Angelika Schwarz

* 1975 in Feldkirch, ist Journalistin, studierte Germanistin und Anglistin, langjährige ORF-Redakteurin und -Moderatorin (Radio und Fernsehen). Angelika Schwarz arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Landeskrankenhäuser Vorarlberg.

Zeit ist Leben

Februar 2021

Herr M. kann sich wieder selbstständig die Schuhe zubinden und sich dabei gleichzeitig mit seiner Frau unterhalten. Er hatte das Glück, dass seine Angehörigen vor ein paar Monaten die Anzeichen richtig gedeutet und rasch gehandelt haben. Herr M. hat nämlich – ganz plötzlich und unerwartet – einen Schlaganfall erlitten. Allein in Vorarlberg teilen über 1100 Menschen pro Jahr dieses Schicksal, Tendenz steigend.
Rund 60 Prozent der akuten neurologischen Fälle im Land sind Schlaganfallpatientinnen und -patienten. Ob sie danach ein selbstständiges Leben führen können, entscheiden vor allem die ersten Minuten nach dem Ereignis. Je mehr Zeit zwischen Schlaganfall und richtiger Behandlung verstreicht, desto mehr kann das Gehirn geschädigt werden. Treten „schlagartig“ Ausfallserscheinungen auf einer Körperhälfte auf, Lähmungen, Sprach-, Gefühls- oder Sehstörungen, dann hat der Wettlauf gegen die Zeit bereits begonnen.
Im Idealfall alarmieren Ersthelfer sofort die Rettung, mit der die Betroffenen ins Spital gebracht werden. Mit der Einrichtung einer so genannten „Stroke Unit“ am Landeskrankenhaus Feldkirch hat sich seit 2013 ein Institut etabliert, das auf die Erstbehandlung nach Schlaganfällen spezialisiert ist. Zwischen 550 und 600 Menschen werden hier jährlich versorgt. Laufend passt das Team die medizinische Versorgung an die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse an. „Wir kooperieren im Rahmen des Österreichischen Stroke Unit-Netzwerkes auch eng mit der Universitätsklinik in Innsbruck“, erklärt Primar Dr. Philipp Werner, „und die hat – was Schlaganfallbehandlungen betrifft – weltweit einen ausgezeichneten Ruf“. Der Leiter der neurologischen Abteilungen an den Schwerpunktkrankenhäusern Feldkirch und Rankweil ist selbst langjähriges Vorstandsmitglied der „Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft“: „Entscheidend ist, das verstopfte Blutgefäß im Gehirn so schnell wie möglich, spätestens innerhalb von viereinhalb Stunden ab Beginn des Auftretens der Beschwerden wieder durchgängig zu machen. Nur dann lassen sich Folgeerscheinungen minimieren oder verhindern.“
Im Durchschnitt bleiben die Patientinnen und Patienten 2,4 Tage auf der „Stroke Unit“ und werden dort auch via Herzmonitor überwacht. Ein interdisziplinäres Team aus Neurologen, geschultem Pflegepersonal, Physio- und Ergotherapeutinnen sowie Logopäden kümmert sich rund um die Uhr um die Betroffenen. Bereits mit der Aufnahme auf die hochspezialisierte Schlaganfallstation durchlaufen diese – je nach Krankengeschichte – die notwendigen Abschnitte auf dem sogenannten „Reha-Pfad“: In der Frührehabilitation erhalten sie intensive Physio- und Ergotherapie sowie logopädische Behandlungen. „Komplikationen können durch die konsequente Überwachung der neurologischen Funktionen und der Vitalfunktionen frühzeitig erkannt und minimiert werden“, ergänzt Neurologin OÄ Dr. Andrea Mayr. In Österreich gibt es derzeit 40 solcher Spezial-Schlaganfallstationen.

Mehr Schlaganfälle durch Corona

Während zu Beginn der Corona-Pandemie im März die Zahl der Schlaganfallpatientinnen und -patienten vorübergehend leicht zurückgegangen ist, haben Primar Dr. Philipp Werner und sein Team kurz danach wieder einen deutlichen Anstieg bemerkt. „Zuerst haben einige Menschen – ähnlich wie im Fall der Herzinfarkte – den Weg ins Spital aufgrund der unsicheren Situation gescheut. Da ein Schlaganfall aber immer ein Notfall ist und daher Vorrang hat, hat sich das aufgrund gezielter Aufklärungsarbeit bald wieder geändert. Zusätzlich haben wir dann auch Patientinnen und Patienten jener Krankenhäuser aufgenommen, die vermehrt Betten für mögliche Corona-Infizierte freihalten mussten.“
Und nicht nur das hat die Zahl der Aufnahmen steigen lassen: Mit Corona ist ein weiterer „Angreifer“ auf das menschliche Nervensystem hinzugekommen: In rund 80 Prozent der Fälle, die im Spital behandelt werden müssen, zeigt eine Infektion mit SARS-Cov2 auch neurologische Auswirkungen. Das bedeutet nicht, dass damit automatisch Schäden im Körper entstehen. „Dennoch“, erklärt Primar Werner, „kann das Virus Lähmungen und eben auch Schlaganfälle auslösen.“ Ein Hintergrund ist, dass SARS-Cov2 in das System unserer Blutgerinnung eingreifen kann. Zudem kann das Virus in den Gefäßwänden entzündliche Veränderungen verursachen. „Das alles sind zusätzlich Faktoren, die zu den gefürchteten Gefäßverschlüssen führen können.“ 
Im Jahr 2020 waren in den Landeskrankenhäusern (das Stadtspital Dornbirn ist hier ausgenommen) 1130 Patientinnen und Patienten mit der Hauptdiagnose Schlaganfall in stationärer Behandlung. Davon waren 24 Menschen auch mit COVID-19 infiziert. Noch gibt es keine Studien darüber, ob der Zusammenhang tatsächlich kausal zu bewerten ist oder inwiefern eine Korrelation besteht. Generell sind aber während der Corona-Pandemie auffallend mehr Menschen neurologisch behandelt worden.

Ambulante Nachbetreuung verbessern 

Um Betroffenen nach einem Schlaganfall noch mehr Lebensqualität zu sichern, arbeitet das Team der „Stroke Unit“ daran, auch die längerfristige ambulante Nachsorge weiter zu verbessern: „An der Innsbrucker Klinik etwa begleitet ein Team aus Neurologen, Fachtherapeuten und Experten aus der Sozialarbeit gemeinsam die Nachsorge“, weiß Primar Philipp Werner. „So eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist natürlich der Idealfall, bedeutet allerdings einen entsprechenden personellen Aufwand.“ Diese „Stroke-Card“ ist ein Angebot, das die Patientinnen und Patienten drei und zwölf Monate nach der Akutphase nach vorgegebenen Kriterien kontrolliert.
Spätkomplikationen und körperliche Beeinträchtigung können dadurch besser erkannt und behandelt werden. Das Risiko für vaskuläre Folgeerkrankungen lässt sich um etwa ein Drittel reduzieren, das Wohlbefinden für die Betroffen hat sich gesteigert. Das Team arbeitet daran, das Nachsorgekonzept schrittweise auch an den neurologischen Abteilungen in Feldkirch und Rankweil umzusetzen. „Die Menschen leben dadurch nach einem Schlaganfall nicht nur länger, sondern auch besser.“ Und damit ist Zeit nicht nur Leben, sondern auch Lebensqualität.

Jede Minute zählt!

Ein Schlaganfall ist eine plötzliche Gehirnfunktionsstörung, verursacht durch ein Blutgerinnsel oder das spontane Platzen eines Gefäßes im Hirn. Die erste Zeit nach einem Schlaganfall entscheidet über das Ausmaß der Zellschäden im Gehirn. Daher ist es wichtig, die Symptome zu erkennen. Mit dem „fast“-Test prüfen Sie die wichtigsten Anzeichen:

FACE

Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.

ARMS 

Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder eine Hand dreht sich.

SPEECH 

Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor. 

TIME 

Zögern Sie nicht, rufen Sie unverzüglich die Rettung – 144 und schildern Sie die Symptome.

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