
Wege aus der Schwäche
Drei Reformen für mehr Wohlstand.
Viele Länder der Europäischen Union stehen wirtschaftlich unter Druck. Was derzeit geschieht, ist keine vorübergehende Schwächephase, sondern Ausdruck struktureller Probleme. Öffentliche Haushalte sind hoch verschuldet, Defizite sprengen die Grenzen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Private Investitionen stagnieren, der Staatskonsum wächst, viele wirtschaftliche Aktivitäten und potenzielle Innovationen in Zukunftsbereichen sind durch Regulierung eingeschränkt und die Alterung der Gesellschaft verschärft die Lage zusätzlich. In Österreich und Deutschland stagniert die kaufkraftbereinigte Wirtschaftsleistung pro Kopf seit Jahren.
Ein Blick über den Atlantik zeigt, dass es auch anders gehen könnte. Der Wohlstand in den USA wächst. Das liegt nicht daran, dass die USA die besseren Politiker hätten, sondern daran, dass die Rahmenbedingungen besser sind: weniger Bürokratie, niedrigere Steuern, stärkere Anreize für Innovation. Auch die Schweiz macht vor, wie ein kleiner, offener Standort auf deutlich höherem Niveau als Österreich dynamisch und erfolgreich ist. Beide Länder hängen die meisten EU-Länder klar ab.
Österreich zeigt eine besonders schwache wirtschaftliche Dynamik. Das Land würde über starke industrielle Kerne, offene Märkte, ordentliche Infrastruktur und qualifizierte Arbeitskräfte verfügen. Doch unter politischen Entscheidungsträgern dominiert ein gefährlich bescheidener Anspruch: Man wolle „nicht schlechter sein als Deutschland“. Wer sich so definiert, misst sich an einem problematischen Maßstab. Anspruchslosigkeit wird so zur Strategie und damit zum Standortnachteil.
Drei strukturelle Bremsen: Klimapolitik, Bürokratie, Steuern
Drei strukturelle Probleme vieler EU-Länder und der EU insgesamt lassen sich direkt identifizieren.
1. Klimapolitik mit Kontrollillusion
Die EU-Länder versuchen, das globale Problem des Klimawandels mit nationalen und europäischen Detailregulierungen zu lösen. Neben der effizient orientierten CO2-Bepreisung über den Emissionshandel (ETS) existiert ein Dickicht von Einzelregulierungen mit zahlreichen Berichtspflichten bis hin zu Technologieverboten. Das Ergebnis ist eine kostspielige Doppelstruktur. Dort, wo der CO2-Preis wirkt, braucht es keine Detailvorgaben. Wo die Regulierung und Verbote dominieren, verpufft der Preisanreiz. Hinzu kommen eine politische Bewirtschaftung und Moralisierung der Klimadebatte, die ökonomische Kosten vernachlässigt. Mit dem geplanten CO2-Grenzausgleich (CBAM) schafft die EU neue handelspolitische Barrieren, während ihre Politiker zugleich amerikanische Zölle kritisieren. So entsteht ein inkonsistentes System, das viel Wohlstand kostet und am globalen Klimaeffekt gemessen fast nichts bewirkt.
2. Überregulierung und Bürokratisierung
Die politische Versuchung zur Regelung jedes Details ist groß. Von Lieferketten- und Nachhaltigkeitsvorgaben über Sorgfaltspflichten bis zu Technologieverboten bleibt kaum ein Bereich verschont. Besonders innovationsrelevante Branchen leiden darunter. Während die EU Regulierungen erlässt, vieles einschränkt und verkompliziert, wird in den USA Künstliche Intelligenz programmiert und Freiraum geschaffen – sogar für neue Geldformen wie Stable Coins. Moralisch aufgeladene Politikziele in Europa verwandeln sich in Formularlogik, und die Kosten tragen Unternehmen, Beschäftigte und Konsumenten. Je mehr Vorschriften sich dabei sogar noch überlagern, desto größer wird die Rechtsunsicherheit. Manche Unternehmen ziehen daraus die logische Konsequenz und verlagern ihr Engagement dorthin, wo Dynamik noch möglich ist.
3. Besteuerung, die Leistung entmutigt
In vielen EU-Ländern ist die Steuerbelastung hoch und die Steuerprogression steil. Wer in Österreich rund 36.000 Euro im Jahr verdient, zahlt bereits auf jeden zusätzlich verdienten Euro 40 Cent Steuern an den Fiskus. In den USA erreicht man dieses Besteuerungsniveau auf Bundesebene nicht und insgesamt ist die Steuerbelastung klar niedriger. Insofern lohnt sich ein Mehr an Leistung in den USA deutlich mehr als hierzulande. Das Signal, das von der Steuerbelastung und der Steuerprogression in Österreich ausgeht, lautet daher: Wer mehr leistet, bekommt netto nur relativ wenig mehr heraus. Für Fachkräfte, Unternehmer und junge Talente ist es daher rational, ihre Leistungsfähigkeit nicht voll auszuschöpfen. Eine geringere Freude an der Arbeit, eine niedrigere Risikobereitschaft und ein verstärktes Ausweichen in die Freizeit sind die Folgen der hohen Besteuerung. Gerade in alternden Gesellschaften, die auf zusätzliche Erwerbstätigkeit und hohe Produktivität angewiesen wären, ist das besonders problematisch.
Drei einfache Reformen
Europa braucht keine perfekte Politik, sondern nur eine Politik, die ähnlich gut funktioniert wie jene der relevanten Wettbewerber. Drei pragmatische Reformlinien könnten die Dynamik rasch verbessern.
1. Arbeit im Alter entlasten
Die Alterung der Gesellschaft ist kein Problem, sondern ein Glück. Viele alte Mitbürger sind gesund, erfahren und leistungsfähig. Wer das gesetzliche Pensionsalter erreicht hat und freiwillig weiterarbeitet, sollte daher steuerlich deutlich entlastet werden. Eine einfache Regel wäre: Erwerbseinkommen nach dem 65. Lebensjahr werden nur zu einem Drittel besteuert, ab 67 gar nicht mehr. Das belohnt Erfahrung, hält Know-how im Betrieb, schließt Fachkräftelücken und erhöht die Steuerbasis, weil freiwillig mehr gearbeitet wird. Derzeit bleibt dieses enorme Potenzial ungenutzt, weil Steuern und Abgaben die Weiterarbeit unattraktiv machen.
2. Doppelregulierungen verbieten
Ein effizienter Staat braucht institutionelle Bremsen gegen Überregulierung. Der Grundsatz sollte lauten: Doppelregulierungen dürfen nicht bestehen. Wo ein mögliches Problem oder ein politisches Ziel bereits durch eine Regulierung abgedeckt ist, darf keine weitere hinzukommen. Damit dieser Grundsatz wirkt, braucht es verwaltungsinterne Anreize wie beispielsweise eine Meldepflicht für Beamte, Doppelregulierungen zu identifizieren und zu melden. So würde Bürokratie reduziert statt vermehrt. Das spart Kosten, schafft mehr Rechtssicherheit und setzt unternehmerische Energie frei.
3. Klimapolitik nur über Preise
Der europäische Emissionshandel ist im Kern ein funktionierendes System marktwirtschaftlicher Steuerung. Neben ihm braucht es keine Detailregulierungen für Klimaschutz, die nur dem Grundsatz widersprechen, dass es keine Doppelregulierungen geben darf. Da der Emissionshandel Einnahmen generiert, müssen diese über geringere Grenzsteuersätze an die Bevölkerung zurückfließen, um Arbeitsanreize zu schaffen. Das würde Klimapolitik effizienter, sozial akzeptabler und wachstumsfreundlicher gestalten. Europa würde den Klimawandel damit allein nicht stoppen – wie auch offensichtlich bisher nicht. Doch es würde ökonomisch weit klüger handeln als bislang.
Diese drei Reformen sind weder radikal noch kompliziert. Sie folgen einfachen ökonomischen Prinzipien: (1) Belastungen dort senken, wo sie Leistung bestrafen, (2) Regeln dort abbauen, wo sie nutzlos doppelt bestehen, und (3) Preise dort wirken lassen, wo sie am effizientesten steuern.
Was Österreich (und Europa) jetzt tun muss
Österreich teilt mit Deutschland und vielen EU-Ländern die gleiche Diagnose für die schwache Dynamik. Es handelt sich dabei um verfehlte Klimapolitik, Überregulierung und Überbesteuerung. Entsprechend könnte das Land von den genannten Reformen unmittelbar profitieren. Doch viele Politiker hierzulande verweisen auf Deutschlands Schwächen und behaupten, in Österreich sei es nicht schlechter. Wer sich an einem stagnierenden Maßstab orientiert, akzeptiert Stillstand als Erfolg.
Hier liegt das Kernproblem: Politikversagen! Dies ist kein moralischer Vorwurf, sondern Ausdruck schlechter Anreize in der Politik. Darum kommt es auf die Bürger an. Informierte Wähler können Druck erzeugen, der Reformen möglich macht. Die Botschaft ist schlicht: Perfektion ist nicht notwendig, eine gute Basis aber schon. Wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand entstehen aus guten Rahmenbedingungen. Dafür braucht es Bürger, die hinschauen, nachfragen, insistieren sowie an der Wahlurne belohnen oder bestrafen. Nur dann wird aus Anspruch wieder Aufbruch.








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