Peter Freiberger

CSI Vorarlberg – nichts bleibt verborgen

September 2017

Sie suchen und finden Spuren, die das freie Auge nicht wahrnimmt. Sie entschlüsseln Fotos und Videos, sodass selbst kleinste Einzelheiten auf unscharfen Bildern gut erkennbar werden. Ihnen bleibt fast kein Detail eines Verbrechens verborgen. Die Rede ist von der landläufig als Tatortgruppe bezeichneten Abteilung im Landeskriminalamt Vorarlberg, die wichtige Hintergrundarbeit leistet, um Kapitaldelikte zu klären.

Der Vergleich mit der TV-Serie CSI Miami wirkt auf den ersten Blick vielleicht etwas zu dick aufgetragen – er hält aber dennoch stand. Die insgesamt sechs Beamten arbeiten weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, doch höchst effizient: Ohne sie blieben viele Verbrechen und die Identität zahlreicher Toter ungeklärt.

Weißer Overall, Überzüge über den Schuhen, Handschuhe, Mundschutz: So arbeiten die Spezialisten nach Gewaltverbrechen an Tatorten, wenn es darum geht, Spuren zu sichern. „Wir dürfen selbst keine Spuren hinterlassen“, erklärt Veselko Hagen, der frisch gebackene Leiter der Tatortgruppe, die „Verkleidung“. Der Tatort wird fotografiert, man macht Videos und schriftliche Aufzeichnungen, vermisst die Spurenlage. Es beginnt die Suche nach Fingerabdrücken, Schuh- und DNA-Spuren.

Manches ist mit freiem Auge nicht erkennbar. Auch deshalb nicht, weil der oder die Täter versucht haben, es zu entfernen – Blut auf einem nachträglich gereinigten Boden beispielsweise. Nützt aber alles nichts, denn mithilfe des Luminol-Verfahrens – ein spezielles chemisches Verfahren – wird Blut wieder sichtbar.

Hightech-Labor

Die Auswertung der Spuren findet dann im Labor im Landeskriminalamt statt. Dieses ist seit einem Jahr nach der Europäischen Norm ISO/IEC 17025 akkreditiert. „Es entspricht damit den allerhöchsten Qualitätsstandards“, betont Hagen stolz.

In dem Labor machen sich die Beamten auf die Suche nach weiteren „Hinterlassenschaften“ der Täter, die vor Ort nicht zu erkennen waren. Gegenstände mit sogenannten „nichtsaugenden“ Oberflächen – beispielsweise Handys oder Glas – werden unter anderem mit speziellen Verfahren bedampft. Gegenstände mit saugender Oberfläche wiederum – dazu zählen etwa Dokumente oder einfach Papier – unterzieht man dem Tauchbad-Verfahren. Das Resultat: In beiden Fällen treten zuvor unsichtbare, sogenannte latente Fingerabdrücke zum Vorschein.

Mit eigens entwickelter Lasertechnik versuchen die Experten, die Richtung von Schüssen zu rekonstruieren – zu ermitteln, wo ein Schütze genau stand. Dies war etwa eine der Aufgaben nach dem Amoklauf von Nenzing im Frühjahr 2016. „Wer glaubt, eine Kugel durchdringt einen Schädel stets ohne Richtungsänderung, der irrt“, hebt Hagen die Bedeutung solcher Rekonstruktionen hervor. „Es gibt Fälle, bei denen ein Projektil im Schädel regelrecht herumwandert.“

An ein in der Öffentlichkeit bekanntes Kapitalverbrechen, bei dem die Tatortgruppe ganz entscheidend zur Klärung beigetragen hat, erinnert sich der erfahrene Beamte noch besonders gut. Als „Fall Jelena“ ist der Mord an einer 16-Jährigen in Koblach in der Öffentlichkeit bekannt. Mit einer Bratpfanne hatte der damals 21-jährige Täter das Opfer getötet. Während er stets beteuerte, nur einmal zugeschlagen zu haben, konnte diese Aussage dank der Arbeit der Forensiker widerlegt werden. Hagen: „Wir haben Blutspuren im Nahbereich des Opfers entdeckt, die nur vom Ausholen der Pfanne stammen konnten, auf der sich bereits Blut befand.“

Veselko Hagen hat in Irland Computerforensik studiert und ist Österreichs erster und einziger Sachverständiger für forensische digitale Bild- und Videobearbeitung. Diese neuen Verfahren machen scheinbar Unmögliches möglich, verhindern, dass sich Verdächtige auf unscharfen Fotos verstecken können, inkriminierte Gegenstände oder für die Ermittlungen der Polizei bedeutende Details unerkannt bleiben.

Ein konkretes Beispiel: Ein Bild von geringer Auflösung auf Facebook zeigte eine Waffe von der Seite. Die Beamten interessierten sich für die Seriennummer der Waffe. Die war jedoch nicht lesbar. Den Spezialisten gelang es schließlich, mithilfe einer speziellen Software bei der forensischen Bildbearbeitung, die Seriennummer erkenn- und zuordenbar zu machen. In einem anderen Fall ermöglichte es die moderne Technik, eine an sich unkenntliche Person auf einem großen Foto zu identifizieren. Das Resultat: Der Mann konnte als Verdächtiger ausgeschlossen werden.

Spektakuläre Auslandseinsätze

Das Identifizieren von unbekannten Toten zählt zu einem wichtigen Aufgabenbereich der Tatortgruppe. Veselko Hagen selbst blickt in dem Zusammenhang schon auf ebenso spektakuläre wie extrem fordernde Einsätze außerhalb Vorarlbergs und im Ausland zurück. Nach dem Tsunami 2004 gehörte er beispielsweise zu jenen Spezialisten, die vor Ort in Thailand Tote identifizierten.
Eine Tätigkeit, die selbst für hartgesottene Profis nicht einfach ist. Als außergewöhnliche Herausforderung hat der Vorarlberger außerdem die Flüchtlingstragödie von Parndorf vom August 2015 in Erinnerung. Damals wurden bekanntlich 71 tote Flüchtlinge in einem abgestellten Kühllastwagen entdeckt. Das Innenministerium bestellte Hagen zum Leiter des Teams, das die Identität der Menschen klären musste. Mithilfe kriminaltechnischer Methoden und umfangreicher Ermittlungen gelang dies. „Jeder Flüchtling wird in seiner Heimat vermisst, lässt Angehörige zurück. So können wir in der Regel auf Vergleichsmaterial zurückgreifen.“
Was Emotionen betrifft, ging ihm ein anderer Einsatz wesentlich näher, weil er die Opfer persönlich kannte. 2006 sicherte er nach einem tragischen Zugsunglück im nahen Lochau Spuren. Dort hatten zuvor ein Leichenbestatter, eine Polizistin und ein Polizist einen Suizid untersucht und waren dabei ums Leben gekommen. Ein vorbeifahrender Eurocity hatte sie erfasst.
Wenn das nächste Kapitalverbrechen geklärt sein wird, wird abermals nicht die Tatortgruppe in der Öffentlichkeit stehen. Dabei hat deren akribische Arbeit die Basis zur Klärung gelegt.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.