Sabine Barbisch

Im Bann Tokios

Juni 2022

Das Interesse für Kunst, Design und Architektur, das Bewusstsein für soziale Themen und ein Faible für Ostasien – als Dokumentarfotografin und -filmemacherin kann Sybilla Patrizia zahlreiche ihrer Leidenschaften verbinden. Sie lebt und arbeitet seit sechs Jahren in Tokio, jener Millionenmetropole, die sie seit ihrer Kindheit in den Bann gezogen hat.

Mein Kindheitstraum war tatsächlich schon immer in Japan zu leben und viele meiner Freunde und Verwandten aus Vor­arlberg können sich noch daran erinnern, dass ich von Klein an ein Faible für Ostasien, speziell Japan, hatte“, antwortet Sybilla Patrizia auf die Frage, ob ihr Kindheitstraum ihrem heutigen Leben nahekommt. Nach ihrem Fotografie-Studium in London war für die junge Frau jedenfalls schnell klar, dass sie ihren Traum verwirklichen möchte. Dank eines Stipendiums der japanischen Regierung eröffnete sich für Sybilla Patrizia 2016 die Chance nach Tokio zu ziehen: „Der Wunsch ins Ausland zu gehen liegt bei mir in der Familie, meine Eltern haben uns auf viele Reisen in Europa mitgenommen und wir sind alle sehr an Sprachen und anderen Kulturen interessiert. Der Entschluss, langfristig im Ausland zu leben, hat bei mir viel mit dem Beruf zu tun: da man in künstlerischen Berufen einfach mehr Vielfalt, Inspiration und Austausch in großen Städten findet.“ 
Nach Aufenthalten in Italien, Indien, den USA, Großbritannien und Hong Kong, war für sie klar: „Mein Herz hängt an Japan und somit ist Tokio der ideale Ort für mich, um meine privaten und beruflichen Träume zu erfüllen.“ Seitdem arbeitet Sybilla Patrizia freiberuflich als Dokumentarfilmemacherin und -fotografin an sozialen und kulturellen Themen, zum Beispiel zu Frauenrechten, Umweltschutz, traditioneller japanischer Kunst oder der LGBTQ+Community in Tokio.“
Das Interesse an Kunst, Design und Architektur hat die 29-jährige Feldkircherin schon früh entwickelt, nachdem ihr aber auch soziale Themen und Problematiken wichtig sind, sieht sie die Bereiche Dokumentarfilm und -fotografie als „ideale Schnittstelle, um kreatives und journalistisches Arbeiten zu verbinden. Und ich kann Probleme und Thematiken zur Sprache bringen, die vielleicht sonst nicht genug Aufmerksamkeit bekommen.“ Ihren Beruf beschreibt sie weniger als Arbeit, sondern als ihre Leidenschaft. Deshalb ist es ihr besonders wichtig, an Projekten zu arbeiten, „hinter denen ich als Mensch stehen kann. Dafür investiere ich aber nicht nur unglaublich viel Zeit, sondern auch einen Teil meiner Seele.“ 

Die Entdeckung neuer Dinge

„Am spannendsten finde ich, dass jedes Projekt seine eigenen Herausforderungen hat und ich immer etwas Neues dazulerne. Durch jeden Dreh komme ich mit Personen in Kontakt, die ich in meinem normalen Alltag nie treffen würde. Das empfinde ich als etwas ganz Besonderes und es ist mir sehr wichtig, damit ich immer wieder mit neuen Perspektiven in Berührung komme“, gibt die Filmemacherin und -fotografin einen Einblick in ihr Werk. Ihr Leben ist dadurch von Vielfalt und Abwechslung geprägt: „So filme ich in einer Woche vom Dach eines Wolkenkratzers in Tokio, dann interviewe ich Müllmänner über Japans Plastikproblem, in der nächsten Woche arbeite ich in großen Filmstudios an einer Netflix-Produktion, und am nächsten Tag fliege ich frühmorgens mit einer Drohne entlang der entlegenen Südküste Japans, um den Sonnenaufgang einzufangen.“ 
Aber nicht nur ihr Beruf, auch die Metropole selbst begeistert Sybilla Patrizia sehr: „Bei vielen sogenannten Expats, die in Tokio wohnen, schwillt das erste Hoch vom Aufenthalt in Japan nach einigen Jahren ab, bei mir ist es genau umgekehrt und ich entdecke immer wieder neue Dinge in Japan, durch die mir das Land immer mehr ans Herz wächst.“ Dazu gehört die erstklassige japanische Küche, genauso wie der respektvolle Umgang der Menschen, das Gefühl der Sicherheit, die stets wechselnde Kultur- und Kunstlandschaft und die scheinbar unendlichen Inspirationsquellen: „Ich glaube, dass ein Leben nicht reicht, um ganz Tokio zu entdecken.“
Ein Umzug zurück in ihre Vorarlberger Heimat kann sich Sybilla Patrizia momentan nur schwer vorstellen, „stattdessen kommen mich aber oft Freunde und Verwandte besuchen, das ist immer wieder spannend. Am Ende des Tages bin ich aber doch ein Mensch, der die Großstadt liebt. Und ob mich meine Wahlheimat Tokio jemals aus ihrem Bann entlassen wird, weiß ich nicht …“

Lebenslauf

Sybilla Schwärzler, 1993 geboren, ist in Feldkirch aufgewachsen und hat nach der Matura am Bundesgymnasium Rebberggasse von 2011 bis 2012 in der Freiwilligenarbeit mit tibetischen Flüchtlingen in Dharamshala, Indien gearbeitet sowie ein Praktikum in den USA gemacht. Von 2013 bis 2016 studierte Schwärzler Fotografie an der University of Westminster in London, ein Auslandssemester verbrachte sie in Hong Kong. Zwischen 2017 und 2021 folgte ein Film-Studium an der Tokyo University of Arts. Seitdem ist sie unter ihrem Künstlernamen Sybilla Patrizia als freiberufliche Dokumentarfoto­grafin und -filmemacherin tätig. 

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