Gerald A. Matt

Kunstmanager, Publizist und Gastprofessor an der Universität für angewandte Kunst Wien

Warnung: Grüne (Kultur-)Politik – Zwischen Biedermeier und Brandstifter

März 2015

Grüne Kulturpolitik profilierte sich in den letzten Jahren über Kritik an wahren und angeblichen Skandalen in der Kulturverwaltung und über eine fortlaufende Herabsetzung sogenannter Hochkultur gegenüber alternativer Basiskultur. Gerald Matt warnt in seiner Polemik vor einer neuen grünen Verbots- und Bevormundungsgesellschaft, in der Political Correctness und gute Absichten Vorrang vor künstlerischer Qualität und Einzigartigkeit haben. Dem neuen grünen Biedermeier ist entschieden entgegenzutreten, wenn wir nicht wollen, dass die Kunst aus der Kultur vertrieben wird.

Geldverschwendung und Freunderlwirtschaft sind auch in der Kunst und Kultur (Burgtheater) ein Skandal und gehören mit allen Mitteln bekämpft und abgestellt. Genauso abzulehnen ist es aber, wenn Kunst und Kultur als Schlachtfelder für Ideologie und politische sowie persönliche Ver­naderung missbraucht werden. Waren es bislang freiheitliche Scharfmacher, die Vorurteile gegen Kunst und Künstler schürten, so laufen ihnen heute immer mehr die Grünen als kulturelle Biedermänner und Brandstifter den Rang ab. Erschreckend ist, mit welcher Selbstgerechtigkeit und Verlogenheit grüne Kulturpolitiker wie der ehemalige Künstler Zinggl oder der nunmehr entsorgte grüne Wiener Kultursprecher Lobo ihre selbst gestrickte Pseudomoral zum Gesetz und ihren ideologisch versponnenen Kulturbegriff über die Kunst stellen. Da wird unternehmerisches Leadership als höfischer Feudalismus abgewertet, künstlerische Visionen werden als exzentrische Exzesse von Egomanen krankgeschrieben und künstlerische Opulenz und geistige Feuerwerke als barocke Verschwendungssucht verunglimpft. Da wird ein Klima der legitimierten Denunziation und Diffamierung geschaffen, in dem die Opportunisten, die braven, angepassten, unauffälligen Taktierer und Mutlosen, die Diplomaten und Zögerer gedeihen – Charaktereigenschaften, die nicht nur in der Kunst fehl am Platz sind. Und da wird permanent zum kulturpolitischen Klassenkampf geblasen und das dumme Klischee der steuergeldvernichtenden bürgerlichen Kulturtanker gegen eine unterdotierte Basiskultur verbreitet. Gleichzeitig stimmen die Grünen, kaum an den Wiener politischen Futtertrog gelangt, der Erhöhung der Subventionen für den Großmusicalveranstalter Vereinigte Bühnen zu, die sie in Opposition noch hysterisch ablehnten. Und wenn es um das eigene Klientel geht, scheuen sie nicht davor zurück, Hunderttausende Euro Steuergeld Pseudokunstprojekten wie der grünen
„Wienwoche“ zuzuschanzen.

Das Glück der Sex Pistols

Da wird gebastelt und verbrüdert, da wird grüne Volks- und Basiskultur zwischen Birkenstock-Look und Multi­kulti-Naivität abgefeiert, da wird in
jakobinischem Furor ein neues kulturelles Biedermeier eingeläutet. In Bilderstürmermanier und ideologisch domestizierter Neuinterpretation der Freiheit der Kunst wurde etwa von den Wiener Grünen der Auftritt einer Musikgruppe wegen politisch inkorrekter Texte verboten. Da hatten die Sex Pistols wohl Glück, dass zu ihren Zeiten die Grünen politisch noch keine Rolle spielten. Ob der Faschismus eines Ezra Pound nicht auch Anlass wäre, seine wunderbaren Gedichte unter Zensur zu stellen? Ach ja, und wann werden die Bösmenschen Leni „Reichsparteitag“ Riefenstahl, Jonathan „rechte Hand hoch“ Meese oder gar der dekadente Jeff „fuck Cicciolina“ Koons auf den grünen Index gesetzt?

Lustfeindliche grüne Verbots- und Bevormundungsgesellschaft

Künstlerische Qualitäten oder gar Virtuosität spielen dabei eine untergeordnete Rolle, im Gegenteil: Kunst als herausragende menschliche Schöpfung hat in der grünen Welt der Basisdemokratie, Volksbefragung, Political Correctness, Zensur und Vernaderung nichts mehr verloren. Doch wer Sozial­arbeit, Moralisieren und gute Absicht vor Kunst, das Herumquatschen und Basteln vor das künstlerische Werk und die Vermittler vor die Künstler und das Publikum stellt, will letztlich die Kunst aus der Kultur vertreiben. Zurück bleibt eine sich an Mittelmaß und Spießigkeit orientierende Kunst – und eine lustfeindliche grüne Verbots- und Bevormundungsgesellschaft.

Dabei können wir stolz sein auf unsere Kunst und Kultur, auf unsere großartigen Künstler, auf die künstlerischen Spitzenleistungen, auf herrliche Museen und Theater, um die uns die Welt beneidet. Dieser grünen Politik entgegenzutreten, die Kunst und Kultur lediglich als Wurmfortsatz von Sozial- und Gesellschaftspolitik ansieht und dabei nur die Interessen ihres Klientels und Klüngels im Sinn hat, wäre die Aufgabe einer beherzten Kulturpolitik, ob sie sich nun konservativ oder sozialdemokratisch oder neositisch oder wie auch immer nennt. Sonst herrschen bald nur mehr die grau-grünen Mäuse, auch in Vorarlberg. Letztlich geht es um eine freie, weltoffene Gesellschaft, die das Andere, Außergewöhnliche, Abseitige, Sperrige und Geniale für unverzichtbar hält.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.