Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Reise ans Ende der Welt

Oktober 2021

Wolfgang Ponier aus Götzis hat sich einen Traum erfüllt: Er ist mit seinem Mountainbike von seinem Zuhause in Götzis nach Fisterre in Spanien gefahren. Und das in einem Monat. Nach 5000 Kilometern und 45000 Höhenmetern rät er anderen: „Sagt nicht, es geht nicht!“

Gesamtstrecke von Zuhause: 3346 km/44580 HM. Ist doch was, oder? Fazit: Der Weg war das Ziel, eine unvergessliche Reise liegt hinter mir. Danke an alle, die mich beflügelt und mit guten Schwingungen begleitet haben.“ (Facebook Wolfgang Ponier, 17.8.2021).

Wolfgang Ponier – Kämpfer vor dem Herrn

Klingt unglaublich, oder? Aber was für eine Reise? Was für ein Weg? Was für eine Leistung? Blenden wir zurück: In der LBS Lochau treibt ein Mann sein Unwesen, der den Kochlöffel zu schwingen weiß, der in zahlreichen Gourmettempeln auf der ganzen Welt seine Spuren hinterlassen hat, der nach Jahren der Wanderschaft sesshaft wurde. Die Rede ist von Wolfgang Ponier, der immer für eine Überraschung gut ist.
Wer ist dieser Wolfgang Ponier? Seine ersten Gehversuche als Koch hat er im Montafon im Posthotel Rössle in Gaschurn gemacht. „Mein Vater hat mir nach einigen Versuchen in anderen Berufen eine Lehre in der Küche verschafft“, blickt er zurück. Versuche? „Ich bewarb mich als Goldschmied bei Juwelier Kopf in Götzis. Dachte, der Schnellste sei der Beste.“ Falsch gedacht. Die zwei Mitschnupperinnen brauchten wesentlich länger. „Und waren bedeutend genauer“, erinnert er sich grinsend. 

Karriere als Koch

Und so widmete er sich eben der Kulinarik. Unter anderem kochte er in Ftan im Unterengadin im dortigen Relais & Château Hotel Haus Paradies, später in St. Moritz in Jöhri’s Talvo. In der Zwischensaison zog es ihn in alle möglichen Himmelsrichtungen: nach Lech, London, Hongkong, Singapur, Orlando. Sogar Taschkent in Usbekistan, wo er in der Players-Lounge im Catering für ein Tennisturnier mitverantwortlich zeichnete, steht auf seiner Liste.
In der Zeit in St. Moritz erblickte seine erste Tochter Helena das Licht der Welt. „Mit 20 wollte ich noch nichts wissen von Familie, Kindern, Häuslebauen und sesshaft werden“, blickt Ponier zurück. Doch mit der kleinen Helena änderte sich alles. Es zog ihn zurück ins Ländle, wo er für seine Familie ein Refugium aufbauen wollte. Nach mehreren Stationen – unter anderem im Torggel in Röthis – begann sich eine neue Idee in seinem Kopf zu entwickeln: Lehrer in der Berufsschule. 

LBS Lochau – Berufung und Beruf

„Das hat auch zu den Dingen gehört, die ich mir nie vorstellen konnte“, erzählt er. Doch nach mehreren Gesprächen wurde er vom damaligen Direktor der LBS Lochau Herbert Maurer überzeugt. „Für mich hat sich ein Kreis geschlossen: Von 1976 bis 1979 war ich selbst hier Schüler, 1999 begann ich zu unterrichten.“ Und macht das bis heute. Mit Begeisterung.
Doch wer glaubt, dass Wolfgang das genug war, der irrt. Zahlreiche (Buch)Projekte begleiteten ihn auf seinem Weg. Auch die große weite Welt lockte ihn wieder: Er war zusammen mit Ernst Seidl bei den olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro und 2018 in Pyeongchang in Südkorea im Österreicherhaus mit von der Partie. „Auch in Tokio wäre ich gerne dabei gewesen. Für Bettina Plank, Gewinnerin der Bronzemedaille, hätte ich einen Fanclub organisiert, der sich gewaschen hat.“

Von Götzis nach Fisterra

Doch das Schicksal wollte es anders. Nachdem es kein Österreicherhaus gab – Corona lässt grüßen –, beschloss Wolfgang, sich einen Traum zu erfüllen: „Ich wollte immer schon einmal in meinem Leben von meiner Haustüre in Götzis bis ans Ende der Welt – Finis Terrae – in Spanien mit dem Fahrrad fahren.“ Finis Terrae, Jakobspilgern und anderen Weltenbummlern ist dieser Ort in Spanien als Kap Finisterre oder Fisterra in Galizien bekannt. Nur wenige Kilometer vom Ende des Jakobsweges entfernt. Am 16. Juli 2021 nahm Wolfgang diese Herausforderung in Angriff.
Seine Ausrüstung: ein 16 Jahre altes Mountainbike, ein Rucksack, der gefüllt 6,8 Kilogramm wog. Dessen Inhalt: zwei Bike-Garnituren, Werkzeug, Fahrradschläuche, die – wie er später feststellen musste – leider nicht passten, Regenbekleidung, Merino-Wäsche, ein Freizeitshirt und eine Hose. Die Tour hatte Wolfgang grob geplant, die Feinplanung sollte die Routenplaner-App „Komoot“ unterwegs übernehmen. 

Statt Mountainbike „Radfahren“

Der erste Teil der Reise führte ihn an den Genfer See. Von dort ging der zweite Teil der Expedition über die französischen Alpen nach Nizza. Eine Kinderkrankheit der ersten Tage in den Alpen: Die App war auf Mountainbike eingestellt. Und führte ihn demzufolge über Trails, abenteuerliche Wege und durch Bachbette. Schnell nahm er eine Einstellungsänderung vor und fuhr fortan als Radfahrer über wesentlich komfortablere Wege. Ein Must dieser Tour: der Montblanc.
Und immer wieder widerfuhren ihm interessante Begegnungen: „Was für ein Tag??? Du bist gemütlich und voller guter Vibes mit 11 km/h unterwegs (mit dem Fahrrad) auf den Col du Mont Cenis (2083) und irgendwo nach Kilometer 8 überholt dich ein Bergläufer mit einem freundlichen „Bon jour“ mit mindestens 15 km/h. Bin echt sprachlos – soll ich jetzt das Fahrrad in den Wald werfen?? Nach kurzem Durchatmen – Chapeau, Chapeau – wer immer er gewesen ist, ein Tier. Oben auf dem Pass treffe ich ihn wieder und gratuliere ihm voller Bewunderung.“ (Facebook Wolfgang Ponier, 26.7.2021)
Nach der Ankunft in Nizza folgte der dritte Teil der Reise über die mittleren Pyrenäen nach Spanien an die Küste:  „Meine Reise von Pertius nach Saint Gilles führte mich entlang von Rhone-Seitenarmen durch wunderbare Landschaften (Weinanbaugebiete, Pfirsiche, Reis, Tomaten) nach Arles. ... Von Saint Gilles ging es dann wieder zurück ans Mittelmeer und durch Teile der Camargue (Wildpferde, Flamingos, unberührte Naturlandschaften – die Camargue (das was ich gesehen habe, ist echt ein Hingucker) weiter bis nach Herepian (Region Okzitanien).“ (Facebook Wolfgang Ponier, 6.8.2021)
Als vierter Teil der Unternehmung stand der vermeintlich einfache Küstenweg auf dem Programm: „Ich dachte der Küstenweg wird eher eine gemütliche Sache. Jeden Tag einfach der Küste entlang radeln. Von Irun durch das Baskenland nach Derio 145 km/2480 HM. Irgendwie hab ich mir das anders vorgestellt?? Fazit: Die Freude am Ende des Tages ist die Motivation für den nächsten Tag.“ (Facebook Wolfgang Ponier, 6.8.2021) Und so ging es auf und ab, landein, landaus.

Dem Himmel so nah

Schön langsam nähert sich die Reise dem Ziel: Was am 16. Juli in Götzis seinen Anfang gefunden hat, findet am 16. August in Fisterra sein gutes Ende: Wolfgang Ponier hat das „Ende der Welt“ erreicht. Er legt seinen Helm am Pilgerkreuz ab, schenkt sein Mountainbike, das ihm 16 Jahre treu gedient hat, seiner Airbnb Herbergsmutter und verlässt tief befriedigt Spanien via Portugal in die Heimat, wo seine Familie auf ihn wartet.
Was er den Menschen mit seiner Reise mitgeben möchte? „Wenn ihr ein Ziel habt, verfolgt es. Gebt nicht auf.“ Und seinen Auszubildenden rät er: „Auch wenn ihr nachher nicht mehr kocht, macht eure Ausbildung trotzdem fertig. Sagt nicht, es geht nicht. Lasst euch ein bisschen Zeit, versucht es noch einmal. Seid überzeugt: Das schaffe ich.“

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