Bregenz oder Lustenau, Hauptsache Rasenheizung
Grüner als Austria Lustenau-Vorstand Bernd Bösch (62) zu sein, ist eigentlich nicht möglich. Bernd Bösch ist politisch ein Grüner der ersten Stunden, Mitbegründer der Lustenauer Ortsgruppe, die sich damals noch „Alternative Liste“ nannte. Danach jahrzehntelang das „grüne Gesicht“ der Marktgemeinde, unter anderem fünf Jahre als Vizebürgermeister, zwei Legislaturperioden im Landtag, Landessprecher der Grünen Wirtschaft.
Bernd Bösch ist aber auch seit Kindesbeinen ein Grüner in Sachen Fußball. Zuerst als Nachwuchskicker, der es später auch zu ein paar Einsätzen in der Kampfmannschaft brachte, heute als Sprecher des Vorstandes des 1914 gegründeten Traditionsklubs. Wie in der Politik schaffte es der stille Arbeiter von der Basis bis in die erste Reihe.
Bernd Bösch war nie einer, der Wasser predigt und Wein trinkt. Bei Wind und Wetter ist der inzwischen pensionierte Einzelhandelskaufmann mit dem Fahrrad unterwegs, führt ein durch und durch von grünen Prinzipen geprägtes Leben.
Und dann das! Bernd Bösch wirbt in der größten Energiekrise seit den 1970er-Jahren für eine Rasenheizung und fordert Sponsoren, Fans und Sympathisanten seines Herzensclubs auf, doch für das 600.000 Euro teure Energieverschwendungs-Projekt zu spenden.
Ist Bernd Bösch vom grünen Glauben abgefallen? Mitnichten, schließlich soll sein Club bis 2025 klimaneutral werden. Aber um während des gerade eben begonnenen knapp zweijährigen Umbaus des Reichshofstadions mit seinem Verein ins Bregenzer Bodenseestadion ausweichen zu können, musste auch dort das „Lizenzkriterium Rasenheizung“ der Österreichischen Fußball-Bundesliga erfüllt werden. Vorarlberg darf sich dann über die dritte Rasenheizung (neben Bregenz in Lustenau und Altach) im Umkreis von 25 Kilometern „freuen“.
Ein Schildbürgerstreich der Sonderklasse. Fußball-Funktionäre wie Bernd Bösch werden gezwungen, das bei den Profivereinen im Ländle eh immer zu knappe Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Bis zur Bundesligazentrale in Wien sollte es sich inzwischen eigentlich herumgesprochen haben, dass sich auch jenseits des Arlbergs die klimatischen Verhältnisse in den vergangenen Jahrzehnten so verändert haben, dass auch die dritte Rasenheizung mit großer Wahrscheinlichkeit nie in Betrieb genommen wird. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass inzwischen in der höchsten Spielklasse bis Mitte Dezember und wieder ab Anfang Februar gespielt wird.
Die Fakten: In der Klimatologie gibt es verschiedene Kennzahlen, den Winter zu beschreiben und Trends zu erkennen. Neben der mittleren Temperatur ist das auch die Anzahl der Eistage, Tage an denen die Temperatur 24 Stunden durchgehend unter Null liegt. Und diese nehmen dramatisch ab. Im Schnitt gab es in den vergangenen Wintern in den österreichischen Landeshauptstädten noch etwa ein Viertel der Eistage verglichen mit dem Zeitraum 1961 bis 1990. In Bregenz waren es in den letzten neun Jahren im Schnitt viereinhalb Tage, in den vergangenen fünf Jahre, noch 2,6. Und da die Erderwärmung in einer noch nie da gewesenen Geschwindigkeit zunimmt, wird es bald gar keine mehr geben.
Dennoch kennt die Bundesliga keine Gnade. Ohne Rasenheizung keine Lizenz. Ein schlechter Scherz der Bundesliga, die sich frivolerweise längst ein grünes Mäntelchen umgehängt hat. Im Frühjahr ließ die Bundesliga durch ihren Geschäftsführer Christian Ebenbauer stolz verkünden, dass man „mit der heurigen Lizenzierung das von der UEFA eingeführte Nachhaltigkeitskriterium in die nationale Lizenzierung übernommen habe“. Was als Herzensangelegenheit präsentiert wird, ist nichts anderes als ein Etikettenschwindel. Logisch, dass bei Stadionneubauten die ausladenden Dächer für Photovoltaikanlagen genutzt werden, aber nicht, weil die Vereine grün sein wollen oder müssen, sondern weil sich das schlicht rechnet. Und auch nicht sonderlich überraschend, dass man im 21. Jahrhundert LED-Lampen und keine Glühbirnen an die Flutlichtmasten hängt. Es ist auch nicht wirklich innovativ, wenn Tickets nicht mehr gedruckt sondern digital werden und, wo immer möglich, die Fans mit dem Bus ins Stadion fahren. Man reibt sich aber weiter die Augen, wenn im Hochsommer bei 35 Grad die Flutlichtmasten am Nachmittag stundenlang laufen. Scheinbar kann man heute keine Fernsehbilder mehr machen ohne Vollbeleuchtung bei strahlendem Sonnenschein.
Ob er will oder nicht, Bernd Bösch muss jetzt Geld für eine Rasenheizung sammeln, obwohl er es aufgrund der sportlichen Talfahrt dringend für einen neuen Trainer, bessere Spieler oder eine gezielte Nachwuchsarbeit bräuchte. In Anlehnung an das Gründungsjahr sollen 1914 Pakete unters Volk gebracht werden. Eine Herkulesaufgabe, die treuen Anhänger zu überzeugen, für etwas zu zahlen, das in einem fremden Stadion vergraben wird und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie eingeschaltet wird. Schon Hubert Nagel, der damals dieses Lizenzkriterium heftig aber erfolglos bekämpft hatte, schloss aus, die teure Heizung je einzuschalten. Seine These: Wenn die Bundesliga schon eine Rasenheizung vorschreibe, dann müsse sie das konsequenterweise in Kombination mit einer verpflichtenden Sitzheizung, wie etwa bei den Sesselliften am Arlberg, tun. Denn was nütze eine Rasenheizung im Dezember, wenn man zwar spielen könne, aber sich niemand im eiskalten Stadion den Hintern abfrieren wolle.
Am 9. Dezember rollt nun erstmals der Ball auf dem neuen Bregenzer Rasen, wenn die Austria den LASK empfängt. Hoffentlich ohne Energieverschwendung bei einem guten Vorarlberger Bier und einer schmackhaften Bratwurst. Aber auch dem höchsten Kulturgut der Fans droht Gefahr von den Hohepriestern der Nachhaltigkeit. Die Bundesliga findet es in ihrem Nachhaltigkeitsschwindel nämlich auch hipp, auf den veganen Zug aufzusteigen. Tofu-Wurst & Co sollen Einzug halten in den Stadien? Na dann: „Mahlzeit, liebe Fußballromantiker.“
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