Sabine Barbisch

Stefan Breuss: „Die Unterschiede sind groß, sehr groß“

März 2015

Durch einen internen Transfer ist Stefan Breuss vor knapp vier Jahren nach Hongkong gekommen. Durch ein Grafikdesign-Studium, das er zwischendurch in Australien abschloss, wurde sein Traum von einem internationalen Leben wahr.

Eines spielte im Leben des Rankweilers Stefan Breuss schon immer eine große Rolle: die Internationalität. „Wenn ich heute zurückblicke, ist inte­ressant, dass mein Freundeskreis in Vorarlberg damals schon sehr international war. Mein Vater sagte immer: Ich sehe schon, irgendwann wirst du dein Leben in einem anderen Teil der Erde leben, bis dahin verbringen wir noch so viel Zeit wie möglich mit dir“, erzählt der heute 27-Jährige schmunzelnd. In der benachbarten Schweiz fand er nach seinem Abschluss an der HAK Feldkirch einen Job als Verkaufsassistent bei Automotive Walser. Zu seinem Umzug nach Asien kam es durch einen internen Transfer. „Dafür bin ich der Firma auf ewig dankbar.“ Seit knapp vier Jahren lebt er nun in China – oder genauer in Hongkong, der Sonderverwaltungszone an der Südküste der Volksrepublik. Eine andere Auslandserfahrung hat er zwischendrin auch noch gemacht: Sein viermonatiges Grafikdesign-Studium absolvierte er in Australien.

Zwischen Unpünktlichkeit und Ungeduld

Seine Faszination für Hongkong, wo er mittlerweile als Head of Merchandising bei Intertec Asia den gesamten Einkauf in China im Bereich Automotive, Fahrrad und Elektrozubehör betreut, ist ab der ersten Zeile spürbar, mit der er seine neue Heimat beschreibt: „Es ist eine fantastische Stadt. Als junger, aufstrebender Mensch mit dem Hunger nach mehr ist das der perfekte Zielort. Die Internationalität, jeder kann mit jedem, Freundlichkeit und Neugier der Mitmenschen tragen sehr dazu bei, dass man sich in dieser Stadt superwohl fühlt.“
Sein Arbeitstag beginnt zwischen neun und zehn Uhr, dafür dauert er bis in den späten Abend hinein. Danach wird trotzdem nicht ferngesehen – das würde auch so gar nicht zu der pulsierenden Metropole passen. „Nach der Arbeit gehen die Leute oft noch aus, man trifft sich auf ein Dinner oder Drinks. Die Unterschiede sind groß, sehr groß: Alles ist hektisch, man arbeitet hart, aber feiert auch hart.“ Breuss berichtet, wie sich dadurch seine Lebens- und Arbeitsweise verändert hat: „Ich bin noch viel offener geworden. Ich habe gelernt, dass ich nicht immer der Schlauste sein kann und dass es viele Leute da draußen gibt, die viel mehr von der Welt kennen als ich.“

Nicht nur im eigenen Garten

Zeit spielt in Hongkong eine nicht so große Rolle – da könne es auch schon mal zu Unpünktlichkeiten kommen. „Die Effektivität leidet aber darunter nicht, da man bis spät in den Abend arbeitet“, berichtet der ehrgeizige Rankweiler. Paradoxerweise muss es in Hongkong bei anderen Dingen sehr schnell gehen: „Beim Essen und Bezahlen, in der U-Bahn oder bei Reparaturen ist die Ungeduld sehr groß.“ Und trotzdem sei die Auswanderung nach Hongkong die „beste Entscheidung“ seines Lebens gewesen. „Bei Besuchen in Europa sieht man immer wieder Menschen, die so engstirnig denken, dass man meinen könnte, sie hätten noch nie ihren eigenen Garten verlassen. Die Harmonie von so vielen unterschiedlichen Menschen funktioniert hier – und es ist wunderschön, das mit anzusehen und mitzuerleben.“ So sind es auch bei Stefan Breuss neben Familie und Freunden nur die kleinen Dinge, die er im Ausland vermisst: „Das Trinkwasser direkt aus dem Hahn geht mir extrem ab, so wie generell das super Essen und die frische Luft.“

Wenn es der Zufall will

Die durch Hongkongs Kolonialgeschichte bedingte Zweisprachigkeit kommt den internationalen Bewohnern zugute, wobei er durchaus auf die Landessprache zurückgreift: „Ich spreche etwas Mandarin, das chinesische ‚Hochdeutsch‘. In Hongkong wird aber Kantonesisch gesprochen. Da ich Mandarin eher für die Arbeit brauche, habe ich mich auch entschieden, das zu lernen.“ Ganz auf die deutsche Sprache muss er aber nicht verzichten: „Ich spiele in einem deutschsprachigen Club Fußball, bin aber mit einem Bludenzer der einzige Österreicher“, erzählt Breuss. Von den 400 Österreichern, die in Hongkong leben sollen, bekommt er in der Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt aber nicht viel mit – außer der Zufall will es: „Einmal habe ich zufällig zwei Jungs von Liebherr in einer Bar Vorarlbergerisch sprechen hören und mich gleich zu ihnen gesellt.“ Zum jetzigen Zeitpunkt ist Hongkong für Stefan Breuss „der perfekte Ort zum Leben: Es ist viel los, man trifft junge Leute, kann feiern gehen, und auch die Karrierechancen sind aufgrund der vielen Kontakte, die man hier knüpfen kann, sehr vielversprechend.“ Ihm ist aber auch klar, dass der erste Schritt in Richtung Auswanderung hart ist, „aber nachdem man diesen gewagt hat, öffnen sich unglaubliche Türen in der Privat- und Geschäftswelt“. Und vor allem eines gibt ihm die Sicherheit für diesen Mut: „Man kann immer wieder zurück, und die Leute, denen man etwas bedeutet, warten auf einen, wenn man zurück kommt.“

 

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