
„Hochzeitsrallyes“ wider jede Vernunft
Weit überhöhte Geschwindigkeit im Ortsgebiet, Missachtung roter Ampeln, Blockade der Gegenfahrbahn trotz Gegenverkehrs sowie von Kreuzungen, riskante Überholmanöver – nicht selten arten Autokonvois im Rahmen von türkischen oder tschetschenischen Hochzeiten in Vorarlberg auf diese Weise aus. Tragisch: Bei einem schweren Unfall kürzlich in Bregenz verlor eine unbeteiligte Fußgängerin ein Bein.
Der Crash stellte den bisherigen negativen Höhepunkt der illegalen „Hochzeitsrallyes“ dar, die sich ganz offensichtlich zu einem Sicherheitsproblem auf den Vorarlberger Straßen entwickelt haben. Sie bilden bei manchen dieser Hochzeiten die negative Begleitmusik.
Hochzeitskonvois, die die Verkehrssicherheit massiv gefährden, sind freilich kein spezifisches Problem für Vorarlberg. Auch im benachbarten Deutschland haben sich in dem Zusammenhang haarsträubende Vorfälle ereignet, die noch eine zusätzliche Eskalationsstufe beinhalteten. So sperrten beispielsweise im nahen Friedrichshafen Teilnehmer einer türkischen Hochzeitsfeier eigenmächtig Straßen und feuerten mit einer Schusswaffe mehrfach in die Luft. In Kempten fielen ebenfalls Schüsse – High Noon auf den Straßen zur Vermählung. Von solchen Exzessen blieb Vorarlberg – zumindest vorerst – zum Glück verschont.
Problematik seit einigen Jahren
„Die Problematik hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren entwickelt“, weiß Oberstleutnant Peter Rüscher, stellvertretender Leiter der Landesverkehrsabteilung der Vorarlberger Polizei. Immer wieder würden Zeugen entsprechende Vorkommnisse der Polizei melden.
Feldkirch, Dornbirn, Bregenz, Hohenems – diese Städte stellen im negativen Sinn die „Hot Spots“ für Hochzeitskonvois dar, die außer Rand und Band geraten. Die gültigen Verkehrsregeln und die Verkehrssicherheit spielen dann oft keine Rolle mehr auf der Fahrt zum Hochzeitsfest. Deutlich sichtbare Spuren qualmender Reifen auf den Straßen bleiben als stumme Zeugen der Unvernunft zurück.
Hochzeitskonvoi ist natürlich nicht gleich Hochzeitskonvoi. „Es passiert nicht bei jeder Hochzeit ein Eklat“, sagt Peter Rüscher. Und er verweist auf den Umstand, dass bei Vorfällen wohl nicht immer die Hochzeitsgäste selbst für solche Zwischenfälle verantwortlich zeichnen. „Vermutlich gibt es auch Außenstehende, die sich eigenmächtig an solche Konvois anhängen, die Bühne missbrauchen und für gefährliche Situationen sorgen.“
In Tschetschenien herrscht jedenfalls der Brauch, mit Autos dem Fahrzeug der Braut zu folgen. Derjenige, der am nächsten am Brautauto dranbleibt, genießt innerhalb der Gruppe das höchste Ansehen. Besonders krass: Man nimmt Unfälle bewusst in Kauf. Diese zweifelhafte und gefährliche Tradition hat auf Vorarlberg übergegriffen. Die beiden schwer verletzten Frauen von Bregenz sind die bisher am ärgsten Leidtragenden.
Gekracht hat es im Zug einer tschetschenischen „Hochzeitsrallye“ bereits im Vorjahr zwischen Wolfurt und Bregenz. Damals blieb es zum Glück bei Blechschaden. Dieses Glück stand der Fußgängerin, die ein Bein verlor, leider nicht zur Seite. Und einige Unfälle mit Blechschaden gelangen wohl nicht an die Öffentlichkeit.
Wie brennend das Thema ist, zeigte sich deutlich bei der Recherche dieses Beitrags. Während des Gesprächs mit Rüscher traf eine Meldung eines ganz aktuellen Zwischenfalls ein. Zeugen hatten die Polizei informiert, dass Teilnehmer eines Konvois auf der Überführung der A 14 bei Koblach Kreise drehten. Die Exekutive rückte sofort aus, konnte aber lediglich noch Reifenabriebspuren feststellen.
Rheintalautobahn blockiert
Stichwort Autobahn: Nicht allein im Ortsgebiet oder auf Landesstraßen kam es bisher zu Vorfällen. Hochzeitskonvois haben durch langsames Fahren auch schon beide Spuren der Rheintalautobahn blockiert. „Bei Überschreitungen gehen wir konsequent vor“, betont Peter Rüscher. Ob das Einschreiten von Erfolg gekrönt ist und solche Wahnsinnsfahrten rechtzeitig gestoppt werden können, hängt jedoch in erster Linie davon ab, wie rasch Zeugen die Exekutive alarmieren. „Nicht zögern, sofort den Notruf wählen!“, rät der Verkehrspolizist.
Anrufe und Anzeigen gibt es jedenfalls häufig. Wenn die Exekutive zu spät kommt, heißt das freilich nicht, dass die Raser und Drängler Glück hatten und ungeschoren bleiben. Videoaufnahmen von Kreuzungsbereichen helfen, solche Verkehrsrowdys zu entlarven.
Zumindest eine positive Entwicklung sieht Rüscher in den vergangenen Monaten. „Es haben sich in letzter Zeit immer wieder Hochzeitsteilnehmer gemeldet, um Konvois anzukündigen“, sagt er. „Wir kontrollieren diese Fahrten dann, sie verlaufen ohne Zwischenfälle.“
Bei groben Verstößen hat die Behörde die Möglichkeit, Führerscheine zu entziehen. Im großen Stil wie in Deutschland geschah dies allerdings noch nicht. Dort hat nämlich im Vorjahr die Bremer Polizei extrem hart durchgegriffen und auf einen Schlag 25 Führerscheine „einkassiert“ – eine türkische Hochzeitsgesellschaft war im Schneckentempo auf der Autobahn unterwegs gewesen.
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