Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Einen Teil unserer gemeinsamen Zukunft gestalten“

Februar 2024

Günter Grabher (54), CEO der Grabher Group, spricht im Interview über Unternehmertum und über seine innovativen Produkte, vom Kohlendioxid-Sauger „C-Hoover“ bis hin zu dem elektromagnetischen Abschirmungsgewebe, das sich in vielen Ariane-Raketen befindet. Grabher erklärt auch, warum die EU-Taxonomie für Vorarlbergs Industrie die größte Herausforderung sein wird – und warum Unternehmer in Österreich dringend bessere Rahmenbedingungen brauchen.

Herr Grabher, sprechen wir über Unternehmertum? Über Mut?
Gut! Das braucht‘s im Moment!

Warum?
Weil die aktuellen Rahmenbedingungen in Österreich für das produzierende Gewerbe und für die Industrie immer schwieriger werden. Und das hat natürlich mit der massiven Erhöhung der Energiepreise und der Personalkosten zu tun. Das macht die Konkurrenzfähigkeit für unsere Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht einfacher. Denn die Preisschere ist nicht nur im Vergleich mit asiatischen Herstellern, sondern auch gegenüber anderen europäischen Ländern drastisch aufgegangen. Sagen wir es so: Den Konkurrenzkampf mit Fernost hatten wir vorher schon. Nur haben die massiven Erhöhungen in Österreich diesen Konkurrenzkampf noch einmal massiv verschärft. Unser größtes Problem ist, dass das Ungleichgewicht in Europa zugenommen hat. Ein Beispiel?

Ja, bitte!
Dann schauen wir doch über die Grenze nach Deutschland. Dort hat man für die Industrie bereits frühzeitig einen Strompreisdeckel eingeführt. Der liegt bei rund 13 Cent. Und aktuell ist die Rede davon, den Deckel für Großabnehmer nochmals zu senken, auf 6 Cent. Und wir in Vorarlberg? Wir zahlen in unserem Betrieb aktuell für die KWh 35 Cent. Da wir doch sehr energieintensiv sind, macht das in unserer Produktion natürlich enorm viel aus. Und die inflationsbedingten Lohnabschlüsse unserer Branchen im Vergleich zu den Deutschen? Deutschland hat im Branchenvergleich 4 plus 4 Prozent für drei Jahre abgeschlossen. Wir hatten 10 Prozent, werden jetzt wahrscheinlich mit 9 abschließen und das nächste Jahr wahrscheinlich nochmals zwischen 5 und 7. Und das heißt schlussendlich, dass unsere Produkte in Vorarlberg im Vergleich zum deutschen Mitbewerb einfach um 25 Prozent teurer geworden sind. Uns macht das ordentlich Sorgen. Also ja, da braucht es ein bisschen Mut und Hoffnung für die produzierende Industrie.

Man hat in Österreich den Eindruck, dass es an prinzipieller Wertschätzung für das Unternehmertum fehlt. 
Mir ist nicht schlüssig, was die Politik bezweckt, denn grundsätzlich schädigt sie damit nachhaltig die Industrie und die Wirtschaft. Und die hohen Lohnabschlüsse sind ein nachhaltiger Wettbewerbsnachteil für Österreich. Zumal sich das ja auch nicht irgendwann wieder angleichen wird. Im Gegenteil: Dieser Nachteil wird bestehen bleiben. 

Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel sagt: „Ohne Unternehmer wird unsere Gesellschaft verarmen und langfristig scheitern.“ Das könnte man fast auch als Warnung sehen.
Ich würde es genau in diesem Zusammenhang sehen. Das Unternehmertum ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft, es schafft Arbeitsplätze und damit auch Stabilität. Und ich ziehe vor jedem Unternehmer den Hut, der bereit ist, diese Verantwortung, diesen Mut und dieses Risiko auf sich zu nehmen. Ganz abgesehen von den zeitlichen Einbußen, die oftmals die Familie und der Freundeskreis zu tragen haben …

Was ist das Reizvolle am Unternehmertum? Sein eigener Chef sein zu können? 
Es geht nicht unbedingt um das Chef-Sein selbst, das mir Spaß am Unternehmertum macht. Für mich ist vielmehr das Reizvolle, dass Unternehmertum mir die Möglichkeit eröffnet, mit einem Team komplett neue Dinge zu erschaffen und damit vielleicht auch einen Teil unserer allgemeinen, gemeinsamen Zukunft zu gestalten. Das macht es für mich spannend.

Sie haben sich bereits mit 25 Jahren selbstständig gemacht. Das zeugt von Selbstbewusstsein. Und Risikobereitschaft.
Ja, absolut. Zur Selbstständigkeit gehört natürlich immer eine Portion Selbstbewusstsein, aber natürlich auch ein hohes Maß an Risikobereitschaft. Allerdings habe ich mir die vergangenen 28 Jahre schon erhofft, dass das Risiko über die Jahre abnimmt. Das ist leider so nicht eingetroffen (schmunzelt). Ich musste eher feststellen, dass eine Risikominimierung automatisch auch mit dem Rückgang von Innovation zu tun hat. Innovation ist aber in unserer Branche überlebensnotwendig. Also gibt es auch keine Risikominimierung für mich. Leider.

Sprechen wir über Innovation! 
Forschung, Entwicklung und Innovation sind unerlässlich, um die Herausforderungen, die wir als Branche in der Zukunft haben, meistern zu können. Im Übrigen hat die viel zitierte Transformation, die in vielen anderen Industriezweigen erst jetzt beginnt, in der Textilindustrie schon vor Jahrzehnten begonnen. Wir haben in der Textilindustrie gelernt, dass ein Transformationsprozess kein abschließender Prozess ist, sondern dauernd anhaltende Veränderungen bedeutet. Und ohne intensive Forschung, Entwicklung und Innovation kann man da nicht bestehen. 

Wie ließe sich denn die Grabher Group prinzipiell beschreiben? 
Wir sind grundsätzlich in vier Units aufgeteilt. Wobei das Kerngeschäft, aus dem wir kommen, der Bereich der Textilveredelung ist.

Der Kohlendioxid-Sauger „C-Hoover“, hochwertige in Vorarlberg produzierte FFP2-Masken, die zu Beginn der Corona- Pandemie präsentiert wurden, aktuell ein Herzvorsorgegurt. Was war in all diesen Fällen denn Ihr Antrieb zur Entwicklung dieser innovativen Produkte? 
Das hat grundsätzlich sehr viel mit unserer Forschungseinrichtung V-trion GmbH zu tun. Wir haben diese außeruniversitäre, gemeinnützige Forschungseinrichtung, die hauptverantwortlich war für unsere Innovationen der vergangenen Jahre, vor 13 Jahren gegründet. Die V-trion GmbH ist auch die Träger­organisation der Smart-Textiles Plattform Austria, einer Netzwerk-Vereinigung von über 80 internationalen Unternehmen und Forschungseinrichtungen, mit Mitgliedern aus dem Textil-Bereich, der Software, der Mikro-Elektronik, der Elektronik, der Kunststoffverarbeitung und dem Werkzeugbau. Was wir für unsere Produkte brauchen, ist in diesem einzigartigen Netzwerk vorhanden. Das ist sehr wichtig: Es gibt kaum noch ein Produkt, das nicht branchenübergreifendes Know-how benötigt.

Sie haben erst vor kurzem den „C-Hoover“ präsentiert, einen Kohlendioxid-Sauger, der Medienberichten zufolge auf einer weltweit einzigartigen Methode beruht, um CO2 aus der Luft herauszufiltern. 
Da geht es um die direkte CO2-Abscheidung aus der Luft. Zur Erreichung der Klimaneutralität 2050 ist das aktuell wohl das heißest diskutierte Thema. Neben der notwendigen CO2-Reduktion wurde diese Technologie eben erst beim Weltklimagipfel in Dubai als einer der wichtigsten Pfade zur Erreichung der Klimaziele in das Abschlussprotokoll aufgenommen. Die Firma C-Hoover ist gegründet und die Mitgründer dieses Unternehmens stammen aus dem Silicon Valley.

2019 hieß es, Sie hätten ein Textil entwickelt, das in die Ariane-Rakete kommen sollte …
Sollte? Das ist schon lange drinnen. Dieses Produkt haben wir mit unserer Tochterfirma RAC GmbH entwickelt. Wir liefern die elektromagnetischen Abschirmungsgewebe für die Ariane-Raketen. Im vergangenen April ist die bislang letzte Rakete mit unserem Textil gestartet. Sie fliegt zum Jupiter, soll in sieben Jahren dort ankommen. 

Das heißt: Vorarlberger Know-how ist auf dem Weg zum Jupiter?
Ja. Vorarlberger Know-how ist auf dem Weg zum Jupiter. Viele Ariane-Raketen haben unsere elektromagnetischen Abschirmungsgewebe. Nur die Stickerei-Technologie kann diese Abschirmungsgewebe herstellen. Es gibt sonst keine Technologie, die diese elektromagnetische Abschirmungswirkung erzielen könnte.

Sie sagten in einem Interview: „Was Smart-Textiles angeht, schaut die ganze Welt auf Vorarlberg.“ Ist das so? 
Wir sind da absolut führend. Im Bereich Smart Textiles ist Vorarlberg ein Brennpunkt. Das hat mit der Struktur unseres Landes zu tun. Und natürlich mit der Smart Textiles Plattform. Vorarlberg ist die letzte verbliebene Region Europas, in der die komplette Wertschöpfungskette auf so kleinem Raum noch vorhanden ist. Und das ist natürlich auch die Voraussetzung, um gemeinsame Entwicklungen relativ rasch vorantreiben zu können.

Sie nehmen in und mit Ihren Unternehmen Umweltagenden, Klimaschutzagenden sehr ernst.
Ja. All unsere Forschungsthemen der V-Trion GmbH über die vergangenen vier Jahre sind auf die EU-Taxonomie und deren beschriebenen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausgelegt, die einen wesentlichen Beitrag zu einem oder zu mehreren der sechs Klimazielen leisten können und somit EU-Taxonomie-konforme Tätigkeiten darstellen. Die EU-Taxonomie ist das gesetzliche Schwert zum European Green Deal und verordnet, dass zukünftig Kapitalströme und Finanzierungen nur noch in die weniger als 150 Wirtschaftstätigkeiten – die nach der EU als nachhaltig und daher EU-Taxonomie-konform beschrieben werden –, fließen sollen. Da Banken selbst der EU-Taxonomie unterworfen sind und nicht EU-Taxonomie-konforme Finanzierungen negative Auswirkungen auf ihr eigenes Rating und somit auf ihre Re­finanzierung bei der Europäischen Zentralbank haben, ist zu erwarten, dass zukünftig nicht EU-Taxonomie-konforme Finanzierungen zu Gänze abgelehnt, oder mit massiven Zinsaufschlägen versehen werden. Aber seltsamerweise …

Ja, bitte?
Seltsamerweise hat die Vorarlberger Industrie die EU-Taxonomie noch nicht so richtig auf dem Radar, obwohl das für viele Unternehmen in den nächsten Jahren vermutlich die größte Herausforderung sein wird, weil sie selbst keine EU-Taxonomie-konformen Tätigkeiten darstellen können. Unsere Industrien laufen da in ein riesiges Problem hinein. Die EU-Taxonomie ist seit 2022 in Kraft und ist seit dem 1. Jänner 2024 scharf gestellt. Das heißt, dass alle börsennotierten Unternehmen, Banken und Versicherungsunternehmen in ihrem Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2024 verpflichtend die EU-Taxonomie-konformen Einnahmen, Ausgaben und Investitionen veröffentlichen müssen. Dies gilt ab 2025 verpflichtend für alle Großunternehmen über 500 Mitarbeiter, ab 2026 für Unternehmen mit 250 Mitarbeiter. Und ab 2028 ist die EU-Taxonomie auch für Kleinunternehmen gültig. 

Und Sie haben da bereits reagiert?
Unsere Forschungseinrichtung V-Trion GmbH hat die Möglichkeit für andere Unternehmen geschaffen, die selbst keine solchen Tätigkeiten durchführen können, hier in EU-konforme Forschungsthemen zu investieren, um somit selbst in ihren Ausgaben und Investitionen EU-Taxonomie-konform zu werden. Aus dieser Forschung sind in den vergangenen zwölf Monaten drei Unternehmen entstanden, die zu 100 Prozent in allen Bereichen EU-Taxonomie-konform sind. Die StorexPower GmbH als Batteriehersteller, die C-Hoover GmbH zur CO2 Abscheidung und die Basalt+ GmbH im Bereich des Textilbetons zur CO2 Reduktion. 

Abschließend: Müsste Unternehmertum in Österreich mehr Wertschätzung erfahren?
Ich weiß nicht unbedingt, ob Unternehmer von der Politik und der Bevölkerung Wertschätzung erfahren sollen. Aber im Politikbetrieb wäre es einfach wünschenswert, wenn wir stabilere Rahmenbedingungen bekommen. Und weil wir auch kurz über die FFP-2-Masken gesprochen haben: Es wäre wünschenswert, wenn die Politik zumindest ihre Versprechen einhalten würde. Da redet man in Sonntagsreden von Resilienz und autarker Produktion, und was passiert dann? Nichts. Würde ein Unternehmer so agieren wie die Politik, würde er sein Unternehmen unweigerlich und ziemlich rasch in den Abgrund führen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Günter Grabher
* 1969 in Lustenau, ist CEO der Grabher-Group mit Beteiligungen an sieben Töchtergesellschaften. Grabher ist Leiter der Smart Textiles Plattform Austria und Technologiebeirat des Klimaministeriums (BMK). Der Unternehmer wurde vielfach ausgezeichnet, er ist unter anderem CEO des Jahres 2023, mehrmaliger KMU-Preisträger „Innovativstes Unternehmen Vorarlbergs“ und Staatspreisträger Innovation.

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