Peter Freiberger

Und die Russen kommen doch

Dezember 2014

Die Alpenländer fürchten sich vor dem Ausbleiben russischer Wintergäste in der kommenden Saison und versuchen mit konkreten Maßnahmen gegenzusteuern. In Vorarlberg hingegen lehnt man sich entspannt zurück.

Hinter den Ängsten und Sorgen steht nicht allein die Ukraine-Krise. Die Abwertung des Rubels verteuert den Winterurlaub in Österreich für russische Gäste um rund 40 Prozent, dazu steckt die russische Wirtschaft derzeit ohnehin in einer heiklen Situation. Die EU-Sanktionen – und somit kommt nun doch die Ukraine-Krise ins Spiel – verschärfen die Wirtschaftslage weiter. Die schwierige Ausgangsbasis ist überdies garniert mit einem psychologischen Moment: Die Russen fühlen sich in der EU momentan nicht willkommen und daher nicht wohl. Generell wird das Ausbleiben der russischen Mittelschicht befürchtet.

Kreml-Chef zeigt Muskeln

Vor diesem problematischen Hintergrund mischt sich jetzt auch noch Kreml-Herrscher Wladimir Putin ein. Der riet seinen Landsleuten von Urlaub im Ausland ab. Es gibt ein entsprechendes Dekret an die Adresse der Angestellten des öffentlichen Dienstes. Zwar handelt es sich dabei offiziell bloß um eine „Empfehlung“, dieser Begriff hat in Russland freilich eine etwas schärfere tatsächliche Bedeutung. Es gilt nämlich, die Erlaubnis des Vorgesetzten für Auslandsreisen einzuholen. Etwa vier Millionen reisewillige Russen sind davon betroffen und zögern mit dem Gang zum Chef. In Tirol rinnt in Russen-Hochburgen wie Ischgl, Sölden oder Mayrhofen wegen befürchteter dramatischer Einbußen der Angstschweiß wie der Wildbach talauswärts. Bei Ötztal Tourismus geht man von einem Minus von 20 bis 30 Prozent bei den russischen Gästen aus. Was als besonders bedrohlich gesehen wird: Vor allem der ohnehin schon buchungsschwache Jänner dürfte betroffen sein. Und es werden gerade jene Gäste fehlen, die sich bei Ausgaben vor Ort nicht in Zurückhaltung üben.

Dramatische Einbrüche in Tirol

Ischgl hat bereits reagiert und in Moskau und St. Petersburg Aufklärungsarbeit geleistet. Die Ischgler erwarten rund 20 bis 25 Prozent weniger russische Gäste als im Vorwinter. Noch dramatischer sieht der in Kitzbühel beheimatete Reiseveranstalter Eurotours die Situation: Dort rechnet man mit einem 40-prozentigen Minus. In Bayern – etwa in Garmisch-Partenkirchen – raubt die Russen-Krise den Touristikern ebenfalls gnadenlos den Schlaf. Diese Dramatik erwartet hingegen in Vorarlberg niemand. „Bei uns fällt der Anteil russischer Gäste insgesamt relativ gering aus, er liegt bei den Nächtigungen unter einem Prozent“, sagt Christian Schützinger, Direktor von Vorarlberg Tourismus. Und dieses knappe Prozent konzentriere sich überwiegend auf Lech und Zürs. „Wir sind keine klassische Russen-Destination“, sagt Pia Herbst von Lech Zürs Tourismus. Russische Gäste würden deshalb statistisch nicht dramatisch ins Gewicht fallen. Ihr Anteil an den Gesamtnächtigungszahlen betrug im Winter 2013/14 lediglich 1,5 Prozent. Es wurden 1985 Ankünfte und 13644 Übernachtungen russischer Touristen gezählt, was eine Steigerung von 7,4 bzw. 9,7 Prozent verglichen mit der Vorsaison bedeutete. Zum Vergleich die Zahlen der Schweizer und Liechtensteiner: 12.212 Ankünfte und 50.563 Übernachtungen im gleichen Zeitraum. Für heuer rechnen die Touristiker jedenfalls nicht mit spürbaren Einbußen. Diese Einschätzung hängt vor allem damit zusammen, dass in erster Linie besonders reiche Russen die berühmte Skidestination am Arlberg für ihren Urlaub wählen. Die lassen sich vom Rubel-Kurs natürlich weniger beeindrucken in Sachen Reiselust. So sorgt sich Lech-Zürs auch nicht vor einem Jännerloch, ausgelöst durch das Ausbleiben russischer Gäste. Spezielle „Informationsveranstaltungen“ à la Ischgl in Russland hält hier keiner für notwendig. „Außerdem“, betont Herbst, „waren wir in Russland immer schon präsent.“

Komplizierte Einreise als Hemmschuh

Dafür, dass die Russen auch in guten Zeiten Vorarlberg grundsätzlich eher meiden, hat Tourismusdirektor Schützinger eine plausible Erklärung: „Die Flughäfen Innsbruck und Salzburg haben das Geschäft aufgesaugt“, analysiert Schützinger. Um nach Vorarlberg zu kommen, würden die Russen über Zürich fliegen, was doppelte Einreiseformalitäten für sie bedeute – einmal jene für die Einreise in die Schweiz und dann quasi als Draufgabe die für die EU. Und dann macht man schon einmal einen Bogen um Vorarlberg. Das Positive daran: Derzeit kann das Ländle (fast) nichts verlieren.

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