Sabine Barbisch

Der Holzphilosoph

September 2022

Hochwertiges Handwerk und langlebige Möbelstücke werden bei Markus Faißt in Perfektion vereint.
In seiner Holzwerkstatt in Hittisau lebt er seine Vision eines guten Lebens und zeigt, dass die Faszination für das Schöne und nachhaltiges Wirtschaften kein Widerspruch sind. 

Mit dem Ausblick auf die weitläufigen Wälder beginnt das Gespräch in der Holzwerkstatt in Hittisau. „Blickt man bei uns aus dem Fenster, mag mancher sagen, der Wald ist grün. Ich aber sehe einen bunten Wald vor mir. Wenn ich auf das Dach steige, sehe ich die meisten Herkunftsorte unseres Holzes im Vorderen und Mittleren Bregenzerwald“, erklärt Markus Faißt. Der 60-Jährige hat die Familientischlerei vor 30 Jahren übernommen und sich für einen Weg entschieden, der auf nachhaltigem Gestalten und Wirtschaften fußt. Nach der Lehre und Meisterprüfung hat Faißt in Wien und in Südamerika gelebt, insgesamt zehn Jahre war er unterwegs. „Irgendwann fragte ich mich, wo ich mein Leben investieren und meine Wurzeln schlagen möchte. Diese Entscheidung konnte ich nur freiwillig und von außen treffen, deshalb war diese Zeit so wertvoll!“ Spürte er vor dieser Entscheidung eine gewisse Unruhe in seiner Brust, war er dann – „beseelt von dieser Welterfahrung“ – absolut überzeugt von diesem Weg. Die Möbel, die seitdem mit Hingabe und Perfektion gefertigt werden, folgen keiner internationalen Mode, vielmehr sind es schöne, praktische und gesunde Möbel aus Bregenzerwälder Weißtanne, Buche, Bergahorn oder auch mal Eiche. Transparente Stoffkreisläufe und Ökobilanzen, die erste netzgekoppelte Photovoltaikanlage der Region, Solarstrom und damit betriebene Gefährte sind in der Holzwerkstatt gelebte Praxis.

Konsequenter Pionier 
„Die handwerkliche Grundgrammatik habe ich von meinem Vater erlernt, die Handwerkstradition im Tal und in der Familie reicht weit zurück. Das Engagement für Werte wie Kreislaufwirtschaft, Ökologie, Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität waren sicher neue Maßstäbe, die ich setzte. Bis heute arbeiten wir konsequent nach nachhaltigen Prinzipien.“ In der Praxis bedeutet das zum Beispiel, dass keine Spanplatten verbaut werden, die Basis der hochwertigen Inneneinrichtungen und Möbelstücke ist immer heimisches Holz. Warum? „Mir geht es um Ressourcen und Energie, wir sind nicht von internationalen Lieferketten abhängig, mit unserer regionalen Rohstoffversorgung verstopfen wir keine Verkehrswege und wir sichern Arbeitsplätze in der Region, weil wir auf unseren vielfältigen Wald vertrauen und ihn mit dieser maßvollen Nutzung auch stärken. Es gibt so viele heimische Baumarten, aus deren Holz wir etwas kreieren können, in unseren Mehrgenerationenwäldern gibt es Baby-Bäume und Teenager, Bäume im Erwachsenenalter und Greise. Unser Wald ist gesund und resilient. Kurz: Er ist ein klimastabilisierendes Wunderwerk.“
Faißt und sein zehnköpfiges Team arbeiten ausschließlich mit wintergeschlägertem Holz, das in einem eigenen Haus zum feinen Möbelholz reifen kann: „Unser Holzreifehaus ist einem Weinkeller näher als einem üblichen Materiallager.“ Damit meint er, dass das gesägte Holz ohne Stress reifen kann, je nach Art des Holzes und der eingesägten Stärke kann der aufwändige Luftreifungsprozess mehrere Jahre dauern. „Holz ist nicht gleich Holz, es wird geprägt von Höhe, Lage, Bodenverhältnissen und Windlast. Uns ist eine langfristige Holzreifung wichtig, andere Methoden wären vielleicht einfacher, aber für mich sind diese Prinzipien nicht verhandelbar“, sagt Faißt. Diese Konsequenz sei gerade in der Anfangszeit nicht einfach gewesen: „Ich wurde für meine Überzeugungen manches Mal müde belächelt, heute kommen Exkursionsgruppen aus aller Welt in unsere Holzwerkstatt.“ Das kleine Unternehmen statuiert nicht nur mit seinen hochwertigen und langlebigen Möbeln ein Exempel, der Familie Faißt ist es auch ein großes Anliegen, den ländlichen Raum zu beleben und einen positiven Beitrag zu dessen Entwicklung zu leisten – mit zivilgesellschaftlichem Engagement, kulturellem Austausch und hochkarätigen Veranstaltungen und Ausstellungen, die bis zu 1600 Menschen nach Hittisau locken. 

Uniformität und Schönheit 
Trotz dieser Begeisterung und Leidenschaft für den Bregenzer­wald, seine Natur, seine Bewohner:innen und die Entwicklung der Region hat er sich seinen kritischen Blick bewahrt: „Vieles in Sachen Nachhaltigkeit ist Marketing und dient der Marktkonformität. Ich bin gegen Langeweile und Uniformität in der Welt, denn das nährt uns nicht! Den bekannten Satz ‚je uniformer die Welt, desto unsteter wird der Mensch‘ kann ich in diesem Zusammenhang unterstreichen. Für mich geht es um die Individualität von Orten, es geht darum, in Beziehung zu treten und Verantwortung zu übernehmen, so wird unsere Welt schöner, besser und nachhaltiger.“ Diese innere Haltung spiegelt sich bei Markus Faißt in allen Lebensbereichen wider, Quartalsbilanzen schenkt er hingegen keine große Aufmerksamkeit: „Mich interessieren Langzeitbilanzen für mein Leben, für das meiner Mitarbeiter:innen, für mein Unternehmen.“ Ein Beispiel? Küchen, die von der Holzwerkstatt vor 30 Jahren gebaut wurden, werden nicht ersetzt, sondern mit kleinen Reparaturen und Pflegemaßnahmen frisch gemacht, denn er ist überzeugt, dass hochwertige Möbel nicht aus der Mode kommen. „Und übergeordnet frage ich mich, was diese Haltung mit dem Bregenzerwald macht: Haben wir den Ort gestärkt oder haben wir Ressourcen verbraucht oder gar Problemstoffe hinterlassen? Ich frage mich, was einen Ort stärkt, damit er eine kulturelle Ausstrahlung hat. Ich schaue mir die Bilanz für ein Leben, vielleicht für eine ganze Generation an: Wie entwickelt sich ein Ort über diese Zeit? Was ist die Substanz, auf der neue Ideen aufgebaut werden können und wie ist die langfristige Perspektive?“ Früher sei er bei diesen Themen durchaus aktionistischer gewesen, meint Faißt, heute ist seine Analyse für die Situation im Tal ambivalent: Zum einen gebe es ungute Geister, die dem Investorendenken frönen würden, und zum anderen familiengeführte Unternehmen, die ihre Betriebe und deren Mitarbeiter:innen hegen und pflegen und die Region damit langfristig beleben: „Es ist doch so, dass man seinen eigenen Garten auch keinem Investor überlassen würde, um ausschließlich das anzubauen, was kurzfristig viel Ertrag bringt – es geht doch auch um das Schöne.“

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