
Ein Überraschungsei in Grün–Weiß
Westderbys zwischen Austria Lustenau und Wacker Innsbruck – da kracht es so richtig. Allerdings taumelten beide Traditionsvereine im März in Richtung Westliga, wo die Fans Duelle wohl weniger prickelnd fänden. Der Austria gelang unter Neo-Trainer Lassaad Chabbi mit dem Sieg gegen Mattersburg mittlerweile der erste Schritt in Richtung Klassenerhalt.
In Lustenau bei der Austria verliefen die vergangenen Saisonen wenig nach dem Geschmack des Publikums und dem von Langzeitpräsident Hubert Nagel. Zuletzt war stets der Aufstieg in die Bundesliga als Ziel ausgegeben worden, jedes Mal ging das Vorhaben in die Hose. Doch nicht nur die eigenen sportlichen Misserfolge sorgen für tiefe Furchen auf der grün-weißen Stirn. Der Blick hinüber nach Altach und damit einen Stock höher in die Bundesliga verursacht zusätzlich depressive Katerstimmung.
Erinnerung mit Schmerzen
Besonders schmerzhaft in Erinnerung blieb die Meisterschaft 2012/13. Im Herbst hatte die Austria als überlegener Tabellenführer einen Fuß in der Bundesliga gehabt, im Frühjahr ging es postwendend und quasi im freien Fall nach unten. Es reichte zum Schluss nur mehr für Rang drei – zu allem Überdruss war sogar noch der SCR Altach vorbeigezogen. Ein Jahr später musste man von Platz zwei dem Aufsteiger gratulieren – pikanterweise dem Lokalrivalen Altach.
Immerhin – in Abstiegsgefahr befand sich die Austria nicht. Und dies stellt einen gravierenden Unterschied zur laufenden Meisterschaft dar, in der sich Grün-Weiß abermals ganz nach oben orientieren wollte. Tatsächlich kam das Team jedoch nie richtig in Schuss, Präsident Nagel stellte Trainer Helgi Kolvidsson quasi permanent infrage und zeigte mit der Ablöse zugunsten von Amateurtrainer Mladen Posavec im Oktober 2014 kein wirklich glückliches Händchen. Posavec musste nach dem blamablen 0:4 im Reichshofstadion Mitte März gegen Nachzügler Hartberg den Hut nehmen.
Stichwort Hut: Aus dem zauberte Präsident Nagel dann den gebürtigen Tunesier Lassaad Chabbi, der zuletzt als Co-Trainer in Katar arbeitete und zuvor bereits der Assistent von Erfolgscoach Edi Stöhr bei der Austria gewesen war. Der erhoffte Trainereffekt trat prompt ein: Tabellenführer Mattersburg wurde mit 3:1 aus dem Reichshofstadion geschossen.
Ein Kader für ganz oben
Selbst wenn der Abstieg wohl letztendlich kein Thema sein dürfte – nicht bloß für Präsident Nagel ist die Saison „in die Hose gegangen“. „Uns gelang kein guter Start, als Folge davon hinkten wir stets hinterher“, sucht Nagel nach einer Erklärung. An der Qualität des Teams sei es jedenfalls nicht gescheitert: „Mit dem aktuellen Kader halte ich einen Platz unter den ersten vier in der Liga für realistisch.“
Ein Blick über die Grenzen in die deutsche Bundesliga zeigt, dass auch andernorts Spitzenmannschaften völlig rätselhafte Leistungseinbrüche zeigen. Wer hätte es beispielsweise auch nur im (Alb-)Traum für möglich gehalten, dass Borussia Dortmund auf einem Abstiegsplatz überwintert? Nun, die grün-weißen Fans werden aus diesem Vergleich höchstens bescheidenen Trost ziehen.
Drei Trainer saßen in der laufenden Saison schon bei der Austria auf dem Chefsessel, der aktuell einem Schleudersitz gleicht. Helgi Kolvidsson musste im Oktober den Hut nehmen, Nachfolger Posavec im März. „Kolvidsson hatte sich abgenützt, zuletzt mussten wir einfach aufgrund der Tabellensituation reagieren“, rechtfertigt Nagel die beiden Ablösen. Als Trainerschreck sieht er sich dennoch nicht: „Ich habe in meiner Amtszeit seit 1997 zuvor erst einmal einen Trainer entlassen, wir sind der Verein in Österreich mit den wenigsten Trainerentlassungen.“
An Baustellen mangelt es bei der Austria jedenfalls nicht. Trainer, Tabellenplatz und – das Reichshofstadion. Vor der Saison hatte der Verein sogar um die Zulassung der Heimstätte für die Erste Liga zu kämpfen, die erst nach einigen Adaptierungen dauerhaft erfolgte.
Mehr Komfort im Stadion
„Für die Bundesliga benötigen wir unter anderem eine stärkere Flutlichtanlage“, sagt Nagel. „Und wir möchten natürlich auch – ligaunabhängig – das Komfortniveau für die Zuschauer erhöhen.“ Dazu seien jedoch Vorleistungen der Gemeinde Lustenau erforderlich. Sportlicher Rückenwind würde in dem Zusammenhang wohl einiges erleichtern. „Ich hoffe, dass für die kommende Saison mit Adaptierungen begonnen werden kann.“ An der Zuschauerkapazität von 8800 Plätzen soll sich nichts ändern.
Apropos Saison 2015/16: In der sollen natürlich nicht Tirol-Vorarlberg-Derbys in der Westliga die Höhepunkte bilden. Im Gegensatz zu den im freien Fall befindlichen Innsbruckern schaut es für die Austria wohl viel besser aus. „Es gilt zunächst, die Auswirkungen der heurigen Meisterschaft abzuwarten. Grundsätzlich will ich die Mannschaft für nächstes Jahr verjüngen, statt einen Generalangriff nach oben zu starten“, kündigt Nagel an. „Mit den entsprechenden Sponsoren im Rücken könnten wir dann ein Jahr später wieder den Aufstieg in die Bundesliga anvisieren.“ Neo-Trainer Lassaad Chabbi, der einen Vertrag bis Sommer 2015 besitzt, soll längerfristig das sportliche Sagen haben.
Die oberste heimische Spielklasse bleibt also weiter das erklärte Ziel der Austria. Und selbstverständlich möchten die Lustenauer ihre Position als Nummer eins im Ländle zurückerobern. „Altach verfügt zurzeit über die besseren Möglichkeiten“, meint der Präsident der Grün-Weißen. „Sie liegen klar vor uns.“ Die Situation habe jedoch schon einmal umgekehrt ausgeschaut. „Nichts ist gottgegeben“, schickt Nagel eine Kampfansage an den derzeitigen Vorarlberger Branchenprimus Altach.
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