Wolfgang Greber

* 1970 in Bregenz, Jurist, bei der „Presse“ im Ressort Außenpolitik, Sub-Ressort Weltjournal. Er schreibt auch zu den Themen Technolo­gie, Militärwesen, Raumfahrt und Geschichte.

Was Westler und was Wiener am Weihnachtsmarkt bechern

Dezember 2025

Glühwein oder Punsch? In der Hauptstadt gelten oft absonderlich süße, fragwürdige und folgenschwere Heißgetränkmixturen der letzteren Art als kulturell korrekt.

Als ich vor einem Vierteljahrhundert in Wien bei der „Presse“ anfing, war das im November, einem der nicht zuletzt wetterbedingt depressiv-drückendsten Monate im flachen Oschten. Immerhin hob die Christkindlmarktsaison an und es war noch die gute alte Zeit, als man auch in „gehobeneren“ Zeitungen jüngere Journalisten für Reportagen über Weihnachtsmärkte ausrücken ließ.
Aus dem Anlass stieß ich auf einen der nicht eben wenigen soziokulturellen Unterschiede zwischen Westösterreich und Wien: Die dort trinken vor allem Punsch, die quietschsüße Plörre, die mir nach der ersten Tasse an einem Stand am ungut überfüllten Bobo-Weihnachtsmarkt am Spittelberg den Magen verklebte. Von Innsbruck, Salzburg, Feldkirch und anderswo im Westen war ich primär Glühwein gewohnt, zum Christkindlmarkt in der Innsbrucker Altstadt sagte man „Glühkindlmarkt“. Doch wenn du in Wien nach Glühwein fragtest (den gibt’s dort natürlich auch), haben dich insbesondere die weiblichen Kollegen von dort fast spöttisch angeschaut und du warst als vermeintliches Landei enttarnt. In Ostmedien ist generell von „Punschsaison“ die Rede, von „Punschständen“ und „kollektivem Punschtrinken“, damit abgesteckt ist, was „man“ dort kulturell korrekt bechert.
Punsch stammt aus Indien und ist originär ein Gemisch aus fünf Elementen, nämlich Wasser oder Tee, Zitronen/Limonen, Zucker, Gewürze (etwa Muskat, Zimt) und Arrak, ein Schnaps aus Palmensaft, Zuckerrohr oder Reis. Die Zahl 5 spricht man auf Hindi als „Paatsch“ oder „Paansch“ aus. Englische Seefahrer und Händler schrieben das im 17. Jahrhundert als „Punch“ und brachten den Drink nach Europa. Dort und in anderen Weltregionen hat man ihn vielfach variiert, mit zahllosen Fruchtsäften, Gewürzen, Milchprodukten, Likören und Destillaten von Rum über Obstschnäpse und Weinbrand bis Whiskey. Und so kommt es, dass man auch heuer auf Wiener Weihnachtsmärkten Dinge findet, die noch verträglich klingen wie Apfelpunsch, aber auch solche, wo der Magen in Deckung gehen und der Schädelweh-Alarm schrillen sollte: Aperolpunsch, Caipirinha-Punsch, Punsch mit Banane-Kokos, Himbeer-Vanille, Amaretto-Apfel-Kirsch, Waldbeer, Karamell, Tannenzapfen, Chili und so weiter.
Mit „panschen“ (oder „pantschen“) hat Punsch zwar nichts zu tun – das rührt vom französischen Wort „panacher“ für „vermischen“ her. Dass so mancher Punsch aber ziemlich zusammengepanscht wirkt, im Sinne des Vermengens beziehungsweise Streckens eines Getränks mit fragwürdigen bis minderwertigen Zutaten oder zumindest eines wilden Zusammenrührens, ist bekannt und regelmäßig Thema in den Medien. Immerhin heißt es in Wien, dass sich die Punschqualität im vorigen Jahrzehnt verbessert habe und der schlechte Ruf, der sich um Begriffe wie „Kanisterpunsch“, „Konzentrat“ und „künstliche Aroma- und Farbstoffe“ dreht, nicht mehr so gerechtfertigt sei.
Natürlich gibt’s auch grauslichen Glüahwˉi, aber da ist das Rezept schlanker und man kann bei vernünftiger Weinwahl und Zurückhaltung beim Süßen weniger anrichten als mit Gruselpunsch. Überhaupt kommt Glühwein weniger verspielt, kindisch-süßlich und amateurhaft rüber als das Alkopop-hafte Punschzeugs. Womit wir bei den Weihnachtsmärkten im Ländle sind. Im Vergleich zu Wien mit seinen mehr als 14 teils riesigen und durchaus wunderschönen Märkten sind die ja eher putzig. Aber ruhiger. Gemütlicher. Schlichter. Näher am Herzen.
In der Hauptstadt werden sie von (Touristen)Massen geflutet, speziell die Klassiker am Rathausplatz, in Schönbrunn, auf der Freyung, am Spittelberg, es geht um mehrere Millionen (!) Besucher, auch Vorarlberger kommen gern in organisierten Reisen. Im Wiener Rathaus waren sie im November ganz aufgeregt, weil der US-Sender CNN den Christkindlmarkt am Rathausplatz unter die zehn besten der Welt gereiht und zu Recht betont hat, dass die Weihnachtsmarkttradition einst in Wien begonnen hat, nämlich anno 1298 (eigentlich 1296). Wien sei also „das globale Zentrum der Weihnachtskultur“, brüstete man sich in der Stadtverwaltung.
Hm, man wird da in Städten wie München, Nürnberg, Dresden, Straßburg und Prag ähnlich denken. Lustig ist, dass man in einer vom politmedialen Klima her links-grünen Politkorrekti-City, wo alles rund ums Christliche eher verschämt verdrängt wird, heute so stolz darauf ist. Aber wenn der Euro rollt und der Punsch strömt, aktuell zu happigen Preisen von um die fünf Euro aufwärts, schaut man über manch ideologische Unverträglichkeit hinweg.
Im Ländle kriegen die Weihnachtsmärkte übrigens auch Gäste aus Ostösterreich: Mehrere Reisebüros bieten Ausflüge an, im Web sind Angebote etwa aus der Steiermark, Niederösterreich und Wien. So eine Horizonterweiterung gen Westen ist ja begrüßenswert. Dort ist die Advent-Atmosphäre etwa im mittelalterlichen Feldkirch fantastisch, in Bregenz ist das einzigartige Seeufer gleich ums Eck, dazu kommt das Weihnachtsschiff der Vorarlberg Lines. Den Dornbirner Christkindlemarkt hat just die Wiener Stadtzeitung „Falter“ jüngst unter die zehn schönsten beziehungsweise „etwas anderen“ Märkte Österreichs gereiht.
Auch medial dominiert in V good old Glüahwi über den Punsch: Man liest dort etwa von „Glühwein, Glanz und Glitzer“, vom „Bludenzer Christkindlemarkt mit Glühwein, Küachle und Raclette“, von „Glühwein in der Luft“ und „Glühwein-Begeisterten“, reflektiert über die Glühweinpreise und darüber, dass die Firma Pfanner & Gutmann eine, sagen wir, starke Stellung bei der Belieferung von Ständen mit Heißgetränken hat.
Oft wird Glühmost genannt. Da und dort blitzte freilich das Wort „Punsch“ linkisch auf, etwa auf den Websites zum Bregenzer Adventzauber („Der Duft von Zimt, Punsch und Holzfeuer zieht durch die Straßen“), zur Feldkircher Weihnachtsstadt („Duft nach Punsch und Lebkuchen“) und dem Hohenemser Wichtelwald („Nasch- und Punschhütten laden zum Verweilen ein“).
Walter Pfanner sagte Ende 2023 gegenüber dem ORF: „Was man heuer merkt: Dass Punsch immer mehr kommt.“ Nun ja. Kommen Vorarlberg und Wien einander halt näher.
Übrigens: Frohe Weihnachten! Zuvor freu ich mich auf „Advent in Vorarlberg“, diesmal aus dem Montafon (8.12., 17.30 Uhr, ORF 2). Bei den Bildern und Klängen wird’s dir warm ums Herz. So wie bei Glüahwi – und Punsch. Abr net jöömara, wenn’s eana danôch grusig gôt!

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