Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Schon seit Jänner in Vorbereitung“

April 2020

Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (47) sagt im Interview: „Wir gehen im Moment davon aus, dass der Höhepunkt um die Ostertage kommt und sich bis Ende April hinziehen kann.“ Das Land sei allerdings gut gerüstet. Aus der Krise zieht man dennoch Lehren für die Zukunft, man will beispielsweise künftig eigene Krisenlager bevorraten. Was macht Rüscher Mut in dieser Situation? „Dieses enorme Gefühl des Zusammenhalts in Vorarlberg.“ Von Andreas Dünser

Frau Landesrätin, ist das Gesundheits­system im Land gut gerüstet? 
Wir haben uns schon seit Jänner vorbereitet. Wir haben aus den Erfahrungen, die in China und vor allem auch in Italien gemacht wurden, gelernt, was wir zu tun haben. So stehen uns Virologen in einem Beraterstab zur Verfügung, wir haben die Bettenkapazität in den Spitälern frühzeitig erhöht und auch den niedergelassenen Bereich vernetzt. Die Krisenstäbe des Spitals und des niedergelassenen Bereichs planen gemeinsam die Gesundheitsversorgung in Vorarlberg. Und natürlich schauen wir Tag für Tag auf die Entwicklung, es ist ein ständiges, ein tägliches Aktualisieren. Aber wir sind gut gerüstet.

Ende März hieß es, dass Vorarlberg der Höhepunkt der Corona-Welle erst noch bevorstehe.
Wir gehen im Moment davon aus, dass der Höhepunkt um die Ostertage kommt und sich bis Ende April hinziehen wird, vielleicht auch noch in die erste Maihälfte hinein. Aber: Wir sind für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten gerüstet, das Gesundheitssystem ist bereit, die Versorgung erkrankter Personen sicherzustellen. Und das gilt nicht nur für jene Personen, die am Corona-Virus erkranken, das gilt für alle, die medizinische Versorgung brauchen. 

Vorarlbergs Strukturen haben sich bislang also bewährt?
Ja. Der Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt sogar, dass wir in Vorarlberg eine gute Ausgangslage haben: Wir haben mehrere Häuser, die voneinander getrennt sind. Wir haben Sicherheitskonzepte für jedes Haus entwickelt, wir können im Bedarfsfall aus einzelnen Häusern Corona-Spitäler machen, ohne dass wir damit ein zentrales Krankenhaus lahmlegen würden. Und die sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem niedergelassenen Bereich und dem Spitalsbereich bewährt sich. Man kennt sich in Vorarlberg, alle helfen.

Auch eine neuere Erkenntnis: Es hängt weniger vom Alter, als vielmehr von der körperlichen Fitness ab, wie schwer man an diesem Virus erkrankt.

Wobei der Verlauf bislang ja noch glimpflich zu nennen ist, zumindest im Vergleich mit anderen Ländern.
Das stimmt. Wir rechnen aber damit, dass das intensiver wird. In der ersten Phase hatten wir in erster Linie sportliche Menschen um die 50, 55 Jahre, die in Skigebieten waren und das Virus von dort mitgebracht haben. Die sind nicht so schwer erkrankt. Sie haben aber gestreut. Und deswegen beginnt jetzt die Zeit, in der es auch andere trifft, die eventuell nicht so aktiv und fit sind. Das übrigens ist auch eine neuere Erkenntnis: Es hängt weniger vom Alter, als vielmehr von der körperlichen Fitness ab, wie schwer man an diesem Virus erkrankt. Je gesünder und stärker man ist und je mehr man für seine Gesundheit tut, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, nicht schwer an diesem Virus zu erkranken. 

Wie sieht es mit Medikamenten, mit Schutzausrüstung im Land aus? 
Auch da ist die Situation im Land relativ gut, weil wir eben schon frühzeitig begonnen haben, die Lager zu füllen. Wir haben vier Krisenlager eingerichtet und eine zentrale Versorgungstruktur aufgebaut – eine Notversorgung für alle Gesundheitsstrukturen im Land. Alle Bereiche werden über diesen Stab versorgt, allerdings nur mit Notrationen und nur, wenn der eigene Vorrat aufgebraucht ist. Wir sind sehr sparsam, weil wir nicht wissen, wie lange wir mit diesem Lager auskommen müssen, ob das nun Wochen oder doch Monate sein werden. Es sind auch viele Hilfsmaßnahmen angelaufen, wir bekommen von Unternehmern Handschuhe geschenkt, wir bekommen Masken von jenen Unternehmen, die da mit einer Produktion begonnen haben. Das ist sehr erfreulich! Im Übrigen wurde uns vom Bund eben erst mitgeteilt, dass die nächsten Lieferungen aus China wieder eintreffen …

Apropos. Man wird aus der Krise Lehren ziehen müssen, etwa, was Abhängigkeiten betrifft.
Ganz genau. Wir sind zwar immer noch in der Bewältigungsphase. Aber wir leiten jetzt schon ab, was wir in Zukunft anders machen müssen, um besser gerüstet zu sein. Wir wollen auf mehreren Standbeinen stehen, wir werden uns nicht mehr von einer einzelnen Region abhängig machen. Wir werden künftig Krisenlager bevorraten und immer wieder auffrischen, mit allen möglichen relevanten Artikeln, mit Handschuhen, Masken, mit Medikamenten. Auch Personalstrukturen werden wir anpassen. 

Wie geht’s eigentlich dem Vorarlberger Nullpatienten – also jenem Studenten, der sich als Erster im Land mit dem Virus infiziert hatte?
Er ist wieder fit. Der erste Patient – genauer gesagt: der erste, von dem wir wissen – ist aus dem Spital entlassen. Er war überhaupt nie in einem Zustand, dass wir ihn im Spital hätten aufnehmen müssen, aber nachdem er eben Patient Null war, wollten wir das in Ruhe abklären. Die Anzahl der Genesenen ist gestiegen, am 25. März hatten wir 14 genesene Patienten; diese Zahl wird jetzt auch täglich stark steigen. Wir wissen ja, dass man bei milden Verläufen in der Regel nach 14 Tagen wieder symptomfrei ist, und dann wird man auch automatisch wieder für gesund erklärt. Es wird auch wieder positive Nachrichten geben.

Wie zufrieden ist die Landesrätin denn mit dem Verhalten der Vorarlberger?
Großteils sehr zufrieden, auch wenn es durchaus einige Ausnahmen gibt. Aber bei diesen Ausnahmen hilft die Exekutive. Wir brauchen das. Es kann uns nur gelingen, diese Krise zu bewältigen und die Zahlen in den Spitälern im Griff zu behalten, wenn sich möglichst wenige Menschen anstecken. Wir müssen die zu erwartende Spitze möglichst weit nach hinten schieben, damit wir nicht an einem Zeitpunkt extrem viele Patienten haben. Man kann das gar nicht oft genug betonen: Wenn Sie sich selbst schützen, schützen Sie auch andere. Sie können mit einfachen Maßnahmen – Abstand zu halten, soziale Kontakte auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren und vor allem ältere Menschen gezielt zu schützen – jetzt wirklich Leben retten. Das gilt für jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns!

Was kann den verunsicherten Menschen derzeit Mut machen? Was macht Ihnen Mut?
Der gesamthafte Ausblick. Dieses enorme Gefühl des Zusammenhalts in Vorarlberg. Das enorme Engagement. Die Krise führt auch dazu, dass wir alle gezwungen sind, einen Gang zurückzuschalten. Man überlegt sich, was wirklich wichtig ist. Wenn es uns gelingt, die wirtschaftlichen Auswirkungen im Griff zu behalten und die Arbeitsplätze zu sichern, dann kann uns das als Gesellschaft gesamthaft einen Schritt weiterbringen – in Richtung Achtsamkeit und Konzentration auf das wirklich Wesentliche. Wir werden das meistern. Es wäre nicht Vorarlberg, wenn wir das nicht schaffen würden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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