Sabine Barbisch

Mit Reduktion zum Erfolg

Juni 2020

Stephanie Rist leitet zusammen mit Inhaberin Susanne Kaufmann das Hotel Post in Bezau und berichtet, wie sie sich davon „verabschiedeten, alles zu machen“.

Im Hotel Post in Bezau kam vor zwei Jahren die große Frage auf, ob Hotellerie so noch funktionieren kann: Der Konkurrenzdruck war groß, die Suche nach Mitarbeitenden wurde immer schwieriger, und in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit gab es Luft nach oben. „Wir haben alles angeboten – von Seminaren für Businesskunden bis hin zu Familienwochen, immer begleitet von einem großen kulinarischen Angebot. Dabei war der Wettbewerb extrem, und wir fragten uns, wie wir unser Alleinstellungsmerkmal wiederfinden können“, berichtet Stephanie Rist, die zusammen mit Inhaberin Susanne Kaufmann die Geschicke des Hotels im Zentrum von Bezau leitet. Die Lösung: Man verabschiedete sich von der Idee, alles machen zu müssen, und konzentrierte sich stattdessen auf die Kernkompetenzen ganzheitliche Gesundheit und gute Ernährung. 

Die Frauen traten die Flucht nach vorne an, das Hotelkonzept wurde komplett umkrempelt. Reduktion und der Fokus auf nachhaltige Lösungen wurden zu den wichtigsten Zielen: „Der Restaurantbetrieb und die Speisekarte wurden reduziert, Business-Seminare gestrichen, die frei gewordenen Räumlichkeiten wandelten wir in Bewegungsräume um.“ Durch diese Maßnahmen steht das Hotel Post heute für familienfreundliche Arbeitszeiten und nachhaltiges Wirtschaften. „Es war eine große, aber notwendige Herausforderung, das ganze Hotel auf diese Weise umzustrukturieren“, sagt Stephanie Rist: „Dazu haben wir uns mit vielen verschiedenen Themen – von Mitarbeitern über regionale Lebensmittel bis hin zu Ökologie – auseinandergesetzt. Wenn das Haus voll ist, mussten wir zum Beispiel täglich bis zu 800 Handtücher waschen, ein umwelttechnischer Wahnsinn!“ Die Lösung ist die Entwicklung eines eigenen Waschmittels nach ökologischen Standards, wie sie es bei Putzmitteln schon erfolgreich umgesetzt haben. Und die Gäste werden für das Thema sensibilisiert, in dem in den Zimmern jetzt Wäschekörbe für die Schmutzwäsche stehen. 

Auch den Bereich des Restaurants hat man sich genau angesehen: „Lebensmittelabfall ist ein großes Thema. Wenn wir drei Menüs anbieten, müssen für jeden Gast alle Zutaten für alle Gerichte zur Verfügung stehen; das führt zwangsläufig zu einem Überschuss an Lebensmitteln und folglich zu viel Abfall. Wir haben die Speisekarte deshalb radikal reduziert und konzentrieren uns auf ein Menü, das mit den besten Zutaten und mit höchster Qualität zubereitet wird.“ Auch das Frühstück in der Post wird nun à la Carte serviert, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden, und die einst üppige Weinkarte mit ursprünglich über 6000 Artikeln hat das Team mit der Unterstützung eines Weinspezialisten extrem selektiert: „Wir arbeiten nur noch mit Winzern zusammen, hinter deren Produkten und Produktionsweisen wir absolut stehen können.“

Hoteleigenes Gemüse 

Seit der großen Umstrukturierung findet sich auf der angrenzenden Wiese des Hotels auch ein Acker, der nach der Idee der solidarischen Landwirtschaft bewirtschaftet wird. Heute werden über 60 verschiedene Gemüsesorten und Kräuter angebaut, sechs Schweine dienen als „Unkrautvernichter“. „Die Post war schon zu Zeiten von Susannes Großmutter bekannt für ihre unglaublich gute Küche, mit diesem Projekt bekommen heimische Produkte wieder den Stellenwert, den sie verdienen.“ Auch in diesem Bereich ist Reduktion das Credo: „Landwirt Christoph berichtet dem Küchenchef, welches Gemüse reif ist, und der gestaltet ein Menü damit.“

Die Mitarbeitenden sind ein weiterer wesentlicher Faktor in diesem Konzept. „Seitdem wir uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren, können wir vorausschauend planen und so familienfreundliche Arbeitszeiten, unter anderem ein geschlossenes Hotel über die Weihnachtsfeiertage, anbieten. Wir haben dadurch zwar wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssen, aber auf der anderen Seite durch die attraktiven Arbeitszeiten wieder viele Mitarbeitende aus Vorarlberg für unseren Betrieb gewinnen können.“ 

Rist sagt: „Für uns ist es sehr wichtig, mit wem wir arbeiten, das gibt dem Haus das Herz. Wir haben motiviertes Personal aus der Region und übertragen ihm auch gerne Verantwortung für ihre Bereiche, damit sie sich entfalten können.“ Sie sieht Veränderung als große Chance, gibt aber auch zu bedenken, dass Gewohnheit Sicherheit vermittelt; diese Diskrepanz hat auch sie gespürt: „Wir wussten, dass wir durch das neue Konzept zu einem bestimmten Teil ein neues Publikum aufbauen müssen, durch die Plattform mit der Kosmetik von Susanne Kaufmann waren wir aber bereits mit Menschen in Kontakt, die das Echte und Reduzierte wollen.“ Trotzdem musste auch die Reaktion einiger Stammgäste, die das nicht goutierten, verkraftet werden: „Das ist schade, aber es allen recht zu machen, werden wir ohnehin nie schaffen. Deshalb gehen wir unseren eigenen Weg und füllen die Idee von Reduktion und Nachhaltigkeit mit Leben. So ziehen wir auch das Publikum an, das zu uns passt.“

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