Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Ahna & Ähne – Kuchen backen gegen Einsamkeit

Dezember 2025

Einsamkeit ist längst keine Randerscheinung mehr, sondern eine stille gesellschaftliche Realität, gerade in Regionen mit hohem Wohlstandsniveau und überdurchschnittlich vielen Pensionistinnen und Pensionisten. Vorarlberg bildet hier keine Ausnahme. Doch mitten in dieser Entwicklung entsteht ein Projekt, das mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Ansatz Menschen wieder zusammenbringt: Ahna & Ähne, ein seit 2025 bestehender Verein, der Begegnung, Wertschätzung und Teilhabe in den Mittelpunkt stellt.

Der Verein wurde im Juni 2025 von Markus Amann und Wolfgang Sila gegründet. Ihr Ziel war es, einen Ort zu schaffen, an dem ältere Menschen ihre Fähigkeiten einbringen, ihr Wissen weitergeben und gleichzeitig soziale Teilhabe erleben können. Für Amann stand von Beginn an fest: „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem ältere Menschen nicht nur konsumieren, sondern mitgestalten.“ Der zentrale Gedanke – „Kuchen backen gegen Einsamkeit“ – ist dabei Metapher und Programm. Backen gilt hier nicht nur als handwerkliche Tätigkeit, sondern als verbindende Kraft: Es schafft Nähe, aktiviert Erinnerungen und bringt unterschiedliche Menschen an einen Tisch.

Café Konditorei Fritz in Bludenz
Der erste Standort des Projekts, das ehemalige Café Fritz in Bludenz, bot dafür die ideale Ausgangslage. Die seit eineinhalb Jahren leerstehende Konditorei mit Café im Stil 1970er-Jahre wurde vom Eigentümer Peter Fritz zur Verfügung gestellt. „Es war ein Glücksfall“, sagt Wolfgang Sila, „so konnten wir sofort mit unserer Backwerkstatt loslegen, ohne Monate durch Umbauten zu verlieren.“ Ab Jänner 2026 sind zunächst zwei wöchentliche Öffnungstage geplant, an denen nicht nur Kaffee ausgeschenkt und feiner, selbstgebackener Kuchen nach traditionellen Rezepten verkauft wird, sondern es sollen auch Begegnungen, die vielen älteren Menschen im Alltag fehlen, entstehen. Die Aktivitäten reichen von gemeinsamen Backsessions über Spiele-, Sing-, und Jassrunden bis zu angeregten Tischgesprächen.
Getragen wird das Projekt von einem beeindruckenden ehrenamtlichen Engagement. Ein Kernteam von rund 15 bis 20 Personen, unterstützt von einem erweiterten Kreis von etwa 70 Engagierten, sorgt dafür, dass der Betrieb läuft. Einige der Beteiligten sind frisch pensioniert und bringen Zeit, Lebenserfahrung und Freude am Miteinander ein. Isolde aus Bludenz beschreibt es so: „Ich komme wegen der Menschen – und weil ich hier wieder etwas beitragen kann.“ Nicht wenige berichten, dass das Gefühl, gebraucht zu werden, ihr stärkster Antrieb sei. Ein besonders bewegendes Beispiel: Eine ältere Dame backt ihren Lieblingskuchen. Als ein junger Gast ihr Werk lobt und kauft, meint sie später: „So etwas gibt dir das Gefühl, wieder Teil der Welt zu sein.“

Finanzierung durch Sponsoren
Finanziert wird das Projekt ohne öffentliche Gelder. Stattdessen setzt der Verein auf private Sponsoren, lokale Unternehmen und das weitreichende Netzwerk seiner Initiatoren. Sila, der über viele Jahre Kontakte in Gastronomie und Wirtschaft aufgebaut hat, erklärt: „Wir wollten zeigen, dass man auch ohne große Förderstrukturen etwas bewegen kann.“ Diese Unabhängigkeit ist einerseits herausfordernd, verleiht dem Projekt aber gleichzeitig eine bemerkenswerte Flexibilität.
Seine gesellschaftliche Bedeutung reicht weit über den gastronomischen Rahmen hinaus. Einsamkeit kann gravierende gesundheitliche Folgen haben und soziale Isolation verstärken. Gleichzeitig entstehen im Alter neue Lebenssituationen: familiäre Strukturen verändern sich, berufliche Rollen fallen weg, Alltagskontakte werden seltener. Ahna & Ähne setzt genau hier an. Der Verein schafft Möglichkeiten, Fähigkeiten einzusetzen, Verantwortung zu übernehmen und neue Beziehungen aufzubauen. Die 73-jährige Oma Kathi bringt es auf den Punkt: „Ich komme wegen der Gemeinschaft – und weil hier jeder zählt.“

Zuversicht schenken
Natürlich bleibt die Initiative nicht frei von Herausforderungen. Die Suche nach geeigneten Räumen gestaltete sich nicht so einfach, auch aufgrund der Einhaltung der notwendigen Hygienestandards und Bewilligungen. Doch gerade die Flexibilität und der pragmatische Zugang scheinen das Erfolgsrezept zu sein. Statt eines starren Masterplans verfolgt der Verein ein organisches Wachstumsmodell. Und genau das macht ihn widerstandsfähig.
Der Blick nach vorn ist zuversichtlich. Die Öffnungstage sollen ausgeweitet, ein regelmäßiger Monatskalender mit Begegnungsformaten eingeführt und das Modell langfristig auch an weiteren Standorten erprobt werden. Entscheidend wird sein, genügend engagierte Menschen zu finden, die den Geist des Projekts mittragen. „Die Motive, wieso die Senior:innen zu uns in die „Ahna und Ähne“ finden sollen, sind so unterschiedlich wie sie selbst. So oder so sind wir alle zusammen ein einzigartig kunterbunter Haufen Lebensgeschichten, die nur darauf warten, erzählt zu werden“, erläuterte Wolfgang Sila.

Machen statt reden
Ahna & Ähne zeigt, dass sozialer Wandel nicht immer durch groß angelegte Programme oder komplexe Fördermodelle entsteht, sondern durch konkrete Orte der Begegnung, durch Räume, in denen Menschen sich wahrgenommen fühlen und aktiv mitgestalten können. Das Projekt beweist, dass Beziehungen, Gespräche und gemeinsames Tun oft wirksamer sind als jede theoretische Maßnahme. Ein Stück Kuchen, ein Wort zur richtigen Zeit, ein gemeinsames Lachen: Aus solchen vermeintlich kleinen Momenten entsteht Gemeinschaft.
Der Verein ist damit ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Ehrenamt, lokale Netzwerke und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein eine Bewegung anstoßen können, die weit über Kaffee und Kuchen hinausgeht. Was hier entsteht, ist ein funktionierendes Modell sozialen Miteinanders, das zeigt, wie Engagement von unten aussehen kann, wenn Menschen nicht auf politische Impulse warten, sondern selbst Verantwortung übernehmen. Es ist ein Ansatz, der Mut macht, gerade in einer Zeit, in der viele gesellschaftliche Herausforderungen unüberschaubar erscheinen.
Vielleicht wird diese Idee schon bald an mehreren Orten Vorarlbergs zu sehen und zu schmecken sein. Nicht als fertiges Konzept, sondern als lebendige Einladung, Teil eines Projekts zu werden, das das soziale Klima innerhalb einer Gesellschaft verändern kann. Denn dort, wo Menschen zusammenkommen, entsteht jene Verbundenheit, die uns mitunter fehlt und die Ahna & Ähne immer wieder ein Stück weit zurückbringen kann.
www.ahna-aehne.at

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