Sabine Barbisch

Vom Glück, die eigene Kreativität zu genießen

April 2015

Künstlerin Ulli Knall erzählt, was Schauspiel und Malerei gemeinsam haben, wie es sich abseits von „Central London“ lebt und worin sich das Porträtieren von Menschen und Tieren unterscheidet.

Als „alten, knorpeligen Olivenbaum, der viele neue Triebe hat“ – so beschreibt Ulli Knall ihre berufliche Laufbahn. Als Kind hat die in der Nähe von München geborene und in Lauterach aufgewachsene Künstlerin davon geträumt, Schauspielerin zu werden – „obwohl ich wahnsinnige Angst davor hatte, auf einer Bühne zu stehen“. Heute sagt sie: „Als Künstlerin spielt man mit visuellen Inhalten und muss dafür zum Glück auf keiner Bühne stehen. Inhaltlich habe ich mich von Anfang an mit dem Thema Identität beschäftigt, wie Schauspieler auch. Und Geschichten zu erzählen haben Künstler und Schauspieler ebenfalls gemeinsam.“ Nach dem Studium an der Angewandten in Wien zog Knall über Amsterdam nach London, um einen Master in Fine Art zu machen. „Ich bin in diese pulsierende Stadt eingetaucht. Es war ziemlich schnell klar, dass ich bleiben werde.“ Die Folgen dieser Entscheidung, die sich bald zum zwanzigsten Mal jährt, sieht die Künstlerin ganz pragmatisch: „Das Leben geht einfach ohne dich weiter, wenn du die Heimat verlässt. Du wirst dann ein Urlauber. Das ist auf der einen Seite zwar schmerzhaft, aber auch befreiend.“

Ein neuer „Olivenbaum-Trieb“ ist vor fünf Jahren gesprossen: Ulli Knall hat begonnen, Kunst-Workshops für psychisch kranke Menschen zu konzipieren und durchzuführen. „Ich mache keine Kunsttherapie, sondern versuche, ihnen Kunst als Mittel zur Steigerung des Selbstwerts zu vermitteln. Ein gutes Selbstwertgefühl macht das Leben für alle Menschen einfacher, egal in welchem Ausmaß sie leiden.“ Mittlerweile arbeitet sie auch mit physisch beeinträchtigten Menschen. „Wenn man nicht der Norm entspricht, wird man in unserer westlichen Gesellschaft mehr gefürchtet und bemitleidet als angenommen. Ich lerne bei dieser Arbeit ein wenig über eine mir fremde Welt. Im Austausch dafür gebe ich den Menschen die Leichtigkeit des kreativen Schaffens und das Glück, die eigene Krea­tivität zu erlauben und zu genießen.“

Tierbilder als humorvolle Gesellschaftskritik

Knall erzählt, dass sie in ihrem künstlerischen Schaffen jahrelang auf das Individuum fixiert war: „Das lernt man so in einer Meisterklasse: Das Genie steht im Zentrum des Kunstschaffens.“ Die Arbeit mit psychisch kranken Menschen hat sie und ihre Arbeit verändert. „Alleine im Atelier zu sitzen und Kunst für mich selbst und einen anonymen Kunstmarkt herzustellen, ist eine einsame Sache. Heute mache ich Auftragsarbeiten für Menschen, um andere glücklich zu machen, und bin dabei selbst glücklich. Der Kunde und ich erarbeiten das Bild sozusagen in Symbiose.“ 2013 hat sie „Ulli’s Pet Portraits“ gegründet. „Haustiere sind eine Manifestation der Liebe, die in unserer Gesellschaft oft belächelt wird. Wertungen waren mir immer zuwider. Was liegt da näher, als das zu malen, was belächelt wird? Das macht es spannend für mich.“ Aber es geht nicht nur um die Malerei. Die Geschichten, die ihr die Tierbesitzer erzählen, verwendet Knall für ihre visuellen Interpretationen. Diese veröffentlicht sie zusammen mit den Bildern auf einer eigens kreierten Homepage. „Menschen zu malen, ist da etwas ganz anderes. Bei diesen Bildern konzentriere ich mich eher auf die existenzielle Einsamkeit und Vergänglichkeit des Menschen. Auch beim kleinen Kind ist schon das ‚Selbst‘ vorhanden, das das Rätsel Leben in seiner Essenz erfasst. Und das versuche ich in meinen Menschenporträts herauszuspüren.
Die Tierporträts dagegen sind eine Gesellschaftskritik. Ich halte den Moralisten, die verschiedene Arten von Liebe bewerten, den Finger hin, ‚in a polite British way‘, und habe gleichzeitig meinen Spaß am Geschichtenerzählen.“

Leben abseits von „Central London“

Ulli Knall kommt regelmäßig auf Heimatbesuch ins Ländle: „Meine Kinder lieben Vorarlberg. Der Abschied fällt immer sehr schwer, und in den ersten drei Tagen in London sind wir immer etwas konfus. Aber dann nimmt das Leben wieder seinen Lauf.“ In der Stadt an der Themse kauft sie „am liebsten bei Lidl ein, weil er mich an die Heimat erinnert, und in Vorarlberg bei Sutterlüty, weil den gibt’s in London nicht“, erzählt sie lachend.

In Highgate, einem sehr grünen Stadtteil Londons, fühlt sich Ulli Knall sehr wohl – auch weil dadurch die tägliche stundenlange Pendelei ins Zen­trum entfällt. „Ich habe mir das so eingerichtet. Ich arbeite nur in der näheren Umgebung von meinem Wohnort und kann viel mit dem Fahrrad erledigen. Nach Central London fahre ich nur, um mir Ausstellungen anzuschauen oder Erledigungen zu machen.“ Mit ihren beiden Söhnen und ihrem Hund bewirtschaftet sie außerdem einen Schrebergarten. Und trotzdem: „Ich liebe London, aber das heißt nicht, dass ich nicht doch irgendwann mal wieder ins Ländle ziehen werde.“

 

Ihr Lebenslauf - Erfolg im Porträt-Geschäft

Ulli Knall wurde 1970 in Gräfelfing bei München geboren. Aufgewachsen ist sie in Lauterach. Nach der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (Meisterklasse Keramikdesign und Bildhauerei) besuchte sie die Rietfeld-Akademie in Amsterdam (Bildhauerei). Am Goldsmith College in London absolvierte sie den Master of Fine Art. Zwischen 2006 und 2013 hat sie diverse internationale Ausstellungen im Contemporary Art Market bestückt, in Vorarlberg wird sie von der Galerie Lisi Hämmerle vertreten. 2013 hat sie „Ulli’s Pet Portraits“ gegründet. Mit ihren Söhnen lebt sie in London.

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