Peter Freiberger

Das junge Gesicht der Kriminalität

Februar 2016

Serieneinbrüche, Diebstähle, Sachbeschädigungen, Betrügereien und ähnliche Straftaten gingen zuletzt immer wieder auf das Konto von Jugendlichen, die sich zu Banden formiert hatten.
Aber der Schein trügt – die Jugendkriminalität hat laut Statistik seit 2010 leicht abgenommen.

Gerhard Bargetz von der Polizeiinspektion Feldkirch gehört der Gruppe von rund 50 Polizisten in Vorarlberg an, die an Schulen Jugendgewaltprävention betreiben. Er kennt seine „Kundschaft“ und die Zahlen, die die Statistik ausweist. „In Vorarlberg betrug zwischen 2010 und 2015 der Anteil von jungen Menschen an allen bei der Staatsanwaltschaft angezeigten Straftaten im Durchschnitt 33 Prozent“, informiert Bargetz.

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Strafunmündigen (unter 14 Jahre), Jugendlichen (14 bis 18 Jahre) und jungen Erwachsenen (18 bis 21 Jahre). Den größten Brocken bei den Straftaten machten im Zeitraum 2010 bis 2015 mit durchschnittlich 17 Prozent die 14- bis 18-Jährigen aus, gefolgt von den jungen Erwachsenen (13 Prozent). Die Gruppe der Strafunmündigen scheint mit drei Prozent auf. Insgesamt ist die Zahl junger Straftäter seit 2010 etwas gesunken. „Eklatante Straftaten gab es immer“, nimmt Bargetz Bezug auf diverse Serien der vergangenen Wochen.

„Hitliste“ der Delikte

Bei den Allerjüngsten und den 14- bis 18-Jährigen führen Sachbeschädigung, Diebstahl und Körperverletzung die zweifelhafte Hitliste der Delikte an. Bei den 18- bis 21-Jährigen dominieren Delikte nach dem Suchtmittelgesetz. Zum Vergleich das häufigste Delikt der „klassischen“ Erwachsenen: Körperverletzung.

Sachbeschädigungen gehen fast zu gleichen Teilen auf das Konto von Burschen und Mädchen, Körperverletzung ist eher männlich, wenngleich laut Bargetz „auch Mädchen zuschlagen“. Diebstähle werden häufiger von Mädchen begangen. „Ladendiebstahl dominiert“, weiß der Polizist.

Wenn junge Menschen stehlen, steht einerseits Bereicherung als Motivation hinter der Straftat. Es kann sich andererseits freilich um eine Mutprobe handeln, um in einer Gruppe etwas Zweifelhaftes zu beweisen. „Nach Vandalenakten hingegen lässt sich die Motivation schwer herausfinden“, sagt der Präventionsbeamte.

„In einer Gruppe gleichaltriger Freunde nein sagen fällt nicht leicht“, ergänzt Psychotherapeut Arno Dalpra, Leiter der Gewaltberatung des Instituts für Sozialdienste (IFS) in Feldkirch. Verbote zu übertreten hätte oft eine positivere Rückmeldung zur Folge („frech“, „mutig“, „schert sich um nichts“), als sich an die Regeln zu halten („Langweiler“, „Streber“). „Jugendliche leben nach Vorbildern und orientieren sich weitgehend daran, wie Erwachsene ihr Wertesystem leben.“

Cool und große Töne

Werden junge Täter erwischt, reagieren sie im Rahmen der Einvernahmen durch die Polizei unterschiedlich. Einige bleiben völlig cool, spucken große Töne und reden quasi als Draufgabe die Beamten noch blöd an. Andere wieder brechen in Tränen aus.

Die Polizei hat die Pflicht, die Eltern zu informieren. Dabei erleben sie manchmal ebenso Unerwartetes wie Verblüffendes. „Wieso rufen Sie mich wegen dieses Blödsinns überhaupt an?“ – solche und ähnliche Antworten verursachen selbst bei erfahrenen Beamten ungläubiges Kopfschütteln. Allerdings: Die meisten Eltern zeigen sich betroffen und emotional geschockt.

Wer meint, junge Straftäter stammen ausschließlich oder überwiegend aus schwachen sozialen Schichten, irrt gewaltig. „Kinder aus guten und den vermeintlich besten Familien befinden sich genauso darunter“, betont Bargetz. Die Anteile von einheimischen und von ausländischen Tätern bzw. solchen mit Migrationshintergrund halten sich etwa die Waage.

Die Frage, woher junge Menschen kriminelle Energie nehmen, lässt sich schwer beantworten. Nach den Erfahrungen der Polizei können Alkoholismus in der Familie oder Eltern mit wechselnden Partnern eine Rolle spielen. Vernachlässigung innerhalb der (intakten) Familie und mögliche negative Beeinflussung durch Kollegen fallen ebenfalls ins Gewicht.

Junge Menschen verfügen meist noch nicht über ein vollständig ausgeprägtes Schuldbewusstsein. Dies bestätigt Psychotherapeut Dalpra. Freilich gibt es auch solche, die sich im Klaren sind, was sie tun, wenn sie einbrechen und/oder stehlen – Stichwort Bereicherung.

Keinesfalls bagatellisieren

Doch wie sollen Eltern reagieren, wenn ihre Kinder etwas „angestellt“ haben? Vom Bagatellisieren, die Strafe stellvertretend für die Sprösslinge zahlen und alles unter den Tisch kehren, wie es größtenteils geschehe, hält Dalpra gar nichts. „Es heißt, die Handlung klar zu beurteilen und zu zeigen, dass die Verursacher die Verantwortung zu übernehmen haben. Sie müssen erkennen, dass sie einen Fehler gemacht haben.“ Wichtig in dem Zusammenhang: die Kinder begleiten. „In solchen Situationen kann es erforderlich sein, dass Eltern sich coachen lassen und professionelle Hilfe von außen in Anspruch nehmen.“ Dalpra fordert überdies dazu auf, ganz genau hinzuschauen. Denn oft verberge sich noch eine zweite Botschaft dahinter, wenn ein junger Mensch straffällig geworden ist.

Den leichten Rückgang der Jugendkriminalität zwischen 2010 und 2015 erklärt sich Polizist Gerhard Bargetz unter anderen mit den Gewaltpräventionsprojekten der Exekutive an den Schulen unter Einbindung der Eltern. Das Projekt „All Right“ versucht der Zielgruppe der 13- bis 15-Jährigen die Folgen von Gewalt und Kriminalität zu verdeutlichen. „Click & Check“ will die Gefahr aufzeigen, die von den Neuen Medien ausgeht. 

„Wir betreiben aber keine Angstprävention, sondern Lebenskompetenzschulung“, betont Bargetz.

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