Sabine Barbisch

„Ich könnte mir nur noch schwer vorstellen, woanders zu leben“

November 2019

Matthias Bulla lebt mit seiner Familie in Greensboro, im Südosten der USA. Schon als Jugendlicher träumte er vom Leben im Ausland: „Ich weiß noch, dass ich es kaum erwarten konnte, meine Lehre abzuschließen, um die große, weite Welt zu entdecken.“ Was er seitdem erlebt hat, erzählt er in „Thema Vorarlberg“.

In Kernersville, North Carolina, liegt die Zentrale von Grass America. Der Produktionsbetrieb mit rund 240 Mitarbeitern ist spezialisiert auf die Herstellung von Führungen und Scharniersystemen für den amerikanischen Küchenmarkt. Geführt wird Grass America seit März 2014 vom Vorarlberger Matthias Bulla und einem weiteren Geschäftsführer. Sein Schwerpunkt liegt in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Key Account Management. Und er ist der Ansprechpartner für Einkaufsverhandlungen mit strategisch wichtigen Lieferanten. „Da unser Unternehmen eine noch überschaubare Größe hat und wir ein kleines, agiles und gutes Management-Team haben, werden alle wichtigen Entscheidungen schnell und letztendlich im Vier-Augen-Prinzip – zwischen meinem Kollegen und mir – getroffen“, erklärt Bulla. Neben seinen Management-Aufgaben im Büro ist er viel auf Reisen: „Ich bin etwa 30 Prozent des Jahres quer durch die USA unterwegs und besuche bestehende Kunden oder potenzielle Neukunden.“ An seiner Tätigkeit macht ihm Freude, Entscheidungen zu treffen und Neues zu versuchen.
Neben der beruflich bedingten Reisetätigkeit ist der 44-Jährige auch gerne mit seiner Frau und seiner Tochter unterwegs. Einen Teil dazu trägt die international geprägte „Familie Bulla“ bei: „Meine Frau Natascha wurde in Venezuela geboren und ist Englisch- und Spanisch-Lehrerin. Sie hat aber auch italienische Wurzeln und daher eine amerikanisch-italienische Doppelstaatsbürgerschaft, wie unsere Tochter Elisa.“ Er selbst ist amerikanisch-österreichischer Doppelstaatsbürger. „Meine Eltern und Geschwister, zwei Brüder und eine Schwester, leben mit ihren Familien in Vorarlberg und Wien. Die Familie meiner Frau lebt in Boston und ihre Eltern in Caracas – das macht ein gemeinsames Zusammentreffen manchmal zu einer echten organisatorischen Herausforderung“, schmunzelt Bulla. Bei regelmäßigen Meetings beim Mutterunternehmen Würth in Künzelsau oder bei Grass in der Zentrale in Höchst sieht er auch seine Familie in Vorarlberg mindestens drei Mal im Jahr, und über „regelmäßigen internationalen Besuch“ könne er auch in den USA nicht klagen.
Matthias Bulla und seine Familie leben in einem kleinen Haus in Greensboro. Wenn Zeit Zuhause in der drittgrößten Stadt in North Carolina bleibt, pflegt die Familie einen großen Freundeskreis: „Es ist eine sehr internationale Gruppe, da gibt es fast immer einen Grund zu feiern oder sich zu treffen.“ Wie sehr viele amerikanische Städte hat Greensboro ein schönes Zentrum. Durch niedrige Grundstückspreise ist die Stadt in die Breite gewachsen: „Greensboro ist eine typische Stadt in den Südstaaten der USA und sehr ruhig. Durch die moderaten Lebenskosten und Grundstückspreise wächst die Stadt sehr schnell und ist dadurch eine sehr attraktive Gegend für Unternehmen. So ist Greensboro in einer sehr positiven und konstanten Veränderung. Außerdem sind die Amerikaner sehr offen und freundlich, das zeigt sich auch in der Geschäftswelt. Ich könnte mir nur noch schwer vorstellen, wo anders zu leben“, sagt Bulla. 

Jugendlicher mit Fernweh 

Und der 44-Jährige hat in diesem Zusammenhang schon viel Erfahrung gesammelt: Geboren ist er in Feldkirch, aufgewachsen in Wolfurt und Bregenz. „Die Begeisterung für das Segeln und das Wasser ist mir bis heute geblieben. Ich hatte eine tolle Kindheit und Jugend und habe schöne Erinnerungen an diese Zeit.“ Aber schon damals keimte in ihm der Wunsch auf, im Ausland zu leben: „Ich weiß noch, dass ich es kaum erwarten konnte, meine Lehre als Maschinenbauer bei Grass abzuschließen, um die große, weite Welt zu entdecken.“ Das Fernweh ging so weit, dass er die Ausbildung am liebsten abgebrochen hätte; seinen Eltern ist er deshalb heute noch dankbar, dass das keine Option war. Danach hielt es Bulla allerdings nicht mehr in Vorarlberg: „Da meine Englischkenntnisse sehr schlecht waren, habe ich mich in San Diego für einen Englisch-Intensivkurs eingeschrieben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich in Zürich am Flughafen gestanden bin: Die Knie zitternd, mit einem Flugticket in der Hand, auf dem Weg nach San Diego, für vier Monate.“ Doch die Zeit war großartig, er lernte Menschen aus aller Welt kennen – „und noch heute ist San Diego eine der schönsten Städte in den USA für mich.“ 
Als er von San Diego nach Bregenz zurückkehrte, war sein Drang hinaus in die große, weite Welt nur gestärkt: „Ich habe damals Hunderte Bewerbungen an Unternehmen versendet und mich für eine Auslandstätigkeit beworben.“ Da er sehr jung war und beruflich keine Erfahrung vorzuweisen hatte, blieb das vorerst ein erfolgloses Unterfangen. Nach einem halben Jahr tat sich eine Chance auf: Die damalige Alfit AG bot Matthias Bulla 1996 eine Stelle in Malaysia an: „Es war mir damals eigentlich egal wohin, ich wollte einfach nur wieder ins Ausland und habe die Stelle bekommen!“ 1998 kam er als Produktmanager für Key Accounts bei der neu firmierten Mepla-Alfit Inc. nach High Point. Dort begann seine Karriere in den USA. Mit einem kurzen Intermezzo: „Als Mepla-Alfit mit Grass fusioniert hat, habe ich 2007 mit meiner Frau den Schritt gewagt, und wir sind nach Vorarlberg zurückgekehrt. Es hat sich aber sehr schnell herausgestellt, dass wir für das Leben im Ländle nicht mehr geschaffen waren. Ich konnte mich in diese Welt nicht mehr einordnen, und wir haben bereits nach eineinhalb Jahren die Zelte in Vorarlberg wieder abgebrochen und sind in die USA zurückgekehrt.“ Obwohl er seine Eltern und Familie, den Bodensee, die Berge und die Landschaft Vorarlbergs vermisst, hat er diese Entscheidung nie bereut.

Lebenslauf

Matthias Bulla wurde am 11. Dezember 1975 in Feldkirch geboren und ist mit einer Schwester und zwei Brüdern in Wolfurt und Bregenz aufgewachsen. Seine Lehre zum Maschinenbauer hat er bei Grass in Höchst absolviert, ein Sprachaufenthalt im kalifornischen San Diego folgte. Zwischen 1996 und 1998 war Bulla Projektleiter von Alfit in Malaysia, die folgenden Jahre arbeitete er als Produkt- und Marketingmanager für Mepla-Alfit in High Point, USA. Eine Zeit bei Grass in Vorarlberg folgte, bevor er wieder nach Amerika ging und von 2008 bis 2014 den Vertrieb und das Marketing für Grass America verantwortete. Seit März führt Matthias Bulla zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer Grass America. Mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter lebt er in Greensboro, North Carolina. 

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