Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

„Rote Patrone“ oder „Einhorn“? Keine Glaubensfrage (mehr)

Oktober 2020

 

Längst stellt sich nicht mehr die Glaubensfrage, ob „Einhorn“ oder „Rote Patrone“. Frastanzer und Egger spielen ebenso regional ihre Rolle wie so mancher Craftbeer-Brauer wie die Grabhers von der Fluh bei Bregenz. Man kann sagen: Die Vielfalt ist heute wieder viel größer als noch vor einigen Jahren.
Dabei ist Vorarlberg ein Bundesland, das vor 140 Jahren auf eine erkleckliche Zahl mehr oder minder großer Brauereien blicken konnte, bis Mitte der 1980er Jahre nur noch deren vier Gerstensaft produzierten. So waren 1883 noch 72 Brauereien im ganzen Land tätig, um ihr Getränk unters Volk zu bringen. Heute sind es – laut brauereifuehrer.com – nach wie vor vier größere Brauereien, die das Land mit Bier versorgen.
Aber was hat es mit diesen Zahlen auf sich, dass sie derartigen Schwankungen unterworfen sind? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, ein bisschen Geschichte zu betreiben.

Kolumban, Gallus und dann lange nichts mehr

Die ersten überlieferten Ursprünge der Biererzeugung liegen – zumindest der Sage nach – bei den irischen Mönchen Kolumban und Gallus im 7. Jahrhundert. Damals brachten die heidnischen Alemannen Vorarlbergs ihrem Gott Wotan Bieropfer dar, doch der gestrenge irische Mönch Kolumban wollte davon nichts wissen und soll – dem Vernehmen nach – den Braukessel durch bloßes Anhauchen zum Bersten gebracht haben.
Besser trafen es die Schweizer mit Gallus, in dessen St. Galler Kloster sich weitere Hinweise auf die Bierbrauerei finden lassen. Im Klosterplan von 820 sind drei Brauereien ausgewiesen, eine für Mönche, eine für Wallfahrer, die dritte für hochgestellte Gäste, für die ein besonders gutes und starkes Bier gebraut wurde. Und: Schenkt man den überlieferten Zahlen Glauben, so muss der Bierkonsum damals sehr ordentlich gewesen sein: Jedem Klosterbewohner wurden fünf Liter zugestanden. Und das täglich.

Vom Wein zum Bier

Für die Zeit des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit sind nur wenige Dokumente über die Geschichte des Bierbrauens erhalten. Eines mag aber doch überraschen: Vorarlberg war tatsächlich einst ein Weinland: Gerade im 14. und 15. Jahrhundert eigneten sich die klimatischen Bedingungen im Ländle für den Weinbau. Der geriet aber innert eines Jahrhunderts ins Hintertreffen: Durch Missernten, Misswirtschaften in den Weinbergen und Kellereien, steigende Ausgaben, Schädlinge, Krankheiten und nicht zuletzt auch durch Importe kam dieser bis ins 19. Jahrhundert fast komplett zum Erliegen. Damit war der Weg frei für das Bier.
Die steigende Beliebtheit des Gerstensaftes lässt sich an der wachsenden Zahl von Brauereien ablesen: Gab es 1810 in Vorarlberg 26 Brauereien, so waren es 1871 bereits deren 58, 1882 sogar 74 und 1896 immer noch 52. Der Abwärtstrend setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein: Brauten 1920 noch 15 Betriebe, so blieben 1970 noch neun übrig, seit 1985 schwanken die Zahlen zwischen vier und sieben.

Steigende Qualität 

Wie aber ist diese Entwicklung zu erklären? Zu beantworten ist das vordergründig mit der zunehmenden Qualität des Bieres. Dessen Beschaffenheit im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ist nicht zu vergleichen mit der der heutigen Zeit, in der Gerstensaft qualitativ hochwertig sein muss, um auf dem Markt zu bestehen. Damals gab es große Probleme in vielen Bereichen, angefangen vom Brauprozess über Lagerfähigkeit, Hygiene und vieles mehr. 
Gerade das Brauereihandwerk hinkte damals hinter den Erkenntnissen aus beispielsweise bayrischen Landen her: Zwar gab es in München bereits im Jahre 1820 die Brauereifachschule Weihenstephan, in Vorarlberg aber begnügte man sich mit der Abschrift von Büchern zu diesem Thema, die ihren Zenit aber auch schon längst überschritten hatten.
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde – unter anderem dank neuer Erkenntnisse – das Bierbrauen verbessert, außerdem entstand mit Fabrikarbeitern und Militärangehörigen ein neues Zielpublikum. Die Gründe dafür waren vielschichtig: Zum einen lockte der Durst nach Dienstschluss in die Gasthäuser, zum anderen linderte der Gerstensaft mitunter das Heimweh. Ein weiterer Grund für den steigenden Bierkonsum: der aufkommende Tourismus, der zunehmend Menschen aus anderen Ländern nach Vorarlberg brachte. Die Reiselust ist auf den steigenden Wohlstand zurückzuführen, zunehmend wurden Biergärten mit Kegelbahnen zu beliebten Treffpunkten. Einzelne Bäder brauten ihr eigenes Bier, um für Touristen ein Wohlfühlambiente zu schaffen.
Zu guter Letzt sorgten eine zunehmende Vereinskultur und Studentenverbindungen für einen deutlichen Aufschwung des Brauereihandwerks, was folgende Zahlen verdeutlichen: 1871 wurden pro Kopf 37 Liter Bier getrunken, 1913 waren es bereits 77 Liter.

Bierkonsum als Konjunkturindikator

Auffallend ist, dass sich der Bierverbrauch in der Folge stark an die Konjunktur anlehnte: Der Bierkonsum fiel in den Rezessionsjahren 1934/35 auf 40,7, stieg 1938 kurzfristig wieder auf 73 Liter. Und so lassen sich die Schwankungen bis heute nachverfolgen: Nach Angaben des Verbands der Brauereien Österreichs wurden im Jahr 2019 in Österreich durchschnittlich rund 103 Liter Bier pro Person getrunken. 
Was jedoch verwundert: Österreich liegt damit vor Deutschland an zweiter Stelle, nur in Tschechien steht Bier noch höher im Kurs. Und zum Abschluss eine weitere Zahl: Mit über 1000 Biersorten zählt Österreich zu einer der führenden Biernationen.

Quellen

http://bierland-oesterreich.at

Klaus Feldkircher und Rupert Tiefenthaler: „Dem Biergenuss auf der Spur“
hrsg. v. Mohrenbrauerei in Dornbirn und dem Bucher-Verlag in Hohenems, 2010

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