Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Wie die Verbotsgesellschaft den Bürger entmündigt

September 2014

Der Staat versucht, in immer stärkerem Maße in die Privatsphäre der Bürger einzugreifen. Doch gegen diese Entmündigung setzen sich zunehmend mehr Menschen zur Wehr.

Die Freiheit eines jeden endet dort, wo sie anderen Schaden zufügen könnte. Jede Gesellschaft, auch eine liberale, braucht ihre Regeln und Verbote, um gesicherte Verhältnisse zu schaffen, Vertrauen und Berechenbarkeit. Das ist anerkannt. Doch steigt der staatliche Trend, in das Privatleben seiner Bürger eingreifen zu wollen, geleitet vom Bestreben diverser Entscheidungsträger, das eigene Weltbild zu dem aller anderen machen zu wollen. Und dagegen regt sich Widerstand. „Der Staat“, sagt Meinungsforscher Rudolf Bretschneider unwirsch, „versucht, die Mikronormierung des Lebens zu betreiben. Und das geht ihn einen feuchten Dreck an.“ Bretschneider ärgert, „dass alles geregelt wird, was der Umwelt, der Sicherheit oderder Gesundheit dient, und dass der Staat die Menschen behandelt, als ob sie nicht selbst in der Lage wären, richtige Entscheidungen
zu treffen“.

Mit seiner Kritik ist der Professor nicht allein. Eine Studieder GfK Austria zeigt, dass Österreich von den Bürgern zunehmendals Verbotsgesellschaft empfunden wird. Demnach erleben drei Viertel der Bevölkerung das Ausmaß an gesetzlichen Bestimmungen als „zu hoch“ oder zumindest als „lästig“. Nur noch jeder zehnte Befragte ist der Ansicht, dass die Aussage „Das gegenwärtige Leben in Österreich ist von einem hohen Maß an Selbstbestimmung geprägt“ sehr zutreffend ist. Zu viele Regeln verhindern, dass die Menschen selbstständig denken – das ist laut Studie die Meinung der Mehrheit. In ihren Augen entwickelt sich Österreich immer mehr zu einem Kindermädchen-Staat – einem „nanny state“, wie es im Englischen heißt. Soll heißen: Der Staat schreibt das Verhalten vor. Was unerwünscht ist, wird verboten. Und was erwünscht ist, wird verlangt.

Der Terror der Tugend

Längst reden Kritiker von einer versuchten Infantilisierung der Gesellschaft und von einem „Terror der Tugend“. Die Plattform meinveto.at etwa ruft die Österreicher im Internet auf, gegen die zunehmende Bevormundung durch den Staat aktiv zu werden. „Mit seiner übertriebenen Fürsorglichkeit spricht der Staat uns mündigen Menschen jedes Maß an Eigenverantwortung ab“, sagen die Protagonisten der Plattform, „wir wenden uns deshalb gegen staatliche Bevormundung und Überregulierung und setzen uns aktiv für die Freiheit des mündigen Bürgers ein.“ Bretschneider ist selbstredend einer der Unterstützer dieser Initiative, der Wiener Kulturtheoretiker und Philosoph Robert Pfaller ein anderer. Pfaller wurde jüngst in der „Neuen Zürcher Zeitung“ mit den Worten zitiert: „Wir dürfen uns nicht gefallen lassen, dass die Politik uns wie Kinder behandelt.“ Max Preglau, Soziologe an der Universität Innsbruck, spricht von einem schmalen Grat zwischen dem Aufstellen notwendiger gesellschaftlicher Regeln und Bevormundung. Aber welche Regeln sind wirklich notwendig? Sollen Plastiktaschen, bestimmte Computerspiele, zu salzige und zu fettige Lebensmittel verboten werden? Und zu hohe Mieten, Heizstrahler sowie Laubbläser, wie es die Wiener Grünen fordern? Muss – wie es die deutschen Grünen ernsthaft einmahnten – ein verpflichtender vegetarischer Tag in allen Kantinen eingeführt werden, um die Menschen quasi zwangsweise gesund zu ernähren? Soll Rauchen im öffentlichen Raum völlig untersagt werden, wie etwa in New York?

Allgegenwärtige Propaganda

In der Schweiz ist bereits der Konsum von E-Zigaretten in Zug, Bus und Straßenbahn verboten. Für den Schweizer Ethnologen und Schriftsteller David Signer ist dies symptomatisch für die sich mehrende Verbotskultur: „Das Verbot der normalen Zigaretten wurde immer mit dem Passivrauchen begründet. Diese Belästigung fällt nun weg, und trotzdem verbietet man die E-Zigaretten.“ Wobei den NZZ-Journalisten Signer nicht nur die Verbote in Bezug auf das Rauchen oder das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit ärgern, sondern auch die Präventionsmaßnahmen staatlicher Behörden. „Die Propaganda des Gesundheitsamtes, diese Pädagogik mit erhobenem Zeigefinger, ist allgegenwärtig“, ärgert sich Signer, „und immer in diesem pädagogisch leicht bevormundenden und leicht infantilisierenden Tonfall.“ Der Schweizer nennt die eidgenössische Gesundheitspolitik eine „warnende, repressive Instanz, in deren Auftrag unter dem Deckmantel der Aufklärung massive Übergriffe in die Privatsphäre erfolgen“. Er führt die wachsende Verbotsgesellschaft übrigens auf seltsame Koalitionen zurück – „Koalitionen der Linken, die immer einen gewissen Hang zur Volkserziehung hatten, mit Rechtskonservativen, die sowieso immer alles schlimmer kommen sehen und vor der Verwilderung der Sitten warnen“.

Ein jeder ist seines Glückes Schmied, lautet ein altes Sprichwort. Ein Sprichwort, wonach der Staat Glück schmiedet, gibt es keines. Man müsste nur dem mündigen Bürger etwas mehr zutrauen und richtiges Verhalten nicht mit Verboten und Geboten erzwingen wollen. „Eine Gesellschaft ist vielfältig und bunt“, sagt Bretschneider, „und das soll sie auch bleiben.“

Kommentare

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finde die anregung sehr inspirierend und möchte auch ein neues konkretes Phänomen hier anführen: Crowdfunding. Beim Crowdfunding will der Staat die Bürger vor zu hohen Investments schützen, die diese in junge Startups stecken könnten. Daher ist das Fundingvolumen noch immer begrenzt. Nun ist es aber so, daß jeder Bürger sich um einen x-beliebigen Betrag einen Fernseher oder ein Auto oder ein Haus kaufen kann, aber bei einem Investment traut man ihm keine Mündigkeit zu. Finde ich übertrieben. LG Oliver Grabherr