
Weite Horizonte, lange Schatten
Franz Ehmann lebt seit über vier Jahrzehnten im Ausland, davon 37 Jahre in Australien. Nahe dem Zentrum von Brisbane arbeitet er als Koch und verwirklicht sich als Künstler und Imker.
Franz Ehmann kennt viele Orte in Vorarlberg – er ist in Lustenau und Fußach aufgewachsen, ebenda sowie in Hard und Lochau zur Schule gegangen und für seine Lehrausbildung zum Koch in den hintersten Bregenzerwald gezogen. Aus seiner Kindheit und frühen Jugend sind ihm vor allem Erinnerungen an das Dorfleben in Vorarlberg geblieben; an die benachbarten Milchbauern, das Mithelfen beim Treiben der Kühe in den Morgen- und Abendstunden, vor allem in den langen Schulferien, sowie die Nähe zum Bodensee und zum Rhein. Ehmann beschreibt es als eine „Art perfektes Ideal, romantisch und wild. Für mein früheres Ich in einem kleinen Dorf schien alles so groß zu sein. Mit dem fortschreitenden Leben änderte sich das Bild und diese Dinge wurden kleiner und routinemäßiger.“
Nach der dreijährigen Ausbildungszeit in Damüls schlug er seine Zelte zum ersten Mal im – wenn auch nahen – Ausland auf: „Nach Abschluss meiner Lehre ging ich 1982 in die Schweiz, um dort zu arbeiten. Ich wollte gezielt in Betrieben kochen, in denen die Nouvelle Cuisine vorherrschte. Das Kochen ist ein Prozess der ständigen Veränderung.“
Schon früh begann auch Franz Ehmanns Einstieg in die Kunstwelt. Mit einer Ausstellung in der Galerie Autodidakt in Bregenz, wie der heute 60-Jährige erzählt: „Das war eine gemeinsame Ausstellung von Wolfgang Fetz und mir; er war 19 und ich war 13 Jahre alt.“
Faszination für Australien
Während der vier Jahre, die er in der Schweiz lebte, ging der Jungkoch oft an einer Buchhandlung in Zürich vorbei: „Dort war ein großes Australien-Buch ausgestellt und die Farben der Landschaften faszinierten mich. Das Leben an den Rändern des Kontinents sowie das Landesinnere mit seinen weiten Horizonten und langen Schatten, das kann nur in Australien erlebt werden.“ Im Jahr 1986 packte er abermals seine Koffer, nun sollte Australien, dank der Inspiration durch die Buchhandlung, die neue Destination sein. „Am 3. August 1986 bin ich in Adelaide angekommen. Und habe seitdem in vielen Teilen Australiens gelebt.“
Außerdem reist er sehr gerne, zum Beispiel nach Schottland, Indonesien und Bali, Fidschi und Viti Levu, Sri Lanka und Colombo, auf die Isle of Skye, sowie nach Paris und Berlin: „Reisen Sie immer und seien Sie niemals ein Tourist“, nach diesem Grundsatz gestaltet Franz Ehmann seine Touren; das könne sogar von Bedeutung sein, wenn Freunde ihn für einen Fremden halten, denn „sobald ich spreche, ist klar, dass ich kein Australier bin. Für mich ist es ein bittersüßes Gefühl – ich liebe es genauso zu Hause zu sein, wie ich es auch liebe, wegzugehen.“
Zuhause ist er nun seit 37 Jahren in Australien, 1990 traf Franz Ehmann seine Partnerin Caitlin Reid in Darwin „und wir beschlossen, nach Brisbane zu ziehen, als sich in dieser Stadt gesellschaftlich und politisch viel zu verändern begann. Seit über dreißig Jahren lebt das Paar nun im Nordosten von Australien, in der Hauptstadt des Bundesstaates Queensland. Seit seinem ersten Kontakt mit Australien hat sich „Brisbane völlig verändert“, wie der 60-Jährige erklärt. Es sei dynamischer geworden: „Ich habe es schon vor langer Zeit aufgegeben, auf die Unterschiede zwischen Europa und Australien und vor allem auf den Regionalismus hinzuweisen. Ich denke, es gibt eine gewisse Verbindung zwischen der Unabhängigkeit Vorarlbergs und der von Brisbane; beide Regionen definieren ihre Identität auch durch Freiheit.“
Küche, Atelier und Imkerei
Der Vorarlberger und seine Partnerin lebten in verschiedenen Vororten von Brisbane, derzeit wohnen sie in Jamboree Heights, rund zwanzig Minuten vom Zentrum Brisbanes entfernt. „Das Haus wurde Ende der 1970er-Jahre erbaut und ist ein typisches Arbeiterhaus. Mein Atelier liegt neben der Garage, die ebenfalls als Atelier und Arbeitsplatz für meine Imkerei genutzt wird. Das Studio selbst ist eher klein und ich bewege ständig Dinge, um Arbeitsraum zu schaffen“, berichtet der passionierte Kunstschaffende. Und er braucht viel Platz, denn Franz Ehmanns künstlerischer Fokus liegt auf der Integration von prozessorientierten Materialien, um die Wirkung von Vergänglichkeit, Differenz und Wiederholung zu verstärken. Ein Beispiel? Der Künstler erklärt: „Ich beginne mit der Vorbereitung eines Hemdes, das in dreifach erhitztem und abgesiebtem Bienenwachs getränkt wird. Das Objekt ist so dimensioniert, dass es in die Honigbox passt, um die Bienen zu ermutigen, Zellen zu bilden.“
Franz Ehmann ist seinem ursprünglichen Lehrberuf bis heute treu geblieben: „Ich arbeite immer noch als Koch und gestalte den Rest meiner Zeit damit, Kunstwerke zu erschaffen, mich um die Bienen und den Garten zu kümmern.“ In seinem Leben gebe es keine besonderen Routinen – außer vielleicht „das Leben zum Laufen zu bringen und alles zu verwerfen, was nicht gewünscht oder benötigt wird. Manchmal arbeite ich daran, mein eigenes Bienenwachs aus allen Resten der Honigproduktion herzustellen. Stundenlang an Textstücken schreiben, die einfach nirgendwo hinführen. Ich arbeite immer wieder an großformatigen Papierarbeiten, deren Fertigstellung Monate oder sogar Jahre dauern wird.“ Während der Künstler seine Kunstwerke gestaltet, frönt er auch seiner musikalischen Leidenschaft für Alternative-Bands, wie The National, The Killers, Elbow und vielen anderen. „Oft geht es nur langsam voran und Misserfolge werden interessant. Oftmals werden diese komprimierten Versionen zu einem digitalen Bild auf meinem iPhone. So bedeutet das Posten von Bildern auf Instagram für mich auch, Gedanken über das Leben und das Leben im Augenblick zu ordnen.“
Lebenslauf
Franz Ehmann, *1963, hat seine Kindheit und Jugend in Lustenau und Fussach verbracht. Von 1979 bis 1982 absolvierte er die Lehre zum Koch, danach lebte und arbeitete er in der Schweiz. 1986 wanderte er nach Australien aus und schloss 1991 sein Kunststudium an der Charles Darwin University ab. Der Kunstschaffende eröffnete die Soapbox Gallery in Brisbane und leitete diese von 1997 bis 2005. Seine Kunstwerke waren unter anderem in Sydney, Augsburg und bei der Biennale Wien zu sehen, zudem unterrichtete er an der Queensland University of Technology und am Queensland College of the Arts, Griffith University. Der 60-Jährige lebt mit seiner Partnerin Caitlin Reid in Brisbane, arbeitet als Koch und ist leidenschaftlicher Künstler und Imker.
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