
Vor 175 Jahren: Kreishauptmann–Visite in Alberschwende
Als Kreishauptmann war Johann Nepomuk Ebner ab 1822 der oberste kaiserliche Beamte Vorarlbergs. Während seiner Amtszeit verfasste er Tagebücher, die uns einen vielseitigen Einblick in die damalige Zeit geben, so auch zu den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen. Die Originale im Vorarlberger Landesarchiv wurden vom Wirtschaftsarchiv Vorarlberg transkribiert und veröffentlicht.
Zu den Tätigkeiten Ebners zählte die Kontrolle von öffentlichen Stellen und Einrichtungen im Land. Am 18. November 1840, also vor etwa 175 Jahren, stattete er der Gemeinde Alberschwende eine Visite ab und vermerkte dies in seinem Tagebuch. Auf dem Weg dorthin besuchte er Verwandte und wickelte Geldgeschäfte ab. In Alberschwende angekommen, besichtigte Ebner kirchliche und schulische Einrichtungen. Im folgenden Originaltext wird die damalige Schreibweise unverändert übernommen, manche Passagen sind gekürzt:
18. November. Wir fuhren um 8 Uhr von Bregenz fort – meine Frau und ich. Je weiter wir kamen, desto schlechter wurde der Weg. Schon die Strecke von Lautrach bis Wolfurt konnte und sollte viel beßer sein. Von Wolfurt bis Schwarzach gings noch herber. Die neue Schwarzachtobelstraße vom Ausmündungspunkt bis zur ersten Brücke ist ganz ausgefahren. Von dort bis zum Wirthshaus am Fall könnte sie viel beßer sein; von dort bis zur alten Straße auf dem Alberschwendergebiethe ist sie noch elender – endlich von dort an bis zur Kirche ganz schlecht. Weiter hinein gegen Egg soll sie vollends unter aller Kritik sein.
Schwager Anton war wohl. Wir rechneten mit einander ab. Er zahlte mir an Capitalien 4.050 f [Gulden, Anm.] und an Zinsen 227 f 47 1/2 x. Ich schied davon gleich 3.800 f aus, die ich dem Schwager Häusle mit der Bitte übergab, das Geld gleich dem Rhomberg [Textilunternehmen Herrburger & Rhomberg, Anm.] zu behändigen – wodurch die 12.000 f Akzieneinlagen auf die Seidenband- und Baumwollenspinnfabrik in Innsbruck vollständig berichtigt sind. Ich wollte bei den jezigen Umständen – ich hätte von diesen Akziengesellschaften gar nichts gehört, und das jezt in den Fabriken steckende Vermögen meiner Frau läge auf sichern Hypotheken wenn auch nur zu 4 p/c [Prozent, Anm.] verzinslich! Denn da wäre man vor jeder Verlustgefahr sicher; während ein nur zu leicht möglicher und wahrscheinlicher Krieg – allen Fabriken den Todesstoß geben kann, und dann am Ende das ganze in den Akzien steckende Vermögen verloren ist.
Wir kamen um 1/2 11 Uhr in Alberschwende an. Ich besuchte dort die viel zu kleine Kirche, den Pfarrhof mit der rauchenden Küche, das hübsche Kaplanhaus, das Schulhaus und die heilige Merbod-Kapelle. Die Sakristei gegen Norden gebaut, ist, wie gewöhnlich feucht. Die Kirchentruhe sammt den Paramenten befindet sich daher im Pfarrhofe. In der untern Schulklaße waren einige [etwa, Anm.] 90 in der obern 68 Schulkinder – die Mädchen bereits alle mit Schwazerhauben, eines derselben mit nur einer linken Hand schrieb recht brav. Die Kindern lernen was; sie gehen erst mit 7 Jahren in die Schule: müßen aber bis einschließlich des 13ten aushalten. Die Schulzimmer könnten und sollten lichter sein; die Fenster würden wohl eine Vergrößerung erleiden, und die schwarzbraunen Holzwände könnten und sollten übertüncht werden – was nur der Oberboden des Zimmers der obern Klaße im I. Stock ist.
Im Kaplaneihause war eine neue Fabriksschule errichtet. Der Kaufmann Berl läßt dort durch zwei Lehrerinnen aus der Schweiz ungefähr 20 Mädchen Unterricht im Verfertigen von Basthüten aus Mississipischilf ertheilen – ein in Alberschwende ganz neuer Fabrikszweig. Eine ganz fleißige gut abgerichtete Arbeiterinn kann einen solchen Hut von der gröbsten Sorte in einem Tage machen; zu den feinsten bedarf es einer 3tägigen Arbeit.
In der Merbodkapelle ist ein Loch woraus Erde und Waßer gehohlt wird, deren erstere für Zahnschmerzen, lezteres für Augenleiden helfen soll. – Es wäre vielleicht gut dem Aberglauben zu steuern!
Wir blieben bis 4 Uhr. Beim herrlichsten Sommerabende kamen wir vor 3/4 auf 6 Uhr zu Hause; wo uns Abends Lieutnant Steffan besuchte, mit dem wir eine Parthie Whist spielten.
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