Die Kraft der Würde
„Würde – ein fast schon altmodischer Begriff und gleichzeitig ein kraftvoller Wegweiser für die Gestaltung einer gerechten und menschlichen Welt“, beschreibt Psychotherapeut Bertram Strolz das Thema des kommenden MyHope Kongresses. In zwei Kongresstagen richtet sich Ende Jänner 2025 der Fokus auf die Möglichkeiten, die das innere Messinstrument der Würde gibt.
Der Begriff „Würde“ hat eine lange und vielschichtige Geschichte, die bis in die Antike zurückreicht. Er leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort „wirde“ ab, das „Wert, Ansehen, Ehre, Ehrerbietung, Verehrung“ bedeutete. Die Geschichte der Menschenwürde als ethisches Konzept beginnt mit dem römischen Politiker und Philosophen Cicero. Er ist im ersten vorchristlichen Jahrhundert der erste Denker, der dem Menschen allein aufgrund seiner Vernunftbegabung eine besondere Stellung zuweist. Allerdings meint Cicero, man müsse sich seine Würde durch sittliche Lebensführung erst erwerben. Im frühen Judentum und Christentum entwickelte sich die Idee der Menschenwürde weiter: Der Gedanke der Gottebenbildlichkeit des Menschen trug zur Vorstellung einer fundamentalen Gleichheit aller Menschen bei. Mit der Fähigkeit zur Selbstbestimmung bringt später das Zeitalter der Aufklärung ein weiteres Kriterium ins Spiel: die Freiheit.
Menschenwürde bei Kant
Würde ist das, was „über allen Preis erhaben ist“. So formulierte es der Philosoph Immanuel Kant im 18. Jahrhundert. Um Würde kann man nicht feilschen. Menschen haben Würde. Immer. Ohne Voraussetzung. Auch wenn sie krank sind. Unabhängig davon, was sie tun oder welche Hautfarbe, Religion, Nationalität oder welches Geschlecht sie haben. Kant meint, dass sich der Mensch durch seine ihm eigene Moralität als würdig erweise.
Den Rahmen, in dem jeder Mensch in körperlicher und geistiger Unversehrtheit leben kann, schaffen dann im 20. Jahrhundert die Menschrechte. Die Entwicklung des Begriffs „Würde“ zeigt, wie sich das Verständnis von der Stellung des Menschen in der Gesellschaft und der Welt über die Jahrhunderte gewandelt hat, von einem statusbezogenen Konzept in der Antike zu einem universellen, unveräußerlichen Recht in der Moderne.
In Österreich ist der Begriff Menschenwürde im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben, allerdings nicht in der Verfassung. Hingegen heißt es im Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dies ist die Richtlinie des zwischenmenschlichen Zusammenlebens und soll in einer Zeit mit großen Unsicherheiten auch im Sinne des gesellschaftlichen Klimas zu Respekt, Solidarität und Mitmenschlichkeit auffordern.
Und doch, wird unsere Gesellschaft immer würdeloser; davon ist Psychotherapeut Bertram Strolz, Organisator des MyHope-Kongresses, überzeugt: „Der Grad der Würdelosigkeit steigt. Wir haben nicht nur eine Klimakrise in der Natur, wir haben auch eine Klimakrise in der Gesellschaft. In der Natur wird es heißer, in der Gesellschaft wird es kälter.“ Strolz macht es am Umgang miteinander fest; in einer erlaubten Beschämung. Sogar auf politischer Ebene. Die Kommunikation auf politischer Ebene sei fast schon wie eine Kompetenz, einzelne oder teilweise ganze Bevölkerungsgruppen zu beschämen. „Wenn Vorbilder, die im Endeffekt Würdeträger sein sollten, würdelos sind, dann wird es zur Erlaubnis. Das hat gravierende Auswirkungen“, sagt Strolz.
Fatal sei für den Psychotherapeuten - in Anbetracht der Flüchtlinge, der Migrationsgeschichte - ein spürbar bewusstes Wegschauen, wenn es um Menschrechte gehe: Man könne sie doch für eine gewisse Zeit aufheben, man könne doch einfach mal ein bisschen wegschauen. „Das ist der Weg von der Würdelosigkeit in eine Inhumanität.“
Würde und Scham
Von der Emotionsforschung sei bekannt, dass das Gefühl der Scham, die Emotion Scham die Würde reguliert. Werden wir beschämt, sind wir in unserer Würde verletzt.
Der Sozialwissenschaftler Stephan Marks spricht von der Scham als „Wächterin“ der Menschenwürde. Scham sei eine schmerzhafte, oft übersehene Emotion, die in jeder Arbeit mit Menschen akut werden kann. Unerkannte Schamgefühle können zum Beispiel zu Depression, Rückzug oder Sucht führen – oder in Zynismus, Trotz oder Aggression umschlagen. Die Journalistin und Krisenreporterin Petra Ramsauer beschäftigt die sexuelle Gewalt vor allem gegen Frauen, die erniedrigende Behandlung bis hin zu Folter von Gefangenen bis hin zu direkten Angriffen auf die eigentlich völkerrechtlich garantierten Schutzzonen für die Zivilbevölkerung. Die Vernichtung des Gegners, der Integrität des und der Anderen wird zur Waffe. Solche Angriffe auf die Würde haben nicht oder nicht nur die existenzielle Vernichtung der Gegner als Ziel, sondern die psychische Zerstörung. Auch Sprache kann die Würde verletzen. Politologin und Organisationsentwicklerin Sabine Juffinger begibt sich auf die Suche nach unserer Sprache und ihren Frames und möchte diese durch eine „würdige“ Sprache für uns alle ersetzen. Alle drei – Ramsauer, Juffinger und Marks – sprechen beim 2. MyHope-Kongress „Kraft der Würde“ am 24. und 25. Jänner 2025 in der Kulturbühne AmBach in Götzis.
Für Organisator Bertram Strolz besteht der Raum der Würde aus Anerkennung, aus Schutz, aus Zugehörigkeit und aus Integrität. „Und da sind wir wieder psychologisch bei den Grundbedürfnissen des Menschen. Die Würde hat damit einen hochgradig psychologischen Effekt, obwohl es im Endeffekt ein philosophischer Begriff ist. Daher ist es meine Intention, dies zu verbinden“. Die großen Begriffe der Menschheitsgeschichte, zu denen auch die Würde zählt, denen auch viel Leid innewohnt, sind für Strolz nicht nur psychisch, sondern auch gesellschaftlich eine Orientierungshilfe. „Über Würde nachzudenken ist für mich schon Orientierung. Das Nachdenken allein bringt Handlung, da das Denken darüber ein Gefühl erweckt, das dann wieder in eine Handlung und letztlich Haltung übergeht“, erklärt MyHope-Organisator Strolz das Ziel des Kongresses Ende Jänner 2025: Der Diskurs, das gemeinsame Gespräch über den Begriff Würde.
MyHope-Kongress
24. und 25. Jänner 2025, Kulturbühne AmBach, Götzis
Beleuchtung des Begriff Würde aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Workshops im Vorfeld mit Politikern aller parlamentarischen Fraktionen, Fachleuten und Journalisten, aber auch mit Jugendlichen.
www.my-hope.at
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