisch. Unsere Familiensprache ist aber Französisch – daher sprechen die Kinder diese Sprache auch besser als die deutsche.“
Gesellschaftlich konnte sie sich in ihrer neuen Heimat schnell integrieren – „auch dank der Tatsache, dass ich mit einem Kreolen liiert bin“, meint Meusburger. „Beruflich habe ich bis 2013 weiter als Sprachassistentin gearbeitet, bevor ich mich dann für einen Master in Unterrichtswissenschaften eingeschrieben und die Prüfung zur Volksschullehrerin bestanden habe.“ Bis Ende des Schuljahres wird sie ihren Master absolviert haben. „Ab dem nächstem Schuljahr bin ich dann Volksschullehrerin in Frankreich“ – nur eben 9391 Kilometer Luftlinie entfernt von Paris.
La Réunion hieß erst „Île Bourbon“ und wurde dann unter Napoleon in „Île Bonaparte“ umbenannt. Der heutige Name heißt übersetzt so viel wie „Insel der Zusammenkunft“ und beschreibt den Mix an Ethnien und Kulturen, die sich auf der kleinen Insel vermischen, perfekt.
Vielfalt auf der kleinen Insel
„Wir leben hier in einem Schmelztiegel – Nachfahren von Menschen, die durch Sklaverei und den Schiffsverkehr hierher gebracht worden sind, vor allem Südinder, die Hindus sind, Moslems aus Nordindien, katholische Franzosen, die im 19. Jahrhundert hierher kamen, Madegassen vom nahen Madagaskar, die dem Islam oder dem Christentum mit einem Einfluss von Naturreligionen und Voodoo angehören, sowie Chinesen, die den Taoismus praktizieren. Diese verschiedenen Kulturen leben parallel und friedlich nebeneinander.“ Außerdem werde das äußere Bild stark von diesen Einflüssen geprägt: „Überall sieht man indische Tempel, Moscheen und natürlich Kirchen.“ Landschaftlich besticht die Insel im Indischen Ozean auch durch die Fülle und Üppigkeit ihrer Natur. Wirtschaftlich ist La Réunion aber stark von Frankreich abhängig und versucht laut Meusburger „erst seit etwa dreißig bis vierzig Jahren, ihren wirtschaftlichen und kulturellen Rückstand im Vergleich zu Europa aufzuholen.“ Die Bevölkerung sei dadurch einem großen Konflikt zwischen dem ursprünglichen, sehr einfachen, traditionellen Leben und dem hohen Lebensstandard, der über die Medien kommuniziert werde, ausgesetzt. Das trage zu sozialen Spannungen bei.
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