Christine Flatz-Posch

Soziologin und ehemalige Journalistin, ist verantwortlich für Öffentlichkeits- und Pressearbeit im Vorarlberger Kinderdorf.

Wir KINDER VORarlbergs!

November 2023

Mensch, wie bist du groß geworden? Die Initiative „Wir KINDER VORarlbergs!“ des Vorarlberger Kinderdorfs forscht nach ermutigenden Kindheitserfahrungen und zeigt: Wir alle können Kindern eine Perspektive mehr fürs Leben geben.

Hugo Kleinbrod, der Gründer des Vorarlberger Kinderdorfs, hatte zeitlebens das Anliegen, Kindern neuen Lebensmut zu geben. Er tat dies mit Güte und Humor, aber auch mit unvergleichlichem Engagement für verlassene und von der Gesellschaft vergessene Kinder. „Heute, über 70 Jahre später, geht es immer noch darum, Kinder zu ermutigen und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen“, sagt Simon Burtscher-Mathis, der gemeinsam mit Alexandra Wucher die Geschäftsführung des Vorarlberger Kinderdorfs innehat. 

Solidarisches Netzwerk
Seit der Gründung entwickelte sich das Vorarlberger Kinderdorf zu einem umfassenden Netzwerk der Solidarität mit vielfältigen Hilfestellungen im präventiven, ambulanten und stationären Bereich. Rund 350 Mitarbeitende unterstützen gut 4000 Kinder, Jugendliche und deren Familien in Vorarlberg. Die Wurzeln der Kinderschutzeinrichtung liegen im Bregenzerwald, wo Hugo Kleinbrod Ferienaktionen für verwaiste und hungernde Kinder durchführte. Als Geburtsstätte gilt das inzwischen neu errichtete Ferienheim in Schönenbach. 1951 wurde auf Initiative von Kleinbrod der Verein „Kinderdorf Vorarlberg“ gegründet, der 1991 in „Vorarlberger Kinderdorf“ umbenannt wurde. 1968 ging in Au-Rehmen die Einweihung des Kinderdorfs Vorarlberg über die Bühne. Die Übersiedelung nach Bregenz erfolgte Mitte der 1970er-Jahre.

Eine neue Ära 
Eine neue Ära begann mit dem Eintritt des Psychologen Christoph Hackspiel 1984. In seiner fast 40-jährigen Geschäftsführung trieb er die Weiterentwicklung und Professionalisierung zur größten privaten Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe des Landes voran und kämpfte vehement darum, Ressourcen vor allem für benachteiligte Kinder zu mobilisieren. Neue Fachbereiche wie Auffanggruppe und Familiendienst widmeten sich verstärkt der Unterstützung vielfältig belasteter Eltern und Familien. Der Pflegekinderdienst, die Paedakoop am Jagdberg in Schlins mit Wohngruppen, teilstationärer und schulischer Betreuung, Besuchscafé, Krisenpflege und weitere Angebote entstanden. 
Verstärkte Prävention
Mit dem Bereich „Familienimpulse“ und dem Kooperationsprojekt „Netzwerk Familie“ wurden innovative Präventionsangebote ins Leben gerufen, um Familien möglichst frühzeitig und unbürokratisch den Rücken zu stärken. Überhaupt lag der Fokus vor allem im vergangenen Jahrzehnt vermehrt darauf, durch präventive Hilfestellungen und Kooperationen Familien frühe Hilfen zur Verfügung zu stellen. Die Unterstützung durch die Bevölkerung war und ist dabei von enormer Bedeutung – sei es in Form von Spenden oder Freiwilligenarbeit. Allein in das „Ehrenamt mit Kindern“ investierten im Vorjahr 238 Freiwillige über 20.000 Stunden ihrer Freizeit.

Kindern neuen Lebensmut geben
Bei allen Veränderungen bleibt das Motto von Hugo Kleinbrod, Kindern neuen Lebensmut zu geben, ungebrochen lebendig. Denn fast 20 Prozent aller Kinder im reichen Vorarlberg sind von Armut und Ausgrenzung bedroht oder betroffen, oder von Gewalt und Vernachlässigung. „Sie leben in instabilen Verhältnissen, in erschöpften Familien, denen die Kraft fehlt, sich um ihre Kinder verlässlich zu kümmern“, sagt Burtscher-Mathis. „Nach wie vor hängt die gesunde Entwicklung von Kindern davon ab, in welches Elternhaus sie geboren werden. Kinder, die in armutsgefährdeten Familien aufwachsen, sind materiell und sozial, in ihren Gesundheits- und Bildungschancen benachteiligt. Ihre Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe und Freizeitnutzung sind massiv eingeschränkt.“ Als Kinderschutzrichtung versteht sich das Vorarlberger Kinderdorf auch als Lobby für Kinder mit der zentralen Aufgabe, ein Netzwerk zu schaffen, das sich für ihren Schutz, ihre Rechte und Chancen stark macht.

Was macht eine gute Kindheit aus?
Hier setzt die Initiative „Wir KINDER VORarlbergs!“ an, die unter dem Motto „Kinder vor!“ Kinder und ihre Bedürfnisse in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit stellt. Wie werden wir zu dem, wer wir sind? Und was macht eigentlich eine gute Kindheit aus? „Wir KINDER VORarlbergs!“ forscht nach ermutigenden Kindheitserfahrungen und Perspektivengebern. Das Herzstück bildet ein Blog, auf dem Persönlichkeiten aus Vorarlberg erzählen, wovon sie als Kind profitierten. Die Geschichten entlang besonders prägender Kindheitserlebnisse fügen sich zu einem facettenreichen Mosaik, das uns viel darüber sagt, was Kinder brauchen, um ihre Talente und Potenziale entfalten zu können. 

Kinder vor!
Als breite Plattform bietet „Wir KINDER VORarlbergs!“ Anknüpfungspunkte für jeden und jede, sich für Kinder einzusetzen. Sie stiftet zum Netzwerken an und lädt Privatpersonen sowie Vereine und Unternehmen ein, zum Perspektivengeber unserer Kinder zu werden. Viel ist in der Zwischenzeit aus der anfänglichen Idee entstanden: Die einen wirken in Workshops für Jugendliche als inspirierendes Vorbild, andere lancieren Beteiligungsinitiativen oder Projekte. Und inzwischen über 100 Persönlichkeiten lassen Erinnerungen an ihre bedeutendsten Mutmacher Revue passieren. Was alle Geschichten zeigen: Kinder wachsen an Beziehungen und ob Eltern, Großeltern, Nachbarn, Lehrperson oder Trainerin – jeder und jede einzelne kann zu einem kindgerechten Lebensraum Vorarl­berg beitragen und Kindern eine Perspektive mehr fürs Leben geben.

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