Herbert Motter

Sicherheit geht jetzt vor – Der Terror verändert unser Reiseverhalten

Mai 2016

Erst Paris, dann Istanbul und zuletzt Brüssel. Der Terror erschüttert Europa – und auch die Urlauber. Die verändern jetzt radikal ihr Urlaubsverhalten. Vorbei ist es mit dem nachgesagten Kurzzeitgedächtnis der Touristen, das Ängste vor Gefahren bei der Urlaubsplanung nur allzu schnell vergessen ließ.

Anschläge, Flugzeugabstürze, Entführungen, Geiselnahmen oder Bombardements – aktuell sind die Medien voll von solchen Berichten. Waren diese Gefahren bisher so gut wie ausschließlich auf die weit entfernten Krisenherde in Asien oder Afrika beschränkt, haben sie jetzt gezielt wieder die Mitte Europas erreicht, wie schon in den 1970er- und 1980er-Jahren, als es terroristische Anschläge gehäuft in Deutschland durch die Rote Armee Fraktion, in Irland durch die IRA und in Spanien durch die ETA gab. Tourismusexperten halten dies gewissermaßen für eine Rückkehr zur früheren Normalität des Terrors. Doch diesmal ist es anders, die Reiserouten weichen aus.

Gilt eine Region einmal über zwei Saisonen als Krisenregion, ist es mit dem Vertrauen der Urlauber schnell vorbei. Die Auswirkungen auf das Reiseverhalten durch den Terror spüren auch die Vorarlberger Reisebüros, die zwar von einer ungebrochenen Reisebereitschaft berichten, jedoch eine Veränderung bei den Reisezielen feststellen.

Der Münchner Diplom-Psychologe Jürgen Kagelmann erklärt: „Der Urlaub wird ganz bewusst als eine Auszeit weit weg von zu Hause wahrgenommen, quasi als paradiesischer Zustand. Diese Idee vom sorglosen Urlaub wird durch Anschläge zerstört. Das verstört die Menschen, sie werden unsicher. Alltagsrisiken wie den Verkehr nimmt man dagegen nicht so ernst, weil man denkt, dass die zum Leben dazugehören. Und es gibt die Illusion, dass man gegen solche Risiken selbst etwas tun kann. Bei Terror ist das anders. Da fühlt man sich ohnmächtig.“

Terror und Kriegsgefahren bedeuten nicht unbedingt, dass die Menschen zu Hause bleiben. Sie verändern nur das Reiseverhalten. Timo Loacker, Reisebüroleiter bei Loacker Tours: „Für Reisen in die Maghreb-Staaten und nordafrikanische Staaten, wie Ägypten oder Tunesien, gibt es kaum eine Nachfrage. Unsere Kunden zieht es vermehrt nach Spanien, auf die Balearen, die Kanaren oder nach Portugal. Die Urlauber weichen eindeutig in sicherere Länder aus.“

„Wir können durchaus eine Änderung des Buchungsverhaltens bei unseren Gästen feststellen. Zielgebiete, die früher kaum gefragt waren, wie Deutschland oder Österreich, werden in unserem Reisebüro mehr angefragt. Dafür werden Reiseziele, die mit der Flüchtlingsproblematik oder Terrorgefahr in Verbindung gebracht werden, kaum noch gebucht“, berichtet auch Michael Nachbaur, Geschäftsführer von High Life Reisen.

Nachbaur spricht von großen Herausforderungen, denn nicht immer lassen sich Alternativen finden, die sowohl vom Angebot als auch vom Preis her vergleichbar sind.
Roland Geiger von Geiger Reisen bestätigt: „Für die Türkei und etwa Tunesien ist die Nachfrage komplett eingebrochen, nach Ägypten gehen noch die Taucher.“ Kroatien steigt hingegen weiter in der Gunst von Familien. Auch Geiger spricht von einer noch größer werdenden Nachfrage bei Spanien und Italien. „Jeder will dort hin und ist dann überrascht, dass er das nicht zu den Preisen bekommt, zu denen er früher Türkei gebucht hat“, verweist Geiger auf die aktuelle Situation.  Allerdings wird weniger der Preis als vielmehr die immens gestiegene Auslastung etwa für Spanien-Reisende zum Problem. „Renommierte Reiseveranstalter wie Tui, Neckermann und Thomas Cook vermelden für Spanien erste Engpässe“, betont Timo Loacker.

Und Griechenland, eine Lieblingsdestination der Österreicher? In diesem Fall schadet die mediale Präsenz der letzten Wochen und Monate. Selbst Inseln wie Kreta, die mit der aktuellen Flüchtlingssituation nichts zu tun haben, leiden unter einer geringeren Nachfrage und massiven Einbußen. Für das ohnedies angeschlagene Mittelmeerland und die nordafrikanischen Tourismusregionen ist das volkswirtschaftlich ein kaum verkraftbarer Schaden.

Neue Destinationen werden attraktiv

„Für unsere eigenen Produkte, bei denen wir als Reiseveranstalter auftreten, können wir ebenfalls eine verstärkte Nachfrage feststellen. Vor allem auch die Abreise ab kleineren und somit vielleicht ,unwichtigen‘ Flughäfen gewinnt bei unseren Kunden immer mehr an Bedeutung. Und die Tatsache, dass die Ferienziele in der Nähe liegen, scheint ebenfalls immer wichtiger zu werden. Gerade – aber natürlich nicht nur – bei Familien ist das Sicherheitsbedürfnis sehr hoch“, sagt Michael Nachbaur.

Statt Türkei also Spanien, statt Ägypten die Karibik, statt Tunesien die Ostsee. Letzteres ist keine Übertreibung, die Vorarlberger etwa entdecken Deutschland zunehmend als Haupturlaubsziel. Das bekräftigt auch Roland Geiger: „Die Nachfrage nach Norddeutschland ist stärker geworden. Auch Irland und andere Norddestinationen sind gefragt.“
Zu Ländern, die früher für viele als zu teuer galten, hat sich die Einstellung grundlegend geändert. „Rundreisen oder Städtereisen in nordeuropäische oder baltische Länder werden immer beliebter. Dazu kommt Südschweden, das aufgrund seines kontinentalen Sommers Bademöglichkeiten bietet“, spricht Timo Loacker von einem regelrechten Boom in nördliche Länder.

Dazu kommt, dass der Urlaub daheim und das Genießen des Freizeitangebots in der näheren Heimat heute schon für knapp die Hälfte der Menschen in unserem Land eine echte Alternative sind. Solange man sich zu Hause noch sicher fühlt.

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