Peter Freiberger

Mehr Suchtgiftanzeigen, weniger Drogentote

Mai 2015

Regelrechte Dumpingpreise herrschen derzeit am Drogenmarkt. Zu schaffen machen den Behörden im Land außerdem die vielen Indoorplantagen zum Hanfanbau und die Gewaltbereitschaft mancher Dealer. Die hat ebenso zugenommen wie die Zahl der Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz.

Genau 1406 Anzeigen wegen Drogendelikten weist die Kriminalstatistik für das Jahr 2014 aus. Zum Vergleich: 2009 waren es „nur“ 1027. Einen Ausreißer nach oben gab es 2012 mit 1476 Anzeigen. Wie wichtig die Vorarlberger Polizei die Thematik nimmt, zeigt die Tatsache, dass die Gruppe für die Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität im Landeskriminalamt von allen Ermittlungsbereichen personell am stärksten besetzt ist. Dazu stehen den Beamten noch speziell ausgebildete Kollegen auf den Polizeiinspektionen zur Seite.

Cannabis, Kokain, Heroin, Speed, Amphetamine – eine breite Palette an Drogen kursiert im Land. Die Heroinproblematik hat sich – in Summe – in den vergangenen Jahren eher verkleinert. „Offene Szene gibt es praktisch keine mehr“, weiß Chefinspektor Peter Gruber, der Leiter des Ermittlungsbereichs Suchtgiftkriminalität im Landeskriminalamt.

Flut an Indoorplantagen

Dafür bereitet ihm eine andere Entwicklung Kopfzerbrechen: In letzter Zeit entstanden zahlreiche Indoorplantagen, in denen Cannabis angebaut wird – zum Eigenkonsum, aber auch zur Weitergabe bzw. zum Verkauf. Wird eine solche Plantage entdeckt, staunen die Beamten immer wieder über den – falschen – Ehrgeiz der Produzenten bzw. Kleindealer: Vielfach sorgen Hightech-Belüftungs­anlagen für das Gedeihen der Pflanzen. Eine Flut an Anzeigen ist die Folge.

Freilich – Cannabis stammt nicht ausschließlich aus illegalen Plantagen im Land. Oft wird es aus der Schweiz über die Grenze gebracht. „Dies geschieht in der Regel im sogenannten Ameisenhandel, also im Grammbereich“, sagt Gruber.

Einige reisen jedoch auch nach Holland, um „Stoff“ einzukaufen. Dabei handelt es sich nicht nur um Einzelpersonen. „Dahinter stehen häufig Tätergruppen, die größere Mengen Drogen beispielsweise in Amsterdam holen und in Vorarlberg verkaufen“, weiß Gruber. Einen klassischen Drogenbaron, der kiloweise Suchtgift organisiert und in Vorarlberg weiterverkaufen lässt, gibt es nach Wissensstand der Polizei jedoch nicht.

Der internationale Drogenmarkt wird derzeit regelrecht überschwemmt. Eine der Konsequenzen davon: Der Preis für die diversen Gifte ist drastisch gesunken. Dies stellt wohl mit einen Grund für die vielen Anzeigen dar. Die Entwicklung bei der Zahl der Drogentoten verlief seit 2012 hingegen in eine andere Richtung: Die Zahl ging von acht im Jahr 2012 auf vier im Vorjahr zurück. Diese Statistik beinhaltet allerdings nicht jene Süchtigen, die durch Krankheit oder Suizid als Folge ihrer Abhängigkeit ihr Leben verloren.

Dealer meist bewaffnet

„Die Gewaltbereitschaft hat zugenommen“, erzählt Gruber. Wenn die Dealer gefasst werden, entdecken die Beamten meist nicht bloß Suchtgift, sondern auch diverse Waffen. „Neulich fanden wir neben einer Faustfeuerwaffe außerdem eine Kalaschnikow“, schüttelt der Ermittler fast ungläubig den Kopf.

Vielfach bewaffnen sich die Händler aus Selbstschutz. Denn es passiert immer wieder, dass Käufer versuchen, die Dealer bei der Übergabe abzuzocken oder auszurauben. Überfälle im Milieu stellen jedenfalls keine Seltenheit dar. Gruber: „Sie werden oft lediglich bekannt, wenn die Dealer auffliegen.“ Eine geladene Faustfeuerwaffe entdeckten die Beamten auch bei einem Suchtgiftring, den sie vor rund einem Jahr im Raum Hard–Lauterach aushoben. Die Tätergruppe hatte zwischen Sommer 2012 und Februar 2014 insgesamt rund 160 Kilogramm Marihuana und 1,1 Kilogramm Kokain in der Schweiz gekauft, nach Österreich geschmuggelt und einen Großteil davon an Abnehmer in Vorarlberg und Deutschland verkauft.

Geldzählmaschine gekauft

„Das Suchtgift wurde in der Schweiz auf Kommission übernommen und dann nach Vorarlberg geschleust“, erzählt Gruber. Um die Höhe ihrer illegalen Einnahmen stets genau feststellen zu können, hatten sich die Dealer sogar eine Geldzählmaschine angeschafft. Zehn Personen landeten in Untersuchungshaft, rund 200  weitere erhielten Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz, nachdem die Bande aufgeflogen war. Stichwort „auffliegen“: Im Zuge der Ermittlungen geriet auch ein schwerer Raub ans Tageslicht: Die Bande war während ihrer kriminellen Tätigkeit selbst zum Opfer geworden. „Kunden“ hatten die jungen Leute beraubt und betrogen.

Die Bande hat die Härte des Suchtmittelgesetzes zu spüren bekommen. Der erfahrene Kriminalist Gruber findet die aktuelle Version dieses Gesetzes „relativ gut“. Forderungen, Cannabiskonsum zu legalisieren, hält er nicht für angebracht, weil das Suchtmittelgesetz ohnehin nicht automatisch eine Kriminalisierung von Erstkonsumenten vorsehe. „Auch die Möglichkeit einer durch das Gericht angeordneten, verpflichtenden Gesundheitsmaßnahme – man spricht von ‚Therapie statt Strafe‘ – betrachte ich in solchen Fällen als geeignetes Instrument“, betont Gruber.

Froh ist er darüber, dass die künstlich hergestellte Droge Crystal Meth bisher nicht wirklich ihren Weg ins Land gefunden hat. Jedenfalls gab es noch keine Sicherstellungen größeren Ausmaßes dieser sogenannten Zombiedroge. So soll es bleiben, hofft Gruber, denn der Konsum von Crystal Meth hat verheerende gesundheitliche Auswirkungen. Die will in Vorarlberg niemand erleben müssen.

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