Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Die Welt der wunderbaren Amelie

März 2021

Wunderbar, so kann man die Ideen von Amelie Bröll aus Bregenz beschreiben. Wunderbar sind ihr Enthusiasmus, ihr Eifer, mit dem sie ihren Traum – ihr Backstuben-Café Wunderkind – vorantreibt. Wunderbar erscheint ihr Mut, mit dem sie in ihrem Leben schon so vieles gemeistert hat.

Denn es war nicht alles wunderbar, wie sie – nachdenklich zurückblickend – erzählt. Aber Amelie lebt im Jetzt. Und schwärmt von ihrer Backstube, die auch gleichzeitig Café sein wird, in der Reichsstraße 12 in Bregenz. Ein altes Haus, in dem schon ihre Urgroßeltern gelebt haben, wird behutsam und mit viel Liebe zum Detail in einen Treffpunkt verwandelt, der eine kleine Homebase sein soll für Menschen, die sich gerne unterhalten. Gerne auf einen Plausch treffen. Gerne unter Menschen sind.

Tauben und Gewächshaus statt Café

Dort, wo der Urgroßvater vor vielen Jahrzehnten Tauben züchtete, wo die Uroma ein kleines Gewächshaus ihr Eigen nannte, dort entsteht jetzt ein schöner Garten, durch den man lustwandelnd – zumindest ein bisschen– ins Café Wunderkind gelangt. Im Inneren erstrahlen die alten Dielenböden, behutsam abgeschliffen, in neuem Glanz. Die Wände verleihen dem großen Gastraum mit der Holztäfelung Wärme und Gemütlichkeit. Und sogar ins Allerheiligste, in die Backstube, dürfen wir einen Blick werfen: Modernste Maschinen bilden den Kontrast zur einladenden Stube. Und: Sie ist in Rosa gehalten. 
Auch das eine oder andere Möbelstück ist bereits im zukünftigen Café und harrt der Gäste. Darunter ein Nachbau eines echten Bregenzer Stuhls. Was das ist? Dieses Geheimnis lüften wir in einer der nächsten Ausgaben. Stolz blickt Amelie Bröll auf ihr Werk, das sie zusammen mit zahlreichen Helferlein gestaltet hat. Wir sitzen an einem improvisierten Tisch, auf zwei Holzstühlen, einen hat sie als Geschenk zu ihrem 30er erhalten, und lassen die letzten Jahre Revue passieren.

Lochau-Bregenz-Wien

Amelie, 31, stammt aus Lochau-Tannenbach. Sie ist in einem Mehrgenerationen-Haus mit einer Schwester, fünf Cousinen, Eltern, Tanten, Onkeln und Großeltern aufgewachsen. Daneben besaß die Familie besagtes Haus in Bregenz in der Reichsstraße, das einige Jahre leer stand. 
Amelie absolvierte an der HLW Marienberg in Bregenz ihre Matura. Die Liebe für Café und Gaststuben ist ihr in die Wiege gelegt: „Als ich gefragt wurde, warum ich das Marienberg besuche, antwortete ich: Weil ich einmal ein Café haben will.“ Der Vater ist in einem Gastbetrieb – im Dreiländerblick in Dornbirn – aufgewachsen. Sie selber hatte einen Stammplatz im legendären Cuba Café in Bregenz in der Bahnhofstraße, wo sie nach der Schule mehrmals in der Woche mit einem ihrer Lebensfreunde auf eine „Limo“ ging. Sagt sie. Und so setzte sich ihr Traum vom eigenen Café mehr und mehr in ihrem Kopf und – noch wichtiger – in ihrem Herzen fest. 
Nach der Matura zog es sie dann in die Bundeshauptstadt, ohne einen festen Plan zu haben: „Alle Freunde gingen nach Wien, um zu studieren. Also hab‘ ich das auch gemacht.“ Ihr erster Studienversuch: Publizistik. „War wohl nicht meins.“ Dann: „Jus.“ Bis die Erleuchtung kam: „Ich fragte mich nach einiger Zeit und mehreren Prüfungen, ob ich noch Energie in etwas stecken möchte, das mir als Beruf vielleicht keinen Spaß macht.“ Und noch etwas hatte sie in dieser Zeit begleitet: das Tortenbacken. „Es war eine tolle Ablenkung vom Lernen“, grinst sie. Und: „Wenn ich einen Kuchen gebacken habe, der nicht so toll war, konnte ich das Ganze noch einmal versuchen. Der zweite war dann schon deutlich besser.“ Und das habe sie fasziniert: Hier sah sie die Ergebnisse ihrer Bemühungen. „Beim Lernen war das anders: Ich hatte trotz der Prüfungen und der Anstrengungen nicht das Gefühl, ich komme weiter.“

Vom Lehrling zum Meister

Jetzt will sie es wissen: Amelie bewirbt sich in zahlreichen Konditoreien, um ihr Hobby zum Beruf zu machen. Nach zahlreichen Absagen dann ein positiver Bescheid: Sie kann ihre Lehrstelle im 23. Bezirk antreten. Eine kleine Weltreise zwar für eine, die im 18. Bezirk wohnt, aber sie nimmt sie auf sich. Den zweiten Teil ihrer Lehrzeit absolviert sie in der Österreichischen Nationalbank, wo sie in der hauseigenen Konditorei die schönsten Kunstwerke zu zaubern lernt. 
Um den im Februar beginnenden Meisterkurs zu besuchen, zieht sie die Lehrabschlussprüfung vor. Übrigens: In derselben Meisterklasse lernt Martina Homann-Dellantonio, heute Xocolat in der Bregenzer Kirchstraße. Aber das ist eine andere Geschichte.

Das Schicksal, ein mieser Verräter?

Nach bestandener Meisterprüfung schnuppert sie in einige Betriebe, immer ihr eigenes Café im Hinterkopf. Bis das Schicksal zuschlägt. Amelie erkrankt – gutartige Tumore, die entfernt werden müssen. 2017 ist sie auf „Heimaturlaub“ in Bregenz, die nächste böse Überraschung: Das Haus, die Heimstatt ihres Cafés, ist überflutet: 70.000 Liter Wasser haben das Innere verwüstet. Alle Pläne, die schon gemacht sind, zunichte. Für sie stellt sich die Frage: Take it or leave it?
„In einer schlaflosen Nacht kam ich zu dem Entschluss: Ich mach‘ es. Ich werde mir nicht selbst vorwerfen, es nicht versucht zu haben.“ Trotz aller gesundheitlichen Probleme und widriger Umstände findet sie in Daniel Mohr von Rhomberg Bau und ihrer Bauleiterin Sara Renner kongeniale Partner, die den Weg gemeinsam mit ihr gehen. „Es ist kaum ein Tag vergangen, an dem ich nicht auf der Baustelle war.“

Wunderkind – Ort zum Wohlfühlen

Ihr Wunsch: „Das Wunderkind soll ein Ort werden, wo sich Leute wohlfühlen, wo jeder kommen kann.“ Dasselbe gilt für die zukünftigen Mitarbeiter – fünf sind geplant: ein Arbeitsplatz zum Wohlfühlen und zum Entfalten.
Im Speisensortiment wird Abwechslung gefragt sein: Neben einer Getränkekarte wird es eine große schwarze Tafel geben, auf der die wechselnden Gerichte notiert sind. „Was die Saison hergibt.“ Wir freuen uns.

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