Peter Bußjäger

Verfassungs- und Verwaltungsjurist

U-Ausschuss: Schärfste Waffe des Parlaments?

Juni 2022

Vorarlberg-Tage“ beim ÖVP-Untersuchungsausschuss des Nationalrats in Wien: Vorgeladen sind unter anderen Landeshauptmann Wallner und Finanzminister Brunner. Auf der Landesebene könnte in Folge der „Wirtschaftsbund-Affäre“ ein eigener Untersuchungsausschuss des Landtages über Antrag einer oder mehrerer Oppositionsparteien eingesetzt werden. Aber gewiss ist es noch nicht. Man wartet wohl noch ab, ob ein solcher Ausschuss für die eigene Position politisch verwertbare Ergebnisse verspricht. Außerdem haben die Oppositionsparteien Zeit. Je länger die Sache vor sich hin köchelt, umso näher rücken die nächsten Landtagswahlen, umso nützlicher kann dann der Ausschuss sein. Was ist diese Institution aber überhaupt?

Pflicht zur wahrheitsgetreuen Aussage

Der Untersuchungsausschuss wird als die „schärfste Waffe des Parlaments“ bezeichnet. Das Gremium ist kein Gericht und trifft auch keine vollstreckbaren Entscheidungen über die untersuchten Vorgänge, sondern erstattet dem Nationalrat lediglich einen politisch mehr oder weniger brisanten Bericht. Welche Konsequenzen daraus gezogen werden, obliegt der Politik, also in der Praxis zunächst den Regierungsparteien im Nationalrat und schließlich dem Wahlvolk. Die vorgeladenen Personen trifft jedoch die Pflicht, vor dem Ausschuss wahrheitsgemäß auszusagen. Wie das Beispiel von Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigt, gegen den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen möglicher falscher Beweisaussage ermittelt, sollte man diese Verpflichtung nicht auf die leichter Schulter nehmen und sich, weil man die befragenden Personen wenig schätzt, etwa in eine missliche Lage hineinplaudern. Ebenso wenig ratsam ist es, sich durch Ausreden vor einer Aussage zu drücken: Es gibt mittlerweile genügend Beispiele für empfindliche Beugestrafen, die letztlich noch fast jeden Betroffenen zur Aussage verhalten haben. Lediglich der angeblich in den Niederlanden aufhältige Thomas Schmid blieb unbehelligt: Internationale Haftbefehle ausstellen kann ein Untersuchungsausschuss nicht.
Aktenlieferungen
Darüber hinaus kann der Untersuchungsausschuss alle Akten der Behörden anfordern, die mit dem Gegenstand seiner Überprüfungen etwas zu tun haben. Wie das Beispiel des Ibiza-Untersuchungsausschusses zeigt, kann, wenn sich etwa ein Ministerium ziert, die verlangten Akten zu übermitteln, der Ausschuss notfalls den Verfassungsgerichtshof anrufen. Kommen dann die Unterlagen noch immer nicht, muss, wie wir erlebt haben, der Bundespräsident einschreiten und über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes für die Aktenlieferung sorgen.

Achtung auf die Zuständigkeit!

Überschreitet der Untersuchungsausschuss seine Kompetenzen, kann das Instrument rasch an seine Grenzen stoßen, wie die Opposition im Vorarlberger Landtag anlässlich des Hypo-Untersuchungsausschusses schmerzlich erfahren musste: Die übermittelten Akten zu den Geschäftsbeziehungen der Landesbank waren äußerst dürftig, worüber sich Oppositionspolitiker noch heute echauffieren. Bei Juristen erzeugt dies ein Achselzucken: Bankgeschäfte sind nicht Gegenstand der Untersuchungsbefugnis des Landtages. Der darf nämlich nur die Vollziehung des Landes kontrollieren. Die Finanzmarktaufsicht ist Sache des Bundes, mag die Hypobank dem Land Vorarlberg gehören oder nicht. Den Landtag hat das operative Geschäft der Landeshypo nicht zu interessieren. Soviel zur „schärfsten Waffe des Parlaments“.
Kompetenzen können überhaupt recht „tricky“ sein: Das mögliche Fehlverhalten von Behörden des Landes Tirol in der „Ischgl-Causa“ konnte nicht in einem Untersuchungsausschuss des Tiroler Landtages geklärt werden, da die Bezirkshauptmannschaft Landeck im Vollzug bundesrechtlicher Vorschriften eingeschritten (oder nicht eingeschritten) war. „Ischgl“ dürfte freilich ohnehin das Letzte sein, das den Nationalrat nach dem ÖVP-Untersuchungsausschuss noch interessieren wird. Umgekehrt darf auch ein Untersuchungsausschuss des Nationalrats die Kompetenzen des Bundes nicht überschreiten. Da aber diese viel weiter als jene des Landes sind, stellt sich für ihn dieses Problem weniger prekär als für den Landtag dar.

Kraut und Rüben?

Schließlich muss sich ein Untersuchungsausschuss im Nationalrat auf einen „bestimmten abgeschlossenen Vorgang“ beziehen. Auch darüber, was diese Formulierung für den zulässigen Untersuchungsgegenstand bedeutet, gab es beim Ibiza-Untersuchungsausschuss Streit, über den schließlich der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden hatte. Das Wording bedeutet, dass nur ganz konkret umschriebene Vorgänge untersucht werden dürfen, die miteinander in einem erkennbaren Zusammenhang stehen (kein „Kraut-und-Rüben-Ausschuss“). Der Verfassungsgerichtshof entschied sich im Falle des Ibiza-UA allerdings für eine sehr großzügige Auslegung, sodass man sich in Zukunft wenigstens kaum mehr Gedanken darüber machen muss, ob der Untersuchungsgegenstand einigermaßen abgegrenzt ist.

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