
„Gast“-Freunde auf Augenhöhe
Der Tourismus in Vorarlberg hat sich aufgemacht, seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und auf die eigene Vorarlberger Art zu gestalten. Tourismusstrategie 2020 nennt sich das Vorhaben. Ambitioniert ist es, irgendwie fast schon revolutionär.
Qualitätstourismus braucht – selbst im Urlaubsparadies Vorarlberg – einen lebendigen und immer wiederkehrenden Nachdenkprozess. Das Ausruhen auf den Lorbeeren der Vergangenheit hat eine selbstzerstörerische Komponente, denn der Wettbewerb ist hart. Tourismusregionen auf der ganzen Welt rüsten permanent auf, investieren Millionen. Da läuft man schnell Gefahr, aus den Köpfen potenzieller Kunden zu entschwinden.
Neue Ideen im Vorarlberger Tourismus nehmen darauf Rücksicht und wurden mit dem Ziel entwickelt, die Wettbewerbsfähigkeit des Vorarlberger Tourismus auf lange Sicht abzusichern.
Es ist der Wunsch nach Einzigartigkeit, der das Team der Sparte Tourismus rund um Tourismusinnovator Hans-Peter Metzler antreibt, neue Wege zu gehen. Dabei scheut sich die Sparte nicht, kräftig umzurühren, alte Systeme aufzubrechen, Überholtes abzulegen und moderne Konzepte, etwa für das touristische Bildungssystem, den Verantwortlichen in Land und Bund mit hoher Dringlichkeit auf den Tisch zu legen, denn das Thema Fachkräftemangel hat längst auch den heimischen Tourismus erreicht. Während die Regierung in einer Bildungsstarre verharrt, heißt es in Vorarlberg: jetzt handeln, mit Überzeugung und im Schulterschluss. Klar ist: Um die Erwartungen unserer Gäste auch in Zukunft bestmöglich zu erfüllen, braucht es als Visitenkarte hochqualifiziertes Personal – junge Menschen, die unser Land bestmöglich repräsentieren, sprich Gastfreunde, die mit ihrer Persönlichkeit überzeugen.
Bei der Konzeption des neuen Ausbildungsmodells blieb nichts dem Zufall überlassen. Gemeinsam mit den Direktoren der Landesberufsschule für das Gastgewerbe sowie der Vorarlberger Hotelfachschulen, mit Bildungsexperten, Pädagogen, Psychologen, Fachlehrern, Jugendlichen und vielen mehr wurde in Denkwerkstätten akribisch daran gefeilt. Bei der Eruierung der Mankos und Schwachstellen kam etwa zutage, wie sehr die Lehre im engen Korsett des Berufsausbildungsgesetzes steckt. Auch wurde sichtbar, wie wenig zeitgemäß sich das Verhältnis von Praxis und Theorie entpuppt. Neue Grundsätze mussten also her.
Modularität ist ein Schlüsselwort für die künftig flexiblere Ausbildung des Tourismusnachwuchses. Neben den Pflichtmodulen sollen frei wählbare Einheiten die Möglichkeit eröffnen, individuelle Stärken entsprechend zu vertiefen. Und das nicht nur in Schule und Betrieb, sondern in weiteren dezentralen Bildungsstandorten. Sennereien, Bauernhöfe, Alpbetriebe, Weingüter oder etwa Metzgereien werden dann zu Orten eines erkenntnis- und erfahrungsorientierten Lernens – Horizonterweiterung auf Vorarlberger Art.
Ein zusätzliches viertes Ausbildungsjahr soll die bisher dreijährige Fachkräfteausbildung ergänzen. Vorgesehen ist es als Orientierungsjahr, in dem professionelle Bildungscoaches mit den Jugendlichen und deren Eltern zusammenarbeiten, mit der klaren Zielsetzung, individuelle Bildungspfade zu kreieren – besonders auch über internationale Lernerlebnisse. Dem Gast auf Augenhöhe zu begegnen, steht im Vordergrund einer Persönlichkeitsbildung und der Entwicklung von sozialen und emotionalen Kompetenzen. Und dann ist da noch die mutige Idee zu einer neuen Privatschule. Innovationen sollen schließlich auch räumlich Einzug halten. Bezau und Bludenz, die beiden bereits bestehenden Schulstandorte mit einer dreijährigen touristischen Ausbildung, sollen adaptiert und durch einen Schulneubau im Unterland ergänzt werden. Die Verhandlungen laufen, nachdem die Politik grünes Licht signalisiert hat. Das Interesse, Schulstandort sein zu dürfen, ist jedenfalls groß.
Über all dem soll eine „Bildungssteuerung“ als Schulträger wachen – zur Qualitätssicherung, zur Kontrolle und auch zur Selbstreflexion. Es sind höchst innovative Ansätze, professionell und hochmodern, die da vorliegen. Das müssen sie auch sein, will man dem Vorsatz, Nr. 1 zu werden, ein Stück näher rücken.
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