Es war die beste Entscheidung meines Lebens, die Koffer zu packen und ins Flugzeug zu steigen
Seit 2005 leitet die in Götzis aufgewachsene Bettina Prendergast das ORF-Büro in London. Was sie an der britischen Metropole fasziniert, warum sie aber trotzdem auf dem Land lebt, mit welchen Herausforderungen sie als Auslandskorrespondentin konfrontiert ist und was das mit Überwachungskameras zu tun hat, berichtet sie hier.
Die journalistische Laufbahn von Bettina Prendergast hat in der Jugendredaktion einer Zeitung begonnen. Ab 1997 arbeitete sie als freie Mitarbeiterin im ORF-Landestudio Vorarlberg, bevor sie 2001 ins Landesstudio Wien wechselte und zwischen 2003 und 2005 für den Liechtensteinischen Rundfunkt tätig war. 2005 zog sie aus privaten Gründen nach London: „Ich wollte schon immer nach Großbritannien, der tiefschwarze britische Humor hat es mir angetan. Ende der 1990er-Jahre erfolgte die Großbritannien-Berichterstattung des ORF nur sporadisch durch reisende Korrespondenten, mit meinem Umzug war das die Gelegenheit für mich, meine Dienste als freie Journalistin anzubieten.“ Was unorthodox klingt, gelang: „Es war vermutlich die beste Entscheidung meines Lebens, die Koffer zu packen und ins Flugzeug zu steigen“, erinnert sich Prendergast zurück. Das erste Jahr in London war für die Götznerin trotzdem eine Herausforderung: „Der ORF hatte nur einen Schreibtisch bei einem britischen Privatsender gemietet, ich hatte keinen Drucker, einen uralten Computer und einen klapprigen Bürostuhl.“ Sie fing an, Kameraleute und Cutter für die Gestaltung ihrer Beiträge zu organisieren, und knüpfte Kontakte, um potenzielle Interviewpartner kennenzulernen.
Mittlerweile sind zwölf Jahre vergangen und es hat sich viel getan: „Wir haben eigene Räumlichkeiten, alle Dreharbeiten werden über eine externe britische Produktionsfirma abgewickelt und wir sind technisch auf dem neuesten Stand, was die Arbeit um einiges leichter macht.“ Aber auch das Land selbst hat sich gewandelt: „Großbritannien - mit Ausnahme von Schottland - ist fest in konservativer Hand, die Labour-Partei, die einst unter Tony Blair extrem erfolgreich war, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst und hat keine Chance, die nächste Regierung zu stellen. Die Preise sind gestiegen, vor allem bei den Immobilien. Auch die Zuwanderung ist in die Höhe geschossen. Spitäler, Schulen und Kindergärten bekommen das besonders zu spüren, sie haben mehr Leute zu versorgen und weniger Geld, weil seit der Finanzkrise im öffentlichen Bereich massiv gespart wird. Mehr als eine Million Menschen sind auf gespendete Lebensmittel angewiesen und ein Drittel aller Kinder wachsen in Haushalten auf, die unter der Armutsgrenze leben. Gleichzeitig gibt es Rekordbeschäftigung, nur können viele Menschen nicht von ihrem Lohn leben, weil er zu niedrig ist.“
Zusätzlich angetrieben werden diese Entwicklungen durch das Votum für den Brexit und die Neuwahlen am 8. Juni. Mit ihrem kleinen Team an Freiberuflern deckt Bettina Prendergast die umfangreiche Großbritannien-Berichterstattung für den ORF ab: „Ich stehe mit allen Tageszeitungen auf und gehe mit den Mitternachtsausgaben ins Bett. Das muss sein, sonst hat man keinen Überblick, was im Land passiert. Mir ist wichtig, täglich qualitativ hochwertigen, unabhängigen, ausgewogenen Journalismus mit großem Engagement zu liefern.“ So produziert sie am Vormittag meist Radiogeschichten für das Ö1-Mittagsjournal oder die Ö3-Nachrichten, dreht dann im Zentrum von London Interviews und macht Schnittbilder, bevor sie ihre Beiträge für die ZiB finalisiert: „In zwölf Jahren habe ich noch nie einen Beitrag zu spät abgeliefert. Dafür muss ich auch mein Team loben, das wirklich erstklassige Arbeit leistet.“ Dazu muss Prendergast als Vertreterin eines vergleichsweise kleinen Senders aber oft improvisieren: „Ich spiele mit Vorliebe das Spiel ‚Überwachungskamera austricksen’. In London wird man auf Schritt und Tritt überwacht. Das ist sehr lästig, denn die Überwachungskameras lösen einen stillen Alarm aus, wenn man auf Privatgrund steht und filmt. Oft haben wir nicht die Zeit, eine Drehgenehmigung zu beantragen, wenn wir nur 20 Sekunden für die ZiB filmen wollen. Also gilt es, sehr schnell zu sein, wenn der Wachmann gerade wegschaut – gut, dass mein Kameramann dieses Spiel seit zehn Jahren mit mir höchst erfolgreich spielt“, lacht die passionierte Journalistin.
Nicht nur deshalb spielt sich das Privatleben von Bettina Prendergast außerhalb von London ab: „Ich will, dass meine Kinder im Grünen aufwachsen und wissen, wie ein Henne oder ein Schaf aussieht. Das bedeutet für mich, dass ich morgens eine Stunde nach London ins Büro pendle und am Abend wieder retour – oder auch öfters von zu Hause aus arbeite.“ Ihre Kinder wachsen zweisprachig auf, das gelingt auch, weil die Familie jedes Jahr von einem Au-pair aus Vorarlberg bei der Betreuung des sechsjährigen Sohns und der zweijährigen Tochter unterstützt wird. „Mir ist wichtig, dass unsere Kinder den Vorarlberger Dialekt lernen.“ Daneben reist Familie Prendergast auch oft nach Vorarlberg, damit die Großeltern ihre Enkel sehen und Kontakte gepflegt werden: „Freundschaften sind fürs Leben man sollte sie nicht einschlafen lassen, nur weil man im Ausland lebt.“
Lebenslauf
Am 8. September 1975 wurde Bettina Prendergast (geb. Madlener) in Hohenems geboren. Sie ist in Götzis aufgewachsen und hat die Handelsakademie in Bregenz absolviert. Nach beruflichen Stationen im ORF Vorarlberg und Wien ging sie im Jahr 2005 nach London. Seit zwölf Jahren lebt sie nun in Großbritannien und arbeitet dort als Korrespondentin für den ORF. Mit ihrem Mann, ihrem sechsjährigen Sohn und ihrer zweijährigen Tochter lebt sie außerhalb von London.
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