Eine Partei und ihre Sturmabteilung
Ein Foto in der Bilddatenbank der Vorarlberger Landesbibliothek zeigt Mitglieder einer paramilitärischen Parteiorganisation, welche ganz wesentlich zum Aufstieg des Nationalsozialismus beitrug.
Die Partei dankte ihrer Sturmabteilung (SA) dieses Engagement wenig. In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1934 wurden auf Befehl Adolf Hitlers in NS-Deutschland zumindest 50 SA-Männer, unter anderem ihr Stabschef Ernst Röhm, ermordet. Bereits am 1. Juli kursierte in Bregenz ein Flugblatt, in welchem Hitler als Verräter an der NS-Bewegung bezeichnet und damit gedroht wurde, die dortige SA werde ihre Gegner in der NSDAP „vertilgen, bevor sie uns auch hier in Österreich das Schicksal unserer Brüder im Reich bereiten“. Tatsächlich geschah das Gegenteil und es erfüllte sich, was einer der Gründer der Feldkircher SA Anfang Juli 1934 seiner Frau in einem Brief vertraulich mitteilte.
Das Ende des nationalen Sozialismus
Erwin Hefel, 1938-1943 NS-Bürgermeister der Montfortstadt, äußerte darin: „Wie der Führer die Sachlage meisterte und die Rebellen ohne Rücksicht auf Rang und Stand aburteilte, wird ihm auch beim Gegner Achtung einbringen.“ Mit der Ermordung der zentralen SA-Funktionäre und nationaler Gegner wie seines Vorgängers als Reichskanzler Kurt von Schleicher beseitigte Hitler den letzten nationalistischen Widerstand gegen ihn und etablierte die SS in Partei und Staat als wesentlichstes Machtinstrument.
Während die SA realiter von einer nationalen und sozialen Revolution träumte und bereit war, dafür kapitalistische Strukturen zugunsten des sprichwörtlichen kleinen Mannes zu verändern, vertraten Hitler und die SS die Interessen des Großkapitals und lehnten gesellschaftspolitische Reformen zugunsten des sogenannten Volkes ab. Ein solches unterschiedliches Verständnis von Politik zeigt auch die Geschichte der Vorarlberger SA.
Die Vorarlberger SA 1925-1934
Ihr direkter Vorläufer war der sogenannte Landesverein Vorarlberg des Vaterländischen Schutzbundes. Er wurde vom Bregenzer Bundesbahninspektor Franz Sumetinger 1925 in der Vorarlberger Landeshauptstadt gegründet. Seine Aufgaben waren unter anderem die Abwehr eines Putsches (sic!) und der Veranstaltungsschutz zum Beispiel bei Versammlungen des NS-Vereins für Österreich. Diesen hatte Sumetinger Anfang der 1920er Jahre in Vorarlberg mitbegründet und ihn bis 1930 in Konkurrenz zur NSDAP von Adolf Hitler geführt. In diesem Jahr übernahm Anton Plankensteiner die NSDAP und Eugen Kölbl die SA. Beide waren Turner aus Dornbirn. Die beiden führten Sumetingers zwei NS-Organisationen in die Hitlerbewegung über und bauten sie auf deren Netzwerk auf.
Der großteils aus den sogenannten Wehrzügen Vorarlberger Turnvereine rekrutierten SA kam in der Hitlerschen NS-Bewegung die Propaganda auf der Straße zu. Ihre Mitglieder waren die sichtbarsten Aktivisten der NSDAP. Das illustriert etwa das Foto zu diesem Beitrag. Es zeigt fünf Männer, unter anderem Erwin Hefel, mit zwei Fahrrädern in der Uniform der SA bei einer NS-Propagandafahrt für die Landtagswahlen am 6. November 1932 im Walgau. Neben solchen „Landpartien“ wurde die SA auch bei sogenannten Ordnungsdiensten bei öffentlichen Veranstaltungen der NSDAP eingesetzt.
Ein solcher Saalschutz war bei politischen Veranstaltungen in der Zwischenkriegszeit die Regel. Denn zur üblichen Dramaturgie bei solchen „Redeabenden“ zählte der Vortrag eines Parteireferenten und die Gegenrede dazu aus dem Publikum. Lautes Gejohle und die sprichwörtlich handfesten Argumente waren Teile solcher politischer Werbeveranstaltungen. Am 7. August 1932 setzte die NSDAP zum Beispiel die SA bei einer Wahlveranstaltung in Bürs ein, um Kommunisten zu vertreiben, welche den NS-Abend durch „Hoch Moskau!“-Rufe störten.
Verbot, Illegalität, Putsch
Vom Verbot der NSDAP am 19. Juni 1933 waren auch ihre Parteigliederungen SA und SS betroffen. Die überzeugten Mitglieder der SA kümmerte das wenig. Gemeinsam mit der SS war sie für das Gros der illegalen strafrechtlich relevanten Propaganda-Aktionen der NSDAP in Vorarlberg zwischen 1933 und 1934 verantwortlich. Dazu zählten Sprengstoffanschläge auf die Infrastruktur des Landes und gegen Häuser von politischen Gegnern; Entführungen von NS-Abweichlern etwa aus Bregenz nach Lindau; bewaffnete Auseinandersetzungen mit der österreichischen Exekutive an der deutsch-österreichischen Grenze; Sprengstoffschmuggel von NS-Deutschland über Liechtenstein oder die Schweiz nach Vorarlberg; und ungezählte Sachbeschädigungen öffentlichen und privaten Eigentums.
Am Putsch gegen den österreichischen Staat Ende Juli 1934, bei dem der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordet wurde, nahmen wenige bis keine SA-Einheiten teil. Er wurde im Wesentlichen von der SS ausgeführt. Nach der Ermordung von rund vier Dutzend SA-Männern auf Befehl Hitlers vier Wochen zuvor hatte der Bregenzer SA-Sturmleiter seinen Männern „bis auf Widerruf die Einstellung jeder aktiven Tätigkeit“ befohlen. Ihrer Treue zu und ihrer Verehrung für Adolf Hitler, das zeigt das Zitat von Erwin Hefel zu Beginn dieses Artikels, tat jedoch weder ein solcher Befehl noch das Scheitern des NS-Staatsstreiches im Juli 1934 einen Abbruch. Im März 1938 war es neben anderen auch Erwin Hefel, der in Feldkirch die Machtübertragung vom sogenannten christlich-deutschen Ständestaat an die NS-Diktatur mit seinem dortigen SA-Sturm orchestrierte.
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