Christoph Thoma
Harald Gfader

Pro & Contra - Das Rheintal als Europäische Kulturhauptstadt 2024?

September 2016

Bregenz, Dornbirn, Hohenems und Feldkirch wollen gemeinsam Europäische Kulturhauptstadt 2024 werden. Doch die Idee ist umstritten: Das Land lehnt den Vorstoß der Städte bisher ab. Manager Christoph Thoma, bis letzten Juni treibende Kraft hinter dem Projekt, und Künstler Harald Gfader, Gegner einer solchen Bewerbung, liefern sich in Thema Vorarlberg ein „Pro & Contra“ zur Sache.

Christoph Thoma:

Potenziale erkennen, von denen wir noch gar nichts wissen? Seit über einem Jahr sprechen die Rheintalstädte Bregenz, Dornbirn, Hohenems und Feldkirch über die Idee des Rheintals als Europäische Kulturhauptstadt 2024. Mit einer gemeinsamen Stadtvertretungssitzung, quasi einem Regionalparlament für das Rheintal, wurde am 4. Juli in Schwarzenberg eine Zukunftsentscheidung getroffen: In den Jahren 2017 und 2018 soll eine Bewerbung für die Europäische Kulturhauptstadt vorbereitet werden.

Manche sagen, Kulturhauptstädte hätten ihre Bedeutung verloren. Das kann so gesehen werden, wenn Kulturpolitik von einem tradierten Kulturverständnis ausgeht. Tradiert insofern, als dass sich kulturelle Wahrnehmung auf Ausstellungen, Theater, Oper, Lesungen oder Konzerte beschränkt. Jedoch sollte viel stärker die Idee eines breiten Kulturbegriffs in den Fokus einer zeitgemäßen Kulturstrategie treten, der sich Fragen der Gesellschaft ebenso stellt wie der Lebenswelt von Kulturschaffenden. Ansätze, die auch die Europäische Kommission ab 2020 vorsieht.

Die Initiative der Europäischen Kulturhauptstadt geht ins Jahr 1983 zurück, die Vielfalt und der Dialog zwischen den Kulturen sollten fokussiert werden. Europäische Themen, die heute durchaus positiv aufgeladen werden müssten. Kulturhauptstädte sprechen zudem nicht mehr von infrastrukturellen Maßnahmen, schon gar nicht in Vorarlberg, das bekanntlich gesegnet ist mit großartigen Kultureinrichtungen.
Was jedoch durchaus diskutiert werden darf, sind alternative Nutzungskonzepte von bestehenden Kulturräumen, internationale Netzwerke oder möglicherweise sogar gemeindeübergreifende Kulturarbeit. Im Übrigen wird dieser Ansatz die Vision

Rheintal nicht ersetzen, aber möglicherweise neue Ansätze der Gemeindezusammenarbeit definieren. Im Zentrum der kommenden Monate stehen die Entwicklung einer gemeinsamen Kulturstrategie, kulturelle Netzwerke sowie eine breite Einbindung der Zivilgesellschaft. Was passiert, wenn Kultur einen Lebensraum definiert, sich mit gesellschaftlichen Fragen wie Migration, Arbeitsplatz, Mobilität, Kulinarik oder Kommunikation und Digitalisierung auseinandersetzt? Gleicht das einer kulturpolitischen „Revolution“? Oder liegt die Vermutung nahe, dass es hier Akteure gibt, die Visionen verfolgen, diese in einer Strategie fassbar machen und in der Folge sogar umsetzen wollen? Mit diesem Ansatz sollen Meinungen gehört, herausgefordert werden, sollen Menschen sich ebenso kritisch wie zukunftsorientiert in diese Idee einbringen.

Nach dem historischen Beschluss wird der gemeinsame Weg der Städte konsequent fortgeführt. Eine Bewerbung müsste im Herbst 2018 in Brüssel eintreffen. Eines kann jedoch nach gut einem Jahr breiter Diskussion bereits festgehalten werden: Ein einzigartiger Prozess wurde in die Wege geleitet, der über die Gemeinde- und Ländergrenzen hinausgeht und ein visionäres Denken weit in die 2030er-Jahre hinein ermöglicht, Scheuklappen beseitigt, Wissen teilt und zudem das städtische Kirchturmdenken ausschaltet.

 

Harald Gfader

Provinz-Künstler sind vieler Möglichkeiten ausgegrenzt, sie müssten schon wegen der in Millionen Eulen geschwängerten Atmosphäre jubelnd mit wehenden Fahnen … daherkriechen! Einer wachtelt mit virtuellen 30 Millionen! Devotes Schwanzwedeln! Geht schon! Aber ich kann nicht wie ein Wackeldackel für etwas sein, wo vorher nix war! Nix, ist ja gut für die Augen! Null Interesse, null Anerkennung, null Geld für Kunst & Kultur, das ist normal! Ausstellungsförderung? Buchprojekte? Sammlungsankauf? Kunst im öffentlichen Raum? Hier, leider NEIN! Der persönliche Erfahrungsschatz, die gefühlte ERNIEDRIGUNG bei Subventionsanträgen, das wäre abendfüllend! Dafür Ehrenamtliches, in Kunst und Kultur. Latent für andere, gratis! Jahrzehntelang, mit Privatrisiko & Haftung, viel Profiwissen und viel Zeit, die Leichtigkeit des Seins üben! Kollateralschäden? Sind Zugeständnisse diverser Kulturstadträte, Bürgermeister und Kunstpolitiker, wie: „Jo! Des ist ein tolles Hobby, des machens gern.“ Das ist die Existenzberechtigung als Hund. Nach derARTigen Streicheleien sind Gesichtsbäder immer wichtig! Putzen am Provinzhund, geht durch nochmaliges Versteuern der Aufwandsentschädigungen! So viel zum Ehrenamt. Die Registrierkasse ist ein agitatives Kunstwerk! Der kollektive Wahnsinn beginnt in der Gleichgültigkeit! Das Neglect einer Gesellschaft, die eine ZUVIELISATION ist. Keine Eigenverantwortung mehr hat. Nicht mehr weiß, was eigentlich ihre Kultur/Bildung/Wissen, ja auch Tradition ist. Übersättigt, das Evangelium im INTERNATIONAL sucht. Von irgendwelchen Kultur-EXPERTEN, eigenmächtigen KURATOREN nachgewiesen, MEDIAL vorgebetet: „Das Andere, nicht das Fremde, das ist das Bessere!“ Schnell–sauber–diskret & international massentauglich. EU-zertifiziert! Nun von SPEKTAKEL-REFERENTEN aus Tourismus, Politik, gedankenlos durchgedrückt wird, wie Senf aus der Tube. Weil Kunst-Kultur so chic, so cool, so geil! Symptomatisch unter anderem die Bregenzer Tagung „Kultur Vor Ort“. Für FAST alle! Der Anfang eines neuen Kulturnationalismus beginnt immer in den eigenen Reihen. Bündeln, ausgrenzen, verteilen! WAHRNEHMEN ist eine menschliche Überlebensfähigkeit. Etwas (AN)erkennen, nämlich das, was DA ist, um es als WAHR (nicht als Ware!) AN-nehmen zu können! Doch, wie nun SEHEN, dass plötzlich auftauchende Millionen Euro nur PLÖTZLICH sind!? Etwa indem man Kunst und Kultur, die ortsabhängig biotopähnlich wächst, wohl gut vermischt mit allem Wichtigen, Neuen mit Toleranz/Kritik/Bildung/Vertrauen/Schönheit/Authentizität/Respekt/Mensch/Ort/Grenzen/Neugier/Poesie etc. in der Gesellschaft fördert, zulässt, ermöglicht! Aktiv als Teil dessen pflegt, was Gesellschaft ist und sich ihrer PERSÖNLICH, VOR ORT annimmt. Respekt und Achtung den notwendigen Platz zur Entfaltung erhält. Das kann man nicht SCHNELL kaufen! Das muss man ermöglichen. Immer wieder! Jeden Tag! Das muss man VOR-leben! Das muss ein GESICHT haben! So etwas dauert länger als eine von Spektakel-Referenten gekaufte KULTURHAUPTSTADT, die andere bezahlen.

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