Alois Niederstätter

Direktor des Vorarlberger Landesarchivs

Die Neuburg – eine der ältesten Burgen des Landes und Habsburgs erster Stützpunkt in Vorarlberg

März 2017

Burgen zählen – ob erhalten oder als Ruinen – zu jenen Relikten, die das Mittelalter am unmittelbarsten repräsentieren. In Vorarlberg gab es mindestens 32 solcher Adelssitze, von denen heute nur mehr vier nach zahlreichen Umbauten bewohnt beziehungsweise bewirtschaftet werden.

Eine der ältesten Anlagen ist die Neuburg bei Koblach. Sie geht auf Herzog Welf IV. (1115–1191), Markgraf von Tuszien und Sohn des Bayernherzogs Heinrich des Schwarzen, zurück. Er ließ sie vor der Mitte des 12. Jahrhunderts erbauen und besetzte sie mit Dienstmannen, die sich nach ihr benannten. 1152 scheinen die Brüder Adalbero Kiso de Nuenburc (von Neuburg) urkundlich auf. Die günstige Lage der Burg, die ihrer Besatzung die Kontrolle des Verkehrs im rechtsseitigen Rheintal ermöglichte, lässt sich noch heute nachvollziehen: Zu ihren Füßen schneiden sich die Rheintalautobahn, die Bahnlinie und die ehemalige Bundesstraße 1 (jetzt L 190).

Den Gründungsbestand bildete ein auf dem höchsten Punkt der Erhebung situiertes, eine Fläche von 8,4 mal 12,7 Meter einnehmendes „Steinhaus“. 1166 wurde darin Pfalzgraf Hugo von Tübingen, dessen gleichnamiger Sohn zum Stammvater der Grafen von Montfort werden sollte, gefangen gehalten.

Mit Welfs Tod kam die Neuburg zunächst unter die Hoheit der Staufer. Nach deren Untergang Mitte des 13. Jahrhunderts „verselbstständigten“ sich die auf der Neuburg ansässigen Dienstmannen. Die Thumb von Neuburg, wie sich das Geschlecht nun nannte, bauten die Burg großzügig aus und machten sie zum Mittelpunkt einer kleinen reichsritterlichen Herrschaft. Aus dieser Zeit stammen der einst dreigeschossige Wohntrakt („Palas“) und die ungewöhnlich weitläufige Vorburg. Ein Stützbalken aus Eichenholz von der Laube, die den Palas umlief, weist das dendrochronologische Datum 1295 auf.

Die Position, die die Thumb von Neuburg im Vorarlberger Rheintal einnahmen, war ihren Nachbarn, den durch mehrere Erbteilungen geschwächten Grafen von Montfort, ein Dorn im Auge. 1311 führten sie einen erfolgreichen militärischen Schlag gegen ihre reichsritterlichen Konkurrenten. Augenfälliges Symbol für die Niederlage der Neuburger war die von den Montfortern auf deren Boden errichtete Burg Neu-Montfort (Götzis).

Einige Jahrzehnte später lebten die Feindseligkeiten neuerlich auf. Angesichts ihrer angeschlagenen Position entschlossen sich die Thumb von Neuburg, ihre Besitzungen zu veräußern. Als Käufer bot sich Herzog Rudolf V. von Österreich an, der eine höchst erfolgreiche Territorialpolitik in einem weiten Umkreis der alten habsburgischen Stammlande in der Schweiz betrieb und kurz zuvor auch Tirol für das Haus Habsburg gewonnen hatte. Das Geschäft wurde am 8. April 1363 abgeschlossen. Die Thumb von Neuburg erlösten für die Neuburg mit allem Zubehör 3300 Pfund Pfennig Konstanzer Münze. Sie zogen alsbald außer Landes, das Geschlecht blüht noch heute in Deutschland.

Der durchschnittliche Jahresertrag, den die Herrschaft Neuburg abwarf, belief sich auf etwa 100 Pfund Pfennig, sodass sich die Investition rechnerisch erst nach 33 Jahren zu lohnen begann. Es waren also in erster Linie politische Gründe, die den Ausschlag für den Kauf gaben. Durch ihn fassten die Habsburger erstmals als Territorialherren auf Vorarlberger Boden Fuß; das Tor für weitere Erwerbungen, die alsbald folgen sollten (Feldkirch 1375/90, Bludenz 1394/1420), war aufgestoßen. Fortan verwalteten österreichische Vögte die Neuburg, oft war sie ihnen verpfändet. Im Jahr 1405 hatte sie etwa der als Minnesänger bekannte Graf Hugo XII. von Montfort-Bregenz inne.

Der Übergang an die Habsburger verwickelte die Neuburg freilich auch in deren Kriege. 1407 fiel sie in die Hände der Appenzeller und ihrer Verbündeten. Während des „Alten Zürichkriegs“ überschritt im Jänner 1445 ein etwa 4000 Mann starkes Heer der Eidgenossen bei Montlingen den Rhein. Die Landesverteidiger wurden von den weit überlegenen Angreifern auf die Neuburg zu abgedrängt, in die sie aber nicht eingelassen wurden. Im darauffolgenden Gefecht fanden viele von ihnen den Tod.

Auch die Habsburger sorgten für die Instandhaltung der Neuburg und ließen sie weiter ausbauen. So wurde ein Torzwinger errichtet, auch die Vorburg erfuhr mehrere Veränderungen. Um 1500 entstand an der Südseite des Burghügels das von der Straße aus gut sichtbare Geschützrondell.

1589 erhielt Graf Kaspar von Hohenems die Herrschaft Neuburg als Vogt und Pfandherr unter der Auflage, dass das Schloss als Befestigung den österreichischen Landesfürsten vorbehalten bleibt. Nach ihm hatten sie Jakob Hannibal II. und Karl Friedrich von Hohenems inne.

In diese Zeit fiel der Dreißigjährige Krieg, gegen dessen Ende schwedische Truppen unter Feldmarschall Karl Gustav Wrangel im Jänner 1647 die Landesverteidiger bei Bregenz besiegten und weite Teile Vorarlbergs unter ihre Kontrolle brachten. Auch die Neuburg erhielt eine schwedische Besatzung. Sie hatte die Anlage nicht sehr pfleglich behandelt, sodass nach ihrem Abzug umfangreichere Sanierungsmaßnahmen erforderlich waren. Bis 1744 stand die Neuburg noch temporär als Festung in Verwendung. Bald danach aber wurden große Teile der Anlage – weil militärisch nunmehr nutzlos – abgebrochen, andere verfielen allmählich. 1864 ging der Burghügel mit der Ruine ins Eigentum der Gemeinde Koblach über. Sie beteiligt sich seit Jahrzehnten mit großem Engagement an der sehr aufwändigen Sicherung und Restaurierung der Baureste.

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