
Mehr Freiheit durch moderne Insulinpumpen
Welch Riesenschritte die Entwicklung der modernen Medizin in den vergangenen Jahren gemacht hat und wie sie damit – in diesem Fall sehr jungen – Menschen den Alltag erleichtern kann, das hat kürzlich der „2. Vorarlberger Pädiatrische Pflegetag“ im Landeskrankenhaus Feldkirch eindrücklich vermittelt. Einer der Referenten der Fortbildungsveranstaltung war Diabetesberater Magdi Roman El Noweim. Der Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger mit Spezialisierung auf Kinder- und Jugendlichenpflege (DKKP) am LKH Feldkirch machte in seinem Vortrag deutlich, wie moderne Insulinpumpen jungen Diabetes-Patientinnen und -Patienten ein großes Stück Freiheit verschaffen:
Allein die Kinder- und Jugendabteilung am Schwerpunktrankenhaus Feldkirch verzeichnet pro Jahr vier bis sechs Kinder, die erstmals mit der Diagnose „Diabetes Typ 1“ konfrontiert sind. „Erstmanifestationen“ nennt es der Experte. Die Bauchspeicheldrüse ist bei dieser Form der „Zuckerkrankheit“ nicht mehr in der Lage, das Hormon Insulin selbst zu produzieren. Eine lebenslange Kontrolle des Blutzuckers und die Zuführung von Insulin sind unumgänglich. Die Krankheit offenbart sich bei den meisten ab dem dritten, vierten Lebensjahr. Ein weiterer statistischer Höhepunkt des Krankheitsausbruchs liegt im Alter von zwölf bis 14 Jahren. Nach der Corona-Pandemie ist die Zahl der Erstdiagnosen sprunghaft angestiegen: „Im ersten Folgejahr hatten wir am LKH Feldkirch 15 und im darauffolgenden Jahr elf Patienten, bei denen sich Diabetes manifestiert hat“, zieht DKKP Magdi Roman El Noweim Bilanz. „Wir wissen, dass bestimmte Virusinfektionen die Manifestation regelrecht triggern. Auch Covid hat die Kraft, Diabetes auszulösen, ähnlich wie das Epstein-Barr-Virus und Influenza-Infektionen.“
Automatische Insulinabgabe
Durchschnittlich behandelt das Team am LKH Feldkirch im Jahr rund 60 Typ-1-Diabetespatienten im Kinder- und Jugendalter. „Erste Anzeichen, bei denen Eltern hellhörig werden sollten, sind unter anderem ein überdurchschnittlich ausgeprägtes Durstgefühl, extreme Müdigkeit, auffallende Gewichtsabnahme oder wenn das Kind wieder einnässt“, erklärt der Diabetesberater. Vor allem in den vergangenen zehn Jahren hat die Forschung auf dem Gebiet der Insulintherapie „Bahnbrechendes vollbracht“, kann DKKP El Noweim Positives berichten: „Durch die Verbindung der Blutzuckersensoren mit kleinen Insulinpumpen direkt am Körper haben die Patienten ein großes Stück Unabhängigkeit und Sicherheit gewonnen: Der Sensor, der aussieht wie ein Pflaster, misst die Blutzuckerwerte automatisch. Anschließend gibt er die Information an die kleine, mit Insulin gefüllte Pumpe weiter. Diese hat ein eingebautes Rechenprogramm und gibt die exakt erforderliche Menge an Insulin direkt in den Körper ab. „Rund zwei Drittel unserer jungen Patienten tragen bereits eine Insulinpumpe“, weiß der Experte. Durch das Pumpensystem fällt unter anderem die Blutanalyse durch den typischen Fingerpicks zum überwiegenden Teil weg. Außerdem reduziert es die Gefahr von Unter- beziehungsweise Überdosierung durch die feinen und sehr exakten Wirkmengen-Abgaben der Pumpen deutlich. „Und aus Versehen vergessen kann man die Insulingabe auch nicht mehr. Früher mussten die Kinder und Jugendlichen sechs bis acht Mal am Tag selbst mit einem Pen Insulin spritzen. Das können wir ihnen heute weitestgehend ersparen. Ein riesiger Vorteil!“
„Werte, von denen wir einst geträumt haben“
Die Insulinpumpen sind nicht implantiert. Die sogenannten Schlauchpumpen liegen auf der Haut auf – überwiegend am Bauch oder auch am unteren Rücken. Von dort aus dringt ein kleiner Katheter ins Fettgewebe. Das Insulin wird über diese wenige Millimeter lange Kanüle abgegeben. Alle zwei Tage wechseln die Patienten den Schlauch, um Infektionen und eine Insulinresistenz des umliegenden Gewebes zu vermeiden. Daneben sind noch Pumpensysteme zum Aufkleben im Einsatz, die alle drei Tage gewechselt und (bislang noch) manuell gesteuert werden. Die modernen Schlauchpumpen mit Katheter-System können bereits über spezielle Apps am Mobiltelefon gesteuert werden: Diese Apps übernehmen unter anderem das vormals händische Festhalten von Blutwerten, das Ausrechnen von Insulinmengen und das Erstellen von Nährwerttabellen. Dazu kommt, dass die Sensor-Pumpen-Verbindungen mit ihren (Almost) Closed Loop Systemen sogar bestimmte Algorithmen erkennen und die Insulinabgabe individuell adaptieren: „Wenn sie beispielsweise bemerken, dass der Blutzucker zu einem bestimmten Zeitpunkt am Nachmittag immer zu hoch ist, dann geben sie zu dieser Zeit eben ein bisschen mehr Insulin ab. Diese Systeme schaffen heute Werte, von denen wir früher nur geträumt haben.“
Geschultes Umfeld wichtig
Damit die Pumpensysteme optimal funktionieren, müssen die Eltern und das Umfeld ausgezeichnet geschult sein. „Solange die Kinder sehr jung sind, laufen die Schulungen über die Eltern, speziell über die Mütter.“ Ab dem Teenageralter sind die meisten dann so weit, dass sie das Management weitestgehend selbst übernehmen können. Das verlangt allerdings Eigenverantwortung und Konsequenz in hohem Maß. Die Kinder und ihre Eltern werden am LKH Feldkirch über einen Zeitraum von mindestens einer Woche intensiv geschult. „Und bislang haben wir damit sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Magdi Roman El Noweim, der sein Wissen regelmäßig auch an Pädagogen in Kindergärten und Schulen weitergibt.
Bei den Schulungen spielen immer auch Aspekte der Ernährung, der Bewegung und der Psychohygiene eine wichtige Rolle: „Wir erklären unseren Patienten, wie sie auf ihren Körper hören und ihn unterstützen können und vor allem, dass sich Diabetes und ein glückliches, langes und erfülltes Leben nicht ausschließen. Diabetes ist heute kein Grund mehr, etwas nicht zu tun oder bei etwas nicht dabei sein zu können. Wir haben im Haus beispielsweise tolle Ärzte und Pflegefachkräfte mit Diabetes, die das eindrücklich beweisen. Und die eigene Gesundheit, das eigene Wohlbefinden gut im Blick zu haben, ist ja generell etwas sehr Positives. Das kann man auch den Jüngsten schon mit auf den Weg geben.“
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