Werner Matt

Was wir noch brauchen

Juli 2018

Wie werden wir zu Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern? Geburt ist und war immer schon ein Kriterium. Ein weiterer, genauso wichtiger Aspekt ist der Arbeitsplatz. Viele Menschen, die hierherzogen, um einen Betrieb zu gründen, eine Stelle anzutreten oder um hier Arbeit zu finden, blieben hier.

Zum Massenphänomen wurde die Einwanderung mit dem Beginn der Industrialisierung vor rund 200 Jahren. Aber auch die Vorarlberger Männer und Frauen hatten nun eine Alternative zur Arbeit in der Landwirtschaft. Das Aufkommen einer Arbeiterschaft und eines Bürgertums änderte die Gesellschaft in diesem langen 19. Jahrhundert, moderne Massenparteien entwickelten sich.
Das Vordringen der Industrie veränderte nicht nur die Welt, sondern auch die Wahrnehmung dieser. Der Übergang von einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft verlangte eine organisierte, archivierte sowie systematisierte Welt. Es entbrannte auch in Vorarlberg ein heftiger Kampf um das Monopol der Welterklärung. Die Bandbreite reichte von der päpstlichen „Unfehlbarkeit“ bis zur Darwinistischen Evolutionstheorie.

Die noch erhaltenen Zeugen einer industriellen Revolution sind die Werkshallen, Arbeitersiedlungen, Kraftwerke, die Unternehmervillen und sogar ganze Landschaften. Sie bilden Vorarlbergs umfassendes industrielles Kulturerbe mit einer zum Glück immer noch aktiven industriellen Produktion. In den Archiven sind spannende Geschichte(n) zu Aufstieg und Niedergang, zu Kontinuitäten und Brüchen, zu Strategien und Rahmenbedingungen zu finden. Was wir noch brauchen, ist ein zentraler Ort zum Nachfühlen, Entdecken und Erforschen dieser letzten 200 Jahre sowie einen Ausgangspunkt zum Weiterdenken über die Entwicklung unserer Gesellschaft: ein Vorarlberger Industriemuseum.