Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Den richtigen Zeitpunkt versäumt“

Oktober 2021

„# Meinung“ nennt sich das neue Veranstaltungsformat des Wirtschaftsbundes, das Anfang Monat im „Firmament“in Rankweil seine Premiere feierte: Mit Referaten der deutschen Journalistin Nena Schink und von Peter Bußjäger, dem Experten für Föderalismus und öffentliches Recht. Und während Schink über ihren Spiegelbestseller „Ich bin nicht grün!“ sprach, referierte Bußjäger über die lange Geschichte der S18. Und sagte dabei unmissverständlich: „Wir brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur, der Wirtschaftsstandort Vorarlberg braucht eine leistungsfähige Infrastruktur.“

Dem Stau entkommt keiner

Mit persönlichen Erinnerungen illustrierte der Universitäts-Professor dabei einleitend die Tatsache, dass die Geschichte der S18 auch die Geschichte der unzähligen Varianten, der Fehlplanungen und die eines nach wie vor ungelösten Problems ist. „Man hat den richtigen Zeitpunkt versäumt“, sagte Bußjäger, „und wer mit seiner Planung zu spät kommt, den bestraft die Geschichte.“ Die Erinnerungen? Man könne nicht den Anschein einer seriösen Planung erwecken, wenn jeden Tag eine neue Variante daherkomme, das habe ihm der einstige Raumplanungschef Helmut Feurstein Ende der 1980er gesagt; er habe beim Aktenstöbern eine Hochglanzbroschüre der Bodenseeautobahn A15 gefunden, einst hochgepriesen und dann kläglich gescheitert. Und als er vor Jahren eine Veranstaltung der Grünen in Dornbirn besucht hatte, habe er zusammen mit allen anderen lange auf den Referenten warten müssen: Alexander Van der Bellen, damals Chef der Grünen, war mit dem Flugzeug von Wien nach Altenrhein geflogen, auf der Weiterfahrt in die Messestadt aber mit dem Auto im Stau steckengeblieben: „Dem Stau entkommt eben keiner.“ 

Laufend schärfere Vorschriften

Beginnend mit Anfang der 1980er-Jahre sei eine Vielzahl an Varianten diskutiert worden, bis dann 1993 die aus dem Unionsrecht implementierte Umweltverträglichkeitsprüfung kam und mit ihr immer strenger werdende Rechtsvorschriften. Dabei hatten kurz vor  dem Wirksamwerden der UVP für die S18 noch die Bezirkshauptmannschaften Bregenz und Dornbirn grünes Licht für die damals geplante Direkt-Variante durch das Ried gegeben. Nur, dass diese geplante Trasse eben durch ein Gebiet führen sollte, in dem der Wachtelkönig brütet – und damit nach Lesart des EuGH durch ein „faktisches Vogelschutzgebiet“. „Es hat das  damals niemand glauben wollen, als ich gesagt habe: Passt auf den Wachtelkönig auf! Der wird noch zum Problem.“ Der Jurist sollte recht behalten: Der EuGH sprach, der Verfassungsgerichtshof hob die geplante Trassenführung auf, man stand wieder am Anfang. Wieder musste eine neue Variante her. Und dass mit der Asfinag zwischenzeitlich auch noch ein neuer, ausgelagerter Rechtsträger statt der Ministerialverwaltung die Planung übernahm, auch das „gehört zur langen Geschichte“, berichtete der Jurist: „Die S18 läuft, salopp gesprochen, immer den sich laufend verschärfenden Vorschriften nach. Und das Recht macht die Planung nicht leichter, es macht die Verwirklichung schwieriger.“ Nun also steht die Variante CP zur Diskussion. Doch bekanntlich will Ministerin Leonore Gewessler die Sache, die jahrelang evaluiert wurde, wieder evaluieren; sagen die Grünen, es brauche ein weiteres Jahrzehnt Planung: „Über Jahrzehnte hinweg sind Varianten geplant worden sind, da muss man doch jetzt nicht nochmals zehn Jahre Planung investieren.“ Er verstehe den Unmut, auch das sagte der Jurist: „Es kann keine Lösung sein, den Verkehr im Fußgängertempo durch Lustenau durchzuführen.“ Denn auch nach seiner Vorstellung, sagte Bußjäger sarkastisch, „werden auch E-Autos und E-Lastwagen Straßen benötigen.“
Im kurzen Gespräch mit Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler machte dann auch Wirtschaftslandesrat Marco Tittler wenig Hehl daraus, dass sich ÖVP und Grüne in der Koalition derzeit alles andere als einig sind. Die S18, sagte Tittler, sei „ein Thema, das die Koalition momentan schwer belastet“; in einem Ausmaß, wie es das in Vorarlberg noch nicht oft gegeben habe. Für die ÖVP gelte das Regierungsprogramm – und das Programm sei in diesem Punkt „messerscharf“. Von einer weiteren Evaluierung, einer weiteren Verzögerung steht dort nichts geschrieben.
Doch was Anfang des Monats gesagt wurde, fand Ende September seine Fortsetzung: Infrastrukturministerin Leonore Gewessler gab bekannt, dass die S18-Evaluierung bis Ende 2022 dauern werde – derweil die Asfinag weiterplant. Die Ministerin wurde übrigens mit folgendem Satz zitiert: Dass die Zeit dränge, sei ihr klar.

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