Michael Kasper

Lehramtsstudien Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, Geografie und Wirtschaftskunde sowie Katholische Religion in Innsbruck;
seit 2011 kulturwissenschaftlicher Bereichsleiter beim Stand Montafon. In zahlreichen Veröffentlichungen befasste er sich mit der Geschichte Vorarlbergs und angrenzender Gebiete.

Streifzug durch die Montafoner Bergbaugeschichte

Oktober 2016

Was hat Vorarlberg mit Bergbau am Hut? Auf den ersten Blick nicht viel, doch gerade im Montafon verweisen zahlreiche Orts- und Flurnamen wie „Silbertal“ darauf, dass dort im Gebirge über Jahrhunderte – und vielleicht sogar Jahrtausende – Bodenschätze gewonnen wurden. Rohstoffe wie Eisen, Kupfer oder Silber wurden in mühsamer, harter Arbeit abgebaut. Das Montafoner Bergbaumuseum Silbertal, das historische Bergwerk und das Museum Frühmesshaus in Bartholomäberg sowie der Silberpfad am Kristberg zeigen heute archäologische Funde und historische Quellen über das Leben und Arbeiten der Bergknappen. Stollen, Werkzeuge und schriftliche Dokumente lassen die Vergangenheit lebendig werden. Darüber hinaus verweisen herausragende, sehenswerte Objekte wie das romanische Vortragekreuz und der spätgotische St.-Anna-Altar in der Pfarrkirche Bartholomäberg oder der spätgotische Silbertaler Flügelaltar im Vorarlberg Museum auf den Wohlstand, den der Bergbau der Region einst verschafft hatte. Auch die gotische Kapelle St. Agatha auf dem Kristberg steht mit dem hier einst florierenden Bergbau in engem Zusammenhang.

Langjährige Forschungen

In den letzten 15 Jahren wurde der (prä)historische Bergbau im Montafon gemeinsam mit der Bergbaugeschichte anderer Regionen der Ostalpen umfassend interdisziplinär erforscht. Das gesamte Projekt, an dem zahlreiche Universitäten aus dem mitteleuropäischen Raum beteiligt waren, wurde vom Forschungszentrum HiMAT („Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten – Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft“), das an der Universität Innsbruck angesiedelt ist, koordiniert. Der zeitliche Rahmen spannte sich von der Jungsteinzeit bis in die Neuzeit über die vergangenen 10.000 Jahre. Räumlich lag der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet von Tirol, Südtirol, Salzburg und Vorarlberg. Aufgrund der seit dem Jahr 2000 durchgeführten archäologischen Forschungen wissen wir, dass das Montafon spätestens in der frühen Bronze­zeit, also bereits vor 4000 Jahren, besiedelt worden war. Ein unmittelbarer Zusammenhang dieser frühesten Siedlungsspuren mit der Erzgewinnung konnte zwar bislang nicht bewiesen werden, liegt aber nichtsdestotrotz nahe. Auch für die Eisen- und Römerzeit fehlen bislang eindeutige Belege für einen Bergbau im Montafon. Der Nachweis dieses prähistorischen Bergbaus ist deshalb so schwierig, weil die Spuren dieses Abbaus im Mittelalter und in der Neuzeit völlig zerstört oder zumindest überprägt wurden.

Historischer Bergbau im Montafon: Vom Mittelalter bis in die Neuzeit

Mit dem frühmittelalterlichen churrätischen Reichsguturbar (842/43) setzt in karolingischer Zeit die schriftliche Überlieferung zum Bergbau in Vorarlberg äußerst früh ein. Zwar kann der dort genannte Eisenabbau nicht genau lokalisiert werden, doch liegt eine Verortung im Bereich Bludenz/Bürs bzw. Bartholomäberg/Silbertal nahe. Im 11. Jahrhundert ist der Bergbau am Kristberg zwischen Klostertal und Montafon dann erstmals eindeutig archäologisch nachgewiesen. Die nächste schriftliche Erwähnung des Bergbaus im Bereich des Montafons erfolgte aber erst im Jahr 1319. Dabei handelt es sich um die älteste Nennung von Silbergewinnung für den gesamten westösterreichischen Raum. Insgesamt ist vor allem der archäologische Nachweis für den mittelalterlichen Bergbau im Montafon vom 11. bis zum 14. Jahrhundert herausragend, denn in dieser Zeit gibt es für zahlreiche größere Bergbaureviere wie etwa Schwaz in Tirol keine Belege. Es fällt dabei auf, dass der Abbau bis in Höhen von 2400 Metern betrieben wurde. Neben Silber spielte in erster Linie der Abbau von Eisen und Kupfer eine bedeutende Rolle. Im 16. und 17. Jahrhundert ging die Bedeutung des alpinen Bergbaus stark zurück, da aus der Neuen Welt große Mengen an Erzen nach Europa transportiert wurden und der Abbau in den Alpen unrentabel wurde. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges waren die Bergbautätigkeiten im Montafon nahezu gänzlich erloschen, sodass in der „Embser Chronik“ von Georg Schleh im Jahr 1616 vermerkt wurde: „… ist ein Volkreich Thal darneben Vieh und Molckreich / tragt auch Obs und Korn / hat erwan vil Bergckwerck gehabt / von Silber und Eysen / derzeit aber erloschen …“ Trotz mehrfacher Wiederbelebungsversuche in den folgenden Jahrhunderten – zuletzt in den 1930er-Jahren – kam es nie mehr zu umfassenderen Bergbauaktivitäten im Süden Vorarlbergs.

Reminiszenzen

Die vielfältigen Spuren dieses Bergbaus finden sich heute noch in der Kulturlandschaft und mehreren Museen wieder. Am Kristberg und im Bereich von Bartholomäberg belegen große Pingenfelder und beeindruckend große Abraumhalden an den ehemaligen Stollenmundlöchern die einstige Bedeutung des Bergbaus in dieser Region. Auf Schritt und Tritt begegnet man dort den Relikten des mittelalterlichen und neuzeitlichen Bergbaus. In großen Höhen finden sich immer wieder Stollen, die seit Jahrhunderten nahezu unberührt geblieben waren. Sowohl im Silbertal im Bereich der Alpen Fresch und Gafluna als auch in St. Gallenkirch auf der Alpe Netza können diese beeindruckend hoch gelegenen Stollen im Rahmen von Wanderungen besucht werden. Ein Schaubergwerk, die Kirchen in Bartholomäberg und am Kristberg sowie das Bergbaumuseum Silbertal, der Silberpfad und das Museum Frühmesshaus Bartholomäberg verdeutlichen eindrücklich den Bergbauboom im Süden Vorarlbergs im Mittelalter und in der frühen Neuzeit.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.