Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Beziehungen im Online-Zeitalter: So datet die Generation Z

November 2022

Wer glaubt, dass das Knüpfen von Beziehungen eine einfache Sache ist, darf als Optimist vor dem Herrn bezeichnet werden. Und das Online-Dating macht die Sache auch nicht viel einfacher.
Wir haben uns mit der 21-jährigen Hannah* (Name von der Redaktion geändert) getroffen, die uns in die Welt der Dating-Apps der Generation Z einführt. Hannah hat sich gerade in einer Art Selbstversuch bei gängigen Dating-Plattformen angemeldet. Wie es ihr in der digitalen Dating-Welt ergangen ist und noch immer ergeht, hat sie uns im Gespräch erzählt.
Vorab: Hannah hat vor zwei Jahren an der FH ihr Grafikstudium aufgenommen und steuert ihrem Abschluss als Bachelor zu. Sie hat das komplette Corona-Wirrwarr am eigenen Leib erfahren und erfolgreich Strategien entwickelt, um der sozialen Vereinsamung zu entgehen.

Hinge, Bumble und Tinder

„Dating Apps zu verwenden, gehört zu unserer Generation wie das Amen zum Gebet“, erklärt sie. Denn sie sieht sich als Teil der digitalen Welt. „Auf diese Weise lernen wir Menschen kennen, die wir sonst nicht getroffen hätten“, ergänzt sie. Und zählt die Plattformen auf, auf denen sie und ihresgleichen sich bewegen: Hinge zählt zu ihren Favoriten, daneben sind Bumble, aber auch Tinder sehr populär. Auf die Frage nach den Unterschieden erklärt sie: „Tinder wird vor allem für Casual Dating, also für Treffen mit dem Ziel, Sex zu haben, verwendet. Hinge und Bumble hingegen gehen in Richtung Beziehung. Bei Bumble kann beispielsweise angegeben werden, was das Dating-Ziel ist: Freundschaft, Beziehung, gemeinsame Interessen.“ So könne hier innert kürzester Zeit ein Spieleabend organisiert werden. Mitglieder für ein Volleyball-Team gesucht? Bumble hilft weiter. Und das Beste: Für alle genannten Apps gibt es eine Basisversion, die gratis ist. Das Alterslimit liegt bei 17 oder 18 Jahren, nichtsdestotrotz laden zahlreiche Jugendliche die App herunter, um mit einem Fake-Account schon früher Zugang zur digitalen Dating-Welt zu erhalten. 

Breadcrumber und Catfisher

Warum gehen gerade Menschen der Generation Z diesen Weg? „Natürlich macht es Spaß, Leute kennenzulernen. Doch im Anschluss daran gab es Dates, die ich mir hätte schenken können“, so Hannah. Die Vibes hätten einfach nicht gestimmt. Und das sei verschwendete Zeit.
So weit, so gut. Aber es könnte ja sein, dass es sich beim Profil und Fake-Infos handle, werfen wir ein. Dessen müsse man sich bewusst sein, gibt sie zu. Mit Breadcrumbing, Catfishern oder Kittenfishing, also Menschen, die unwahre Angaben machen, habe sie bisher noch keine Erfahrungen machen müssen. Übrigens: Breadcrumber flirten, um ihr eigenes Ego zu pushen, haben aber nie die Absicht, sich tatsächlich mit dem Gegenüber zu treffen. Und dann gibt es da noch das Ghosting: Der Dating-Partner bricht den Kontakt ohne Begründung ab.

Zeit sparen

Der große Vorteil dieser Art des Kennenlernens liegt für Hannah darin, dass sie bereits im Vorfeld einiges über die betreffende Person erfährt, vor allem die persönlichen Interessen und die politische Einstellung sind ihr wichtig. Hannah, die sich selber als linksliberal bezeichnet, erzählt von einem Date, bei dem ein hoffnungsvoller junge Mann mit konservativer Einstellung über sich hinausgewachsen sei und den Gentleman gespielt habe. „Er hat mir dann auch eine Rose und eine Schachtel Pralinen mitgebracht und formvollendet den Sessel zurechtgerückt“, erinnert sie sich. „Für mich persönlich war das nichts, mir kam es zu gestellt und wenig authentisch vor.“

Werte sind wichtig

Mit einer App wäre das wohl nicht passiert. Ihre Erwartungen decken sich mit Untersuchungen zum Dating-Verhalten der Generation Z: Religion, Politik und Geld seien absolut Themen für das erste Date. Und wenn der Account schon ein paar Werte vorwegnehme, solle man sie auch ansprechen. Je weiter andererseits Ansichten auseinander gehen, desto geringer sei die Toleranzbereitschaft (https://www.wmn.de/; 17.10.2022).
Grundsätzlich möchte Hannah das Online-Dating schlicht und einfach „einmal ausprobieren“. Dabei ist sie aber ergebnisoffen, sie hätte jedoch nichts dagegen, wenn dieser Versuch in eine romantische Beziehung münden würde, erzählt sie. Ein weiterer Grund für diese Art der Erfahrung sei, dass sich gerade zahlreiche ihrer Bekannten und Freunde aufgrund eines Studiums in andere Städte verabschieden. Und so möchte sie diese Möglichkeit wahrnehmen, auf digitale Art neue Bekannte zu finden.
Corona habe diese Entwicklung gefördert, meint sie weiter. Im ersten Lockdown haben die Treffen online stattgefunden, dann sei ein „halbwegs vernünftiger Sommer“ gekommen, der dann wieder vom neuerlichen Lockdown-Wahnsinn abgelöst wurde. Doch die Generation Z hat ihre Aktivitäten in die virtuelle Welt verlegt, Remote-Spieleabende wurden auf Plattformen wie Discord, einer kostenlosen Kommunikations-App für Sprach-, Video- und Text-Chat mit Freunden, Spiel-Communitys und Entwicklern, organisiert, um wenigstens auf diese Art Kontakte zu knüpfen. Und das, was sich so entwickelt hat, sei heute nicht mehr wegzudenken, gewinnt sie diesen Erfahrungen auch gute Seiten ab. Was Hannah aber betont: „Durch Dating-Apps hört man ja nicht auf, Bekanntschaften in der Realität zu machen. Es erweitert nur das Spektrum.“

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