Rote Fehlerkultur

In Österreich gebe es keine Fehlerkultur, heißt es gelegentlich, aber wer das sagt, vergisst vollkommen auf die Sozialdemokraten. Denn bei den Genossen ist Scheitern nicht nur Gewohnheitssache, es ist Voraussetzung: Der Richtige an der Spitze ist nur der, der die Wahl verliert, und wer noch nicht verloren hat, muss bleiben, bis er verliert. Es heißt ja, dass man einen guten Roten erst am Abgang erkenne; bei der SPÖ hat der Spruch einen tieferen Sinn. Fehlerkultur bedeutet eigentlich, aus Fehlern zu lernen und nicht, ein- und denselben Fehler immer wieder zu machen; aber derlei Nuancen scheint der Rote an sich nichts abgewinnen zu können. Und wenn sich beim Personal schon nichts ändert, dann erst recht nicht bei den Inhalten; man ist vorhanden und hat eine geschichtsträchtige Vergangenheit, das muss reichen.
Christian Kern, politisch verblichen, hatte kurz nach Amtsantritt gemeint, Tradition könne nicht heißen, die Asche anzubeten, sondern die Flamme zu bewahren: „Wir Sozialdemo­kraten haben uns sehr lange mit der Anbetung der Asche beschäftigt und wurden von gesellschaftlichen Entwicklungen überrannt.“ Ach was! Wer scheitern will, soll scheitern dürfen. Zeitgeist ist ja schließlich auch nicht alles.