Peter Freiberger

Ein Mord in Hohenems: Der letzte Beweis fehlte

März 2016

Ein Mann wird in seinem Auto regelrecht liquidiert, es gibt einen dringend Tatverdächtigen, gegen den aber schließlich zu wenig Beweise für eine Anklage vorliegen. Der Mord an einem damals 34-jährigen türkischen Gastarbeiter im Juli 1999 in Hohenems ist offiziell noch ungeklärt – ein Cold Case.

Ein Spaziergänger machte am 13. Juli 1999 am frühen Nachmittag an der alten Lustenauer Straße bei Hohenems einen grausigen Fund. Er entdeckte in einem weißen VW Polo auf dem Fahrersitz einen von acht Schüssen durchsiebten Mann. Für ihn kam jede Hilfe zu spät.

Wie die Polizei feststellte, handelte es sich um den in Feldkirch wohnhaften Türken Mehmet A. Ein Raubmord konnte rasch ausgeschlossen werden, denn der Tote hatte seine Geldtasche mit einem namhaften Bargeldbetrag noch bei sich. „Die Kollegen gingen davon aus, dass das Opfer seinen Mörder kannte. Der Mann wurde mit einer Pistole durch die geöffnete Beifahrertür erschossen, er hatte keine Chance, sich zu wehren. Es handelte sich praktisch um eine Hinrichtung“, erzählt Chefinspektor Norbert Schwendinger vom Landeskriminalamt Vorarlberg. Der Fundort der Leiche stellte sich auch als der Tatort heraus. Zeugen mit konkreten Hinweisen waren Fehlanzeige.

Die letzten Stunden

Die Kriminalisten haben in der Folge versucht, die letzten Stunden des ermordeten Bauarbeiters zu rekonstruieren. Der eigentlich in Feldkirch wohnende A. war am Vorabend mit Renovierungstätigkeiten in einer Wohnung in Muntlix beschäftigt. Dorthin wollte er übersiedeln – gemeinsam mit seiner Frau und seiner damals zweijährigen Tochter. Die befanden sich zu dem Zeitpunkt freilich noch in der Türkei. Der 34-Jährige beabsichtigte, sie nach Vorarlberg holen, um seiner kranken Tochter eine erstklassige medizinische Betreuung zu ermöglichen.

Nach Beendigung der Arbeiten in der Muntlixer Wohnung fuhr A. nach Feldkirch, zog sich um, nahm sein Abendessen ein und fuhr wieder mit dem Auto fort. Was er für die folgenden Stunden plante, was er machte, konnten die Kriminalisten nicht mehr ermitteln. Wie die Gerichtsmediziner herausfanden, fiel er zwischen 21.00 Uhr und 00.15 Uhr in Hohenems seinem Mörder zum Opfer.

„Die Kollegen haben im Zuge der Ermittlungen das Umfeld von A. genauer untersucht“, erzählt Norbert Schwendinger. Das Opfer führte keinen übertriebenen Lebenswandel, war nicht als Spieler bekannt, eine Eifersuchtstat kam für die Beamten ebenfalls nicht infrage. Bei seinem Arbeitgeber galt er als verlässlicher, ruhiger, verschlossener Kollege. Ins Visier der Ermittler geriet bald ein Verwandter des Getöteten. Der damals 54-jährige türkische Staatsbürger, der in Altach wohnte und seinen Lebensunterhalt als Spinnereiarbeiter verdiente, hatte seinen jüngeren Verwandten ursprünglich aus der Türkei nach Vorarlberg geholt. Das Verhältnis der beiden war in der Folge aber nicht konfliktfrei, wie die Nachforschungen ergaben. Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen standen fast auf der Tagesordnung.

Spielsüchtigem Verwandten Geld geliehen

Als Hintergrund für die Differenzen entpuppte sich die Spielsucht des Älteren. Die verschlang viel mehr Geld, als sie dem 54-Jährigen brachte bzw. er als Spinnereiarbeiter verdienen konnte. A. half seinem Verwandten immer wieder mit Geld aus der Patsche. Am Ende waren, wie die Polizei herausfand, zwischen 50.000 und 70.000 Schilling „offen“ – im Jahr 1999 eine beträchtliche Summe.

„Das spätere Opfer benötigte nun allerdings Geld für die Renovierung der Wohnung in Muntlix“, erzählt Kriminalist Schwendinger. Deshalb verlangte das spätere Opfer die Rückzahlung des Betrags. Zeugen berichteten, dass er dem Verwandten in dem Zusammenhang Druck machte. Es kam häufig zu gröberen Auseinandersetzungen zwischen den beiden. „Wir vermuten, dass die zwei schließlich für den Abend des 12. Juli 1999 ein Treffen vereinbarten“, sagt Schwendinger. Dieses Treffen in Hohenems hat der 34-Jährige nicht überlebt.

Den Mann, der eine Beteiligung an der Tat stets leugnete, hat zusätzlich verdächtig gemacht, dass die Kriminalisten Spuren von ihm im und auf dem Auto sicherstellten. Da er jedoch früher schon nachweislich im Wagen des Opfers mitgefahren war, reichten die Spuren nicht als hieb- und stichfestes Beweismittel aus. „Die Kollegen haben bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen einen unbekannten Täter erstattet und sämtliche Verdachtsmomente gegen den Verdächtigen vorgelegt“, sagt Schwendinger. Die Beweislage für eine Anklage stellte sich allerdings als zu dünn heraus.

„Den Ermittlern standen damals nicht so ausgereifte technische Möglichkeiten zur Verfügung, um Beweise zu sichern, wie wir sie jetzt haben“, bedauert Schwendinger. Mit den heutigen Methoden hätte es der Verdächtige wohl deutlich schwerer gehabt, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Der hält sich übrigens nicht mehr in Vorarlberg auf. Er ist bald nach dem Mord in die Türkei zurückgekehrt.
Die Bluttat in Hohenems bleibt wohl für immer ein Cold Case. Alle anderen Morde seither konnten die Ermittler des Landeskriminalamts klären.

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