Sabine Barbisch

Von Bludenz nach Berlin

Mai 2022

Verena Rossbacher ist in Bludenz und St. Gallen aufgewachsen, hat in Zürich und Leipzig studiert und lebt seit 13 Jahren in Berlin. In „Thema Vorarlberg“ gewährt die Schriftstellerin einen Einblick in die Entstehungsprozesse ihrer brillanten Romane und erklärt, warum der Anfang eines neuen Projekts fordernd, die Mitte leicht, und das Ende mehr gründlich als fröhlich ist.

An manchen Stellen der Stadt gab es Momente, in denen man eine Ahnung bekam von der Tiefe der Zeit – es gab einen Bäcker in einem winzigen Laden unter den Bögen, den es so schon vor zweihundert Jahren hätte geben können und manchmal, wenn die Abendschatten über das alte Kopfsteinpflaster fielen, da ahnte man, dass es im Mittelalter dort kein bisschen anderes aussah.“ So beschreibt Verena Rossbacher Bludenz, jene Stadt, in der sie ihre Kindheit und einen Teil ihrer Jugendjahre verbracht hat: „Das mochte ich, das spürbare Alter der Stadt, die funktionierende Kleinstadt, das Rege und Umtriebige einer fast dörflichen Gemeinschaft.“ Der Samstag als Tag des Wochenmarktes ist ihr immer noch präsent, wie auch „das Dörflinger, ein Café, in dem man sich nach dem Marktgang zum Kaffee traf, den Meinl, in dem die weibliche Belegschaft hübsche Schürzen mit Häubchen trug“.
Für ihre eigene berufliche Zukunft hatte sie aber schon zu der Zeit andere Pläne: Archäologie sollte es werden. „Ich stellte es mir allerdings deutlich glamouröser vor, als es in der Realität vermutlich ist – meine Vorstellung war eher das Bergen kaiserlicher Schätze und ägyptischer Mumien und weniger das geduldige Arbeiten mit winzigen Pinseln in einer heißen Wüstenei.“ Aus guten Gründen verwarf sie deshalb diese Idee und formulierte recht bald den Wunsch, Autorin zu werden: „Ich habe schon immer viel gelesen und erste Geschichten verfasst, da fand ich es irgendwie logisch, mein Leben mit meinen liebsten Betätigungen zu verbringen.“ 
Auf dem Weg zu diesem Berufswunsch stand noch der Umzug der Familie in die Schweiz an, dort besuchte Verena Rossbacher zuerst eine Schule in Romanshorn und studierte dann in Zürich einige Semester Philosophie, Germanistik und Theologie, bevor sie an das Deutsche Literaturinstitut nach Leipzig wechselte. Danach zog Rossbacher nach Berlin, in jene Metropole, in der sie auch heute noch lebt. Seit etwa eineinhalb Jahren wohnt die Schriftstellerin und Dozentin – nach vielen Jahren am Prenzlauer Berg – nun mit ihrer Familie in Lichterfelde West, in unmittel­barer Nähe zum Botanischen Garten: „Wir haben eine große, herrliche Wohnung, einen kleinen Garten und sind schnell im Grünen. Für mich ist es mittlerweile die einzig denkbare Variante, in einer Großstadt zu leben, ich würde nicht mehr mittendrin sein wollen.“ An ihrem neuen Domizil schätzt sie die „Ruhe und die Unaufgeregtheit“ des Quartiers und dessen „altertümliche Schönheit“. Das erinnert ein bisschen an ihr Heimatstädtchen Bludenz. 

Von der „Zeit in der Mitte“ 

Im Jahr 2009 veröffentlichte Verena Rossbacher ihren Debütroman „Verlangen nach Drachen“, 2014 folgte „Schwätzen und Schlachten“, vier Jahre später „Ich war Diener im Hause Hobbs“ und im Frühjahr 2022 kam mit „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“ ihr vierter Roman auf den Markt. Eine bestimmte Routine oder ein Ritual für ein neues Werk hat Rossbacher trotz ihrer zahlreichen Veröffentlichungen nicht etabliert: „Ich finde es immer fordernd, ein neues Projekt zu beginnen – aber es geht ja vielen Autoren so. Ich mag am liebsten die Zeit in der Mitte, in der es läuft, alles leicht und wie von selbst geht, ich scheue ein wenig die geduldige und ordentliche Arbeit am Schluss, wo es mehr um Gründlichkeit geht als ums Fröhliche.“ Als einen der größten Vorteile am Beruf der Autorin sieht Rossbacher die freie Zeiteinteilung. Dabei schätzt sie den ruhigen und friedlichen Gang der Dinge, neben der Arbeit, Zeit für die Kinder, für Lesen, Kochen und verschiedene Gäste, den Spielplatz und das Wandern zu haben. „Es gibt Zeiten, da ist es nicht so, da kommt zu wenig Geld rein, da müssen Abgabetermine eingehalten werden, da bin ich viel unterwegs, da müssen Stapel von bürokratischem Blödsinn abgearbeitet werden“ – alles Dinge, auf die die Schriftstellerin gut verzichten könnte. 
In idealen Zeiten beschreibt sie ihren Arbeitsalltag hingegen als „spießig“, sie steht mit ihren Kindern früh auf, frühstückt, kümmert sich um die Wohnung und macht Sport, bevor sie etwa drei Stunden arbeitet. Nach dem Mittagessen arbeitet sie nochmals bis etwa vier Uhr und holt dann die kleine Tochter von der Schule ab. „Wenn es irgendwie geht, vermeide ich es, am Abend zu arbeiten, in der Regel ist das, was schreibend in den Abendstunden entsteht, am nächsten Tag nicht mehr viel wert.“ Mit diesem Tagesrhythmus gelingt es der Autorin und Dozentin auch recht gut, die Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu halten: „Vermutlich geschuldet der Tatsache, dass ich Familie habe, aber vielleicht auch, weil ich immer schon eine Tages- und Wocheneinteilung hatte, als würde ich einem Bürojob nachgehen.“ So bleibt auch Zeit fürs Kochen und Backen und seit dem Umzug in den Außenbezirk Berlins auch für die Natur: „Ich beschäftige mich gerne im Garten, wir machen an den Wochenenden Wanderungen im Umland oder spazieren um den Schlachtensee – wenn alles im Lot ist, dann ist diese Balance zwischen Arbeit und Freizeit wunderbar.“ 

Lebenslauf

Am 17. September 1979 wurde Verena Rossbacher in Bregenz geboren, ihre Kindheit verbrachte sie in Bludenz, dort besuchte sie die Volksschule und das Gymnasium.
Im Alter von 14 Jahren übersiedelte die Familie in die Schweiz und Rossbacher wechselte auf die Kantonsschule in Romanshorn.
Die mehrfache Buchautorin und Dozentin am Schweizerischen Literaturinstitut hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in Berlin. 

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