Von Schusswaffen und Messern
Den Messerangriff auf einen Beamten bei einem Einsatz in Lauterach Anfang November bezahlte der Angreifer mit dem Leben. Der Polizist konnte sich nur mit Schüssen aus seiner Dienstwaffe wehren. Gewalt gegen Polizisten nimmt zu.
Es schien sich eigentlich nur um das übliche „Tagesgeschäft“ für die Exekutive zu handeln. Routine. Eine Frau hatte die Polizei gerufen. Ihr Lebensgefährte hantiere in der gemeinsamen Wohnung wild mit einem Messer, sie fühle sich bedroht. Die Polizei traf ein, die Situation eskalierte. Der Mann, 51 Jahre alt und amtsbekannt, attackierte die Beamten. Drei von vier Schüssen aus der Dienstwaffe des Polizisten trafen den Angreifer, der noch im Rettungswagen verstarb.
Ob der Polizist in Notwehr feuerte oder ob ihm eine Anklage droht, darüber hat jetzt die Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Unabhängig davon steht jedenfalls fest: Die Exekutive muss fast regelmäßig wegen Streitigkeiten ausrücken – sei es im privaten Bereich oder in der Öffentlichkeit. Nackte Zahlen belegen dies: Im Jahr 2016 waren 1117 Einsatzstunden notwendig, um private Streitereien zu schlichten. Weitere 236 Einsatzstunden waren erforderlich, Streitereien in der Öffentlichkeit in den Griff zu bekommen. Für 2017 zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. Doch ob ein Einsatz wegen Streitereien oder aus einem anderen Grund notwendig ist – die Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei hat deutlich zugenommen. Dies bestätigt der Vorarlberger Polizeipressesprecher Horst Spitzhofer. Er kann dies mit absoluten Zahlen untermauern. Die Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt in Vorarlberg, bei denen in der Regel Gewalt im Spiel ist, steigerten sich von 67 im Jahr 2015 auf 90 im Folgejahr. Auch die tätlichen Angriffe sind mehr geworden. Spitzhofer vermutet hinter dieser Entwicklung ein allgemeines gesellschaftliches Problem.
Erster Toter seit Jahrzehnten
Eine derartige Eskalation wie in Lauterach stellt freilich die Ausnahme dar. Die absolute Ausnahme. Denn es handelte sich um den ersten Zwischenfall dieser Art seit mehreren Jahrzehnten, der für den Angreifer tödlich endete. Allerdings hatte auch im heurigen März ein Polizist in Bludenz von seiner Schusswaffe Gebrauch gemacht – ein rabiater, betrunkener Autofahrer hatte den Polizisten in einer Tiefgarage gegen eine Betonsäule drücken wollen. Erst Schüsse in beide Beine konnten den Autofahrer, der den Beamten zuvor eine wilde Verfolgungsjagd geliefert hatte, stoppen.
Bei heiklen Einsätzen, die – so wie in Lauterach – eskalieren können, reicht es oft, auf Streithähne einzureden. Wenn das jedoch nichts nützt, müssen sogenannte „Zwangsmittel“ angewendet werden. Dazu zählt Körperkraft genauso wie die Verwendung von Pfefferspray. 97 Mal griff die Exekutive 2016 zu solchen Maßnahmen. Kritische Einsätze, bei denen Beamte selbst in Gefahr geraten, erfordern jedenfalls Fingerspitzengefühl und psychologische Kenntnisse. „Bereits in der Grundausbildung für angehende Polizisten wird Psychologie unterrichtet“, sagt Polizeipsychologe Markus Wirtenberger vom Innenministerium, zuständig für Vorarlberg. Die Beamten befinden sich, wenn ihnen ein Angreifer gegenübersteht, quasi unter „Strom“. „Da werden Stresshormone ausgeschüttet, die Sinne sind geschärft, alle Körpersysteme fahren hoch“, erklärt Wirtenberger.
Man möchte meinen, dass eine Schusswaffe auf einen Polizisten besonders bedrohlich wirkt. „Das stimmt natürlich“, weiß der Psychologe. Aber auch Messer sollten nicht unterschätzt werden. „Das liegt daran, dass ein Angreifer mit einem Messer seinem potenziellen Opfer häufig deutlich näher gegenübertritt als jemand mit einer Schusswaffe“, informiert Wirtenberger. Spielt sich das Szenario in engen Räumlichkeiten ab, verschärft dieser Umstand die Lage abermals.
Ausbildung, Einsatztrainings und Erfahrung helfen den Beamten bei solch heiklen Umständen. „Dennoch – Realsituationen lassen sich nur bedingt üben“, schränkt Markus Wirtenberger ein. Zum Glück enden die meisten davon glimpflich.
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