
Für die Schanzen rollt der Rubel
Als die modernste Skisprunganlage Mitteleuropas bezeichnen Experten das neue, 15 Millionen Euro teure Schanzenzentrum in Tschagguns. Vorarlberg plant freilich schon drei weitere, millionenteure Sprungschanzen in Andelsbuch.
Es ist ein Schmuckkästchen, das am historischen Platz der alten Zelfenschanze in Tschagguns entstand. Vier Schanzen fügen sich nebeneinander perfekt in die Landschaft ein. An den Bakken mit der Hillsize von 108 Metern reihen sich Schanzen mit 66, 40 bzw. 22 Metern Hillsize.
Ein Schrägaufzug bringt die Athleten zum Ablauf, von der Trainerplattform können die Springer von ganz oben bis zum Auslauf überblickt werden. Dank einer Flutlichtanlage lassen sich Nachtspringen austragen – das alles im Sommer wie im Winter. Das einer fünften Schanze ähnelnde Funktionsgebäude mit integriertem Café bildet das i-Tüpfelchen in dem Ensemble. Die Anlage wurde im Rahmen des Nordic-Konzepts Vorarlberg als Trainingszentrum mit der Möglichkeit zur Ausrichtung nationaler und internationaler Bewerbe geschaffen – auch in Hinblick auf die EYOF, die Europäischen Olympischen Jugendspiele 2015. Die EYOF-Skisprungbewerbe gehen im Jänner 2015 in Tschagguns über die Bühne.
Die Großschanze hat ihre Feuertaufe bei den Österreichischen Meisterschaften im Oktober bestanden, seitens der Athleten gab es viel positives Feedback. Werner Schuster, dessen deutsche Adler sich im Montafon den letzten Schliff für ihre Staatsmeisterschaft holten, sparte ebenfalls nicht mit Lob: „Alles ist sehr gut durchdacht und gelungen, die Infrastruktur optimal.“
Freilich – die Kosten für das Schmuckkästchen explodierten. Beim Baubeschluss im Juni 2012 waren knapp
12 Millionen Euro vorgesehen, die Eröffnung hatte man für Februar 2014 geplant. Beide Ziele konnten nicht eingehalten werden: Der Sprungbetrieb begann erst heuer im Juni, bei den Gesamtbaukosten ging man zuletzt von rund 15,2 Millionen Euro aus. Dazu kommen noch 435.000 Euro für die Flutlichtanlage.
„Die Bodenbeschaffenheit hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagt Elmar Egg, Geschäftsführer des Schanzenzentrums. „Wir wussten zwar, dass der Baugrund ein gewisses Risiko beinhaltet, das tatsächliche Ausmaß ließ sich aber selbst durch das geologische Gutachten nicht vorhersehen.“ Darüber hinaus verursachten Unwetter während der Bauarbeiten einen Schaden von etwa 800.000 Euro.
Schon vor Bekanntwerden des finanziellen Mehraufwands hatte sich in der Öffentlichkeit Kritik an den Baukosten geregt. Zudem fallen jährlich Betriebskosten von ungefähr 170.000 Euro an.
In Sachen Auslastung und damit Deckung der Betriebskosten zieht GF Egg nach dem Ende der ersten Sommersaison jedoch eine mehr als positive Bilanz: „Mannschaften aus dem In- und Ausland haben uns regelrecht überrannt, so hatten wir nur an sieben Tagen keinen Sprungbetrieb“, sagt Egg. Er rechnet damit, dass der Anteil der Aufwendungen, der durch den Schanzenbetrieb selbst erwirtschaftet werden muss, bereits im ersten Jahr gedeckt ist.
Wenn es nach dem Nordic-Konzept von Land und Vorarlberger Skiverband (VSV) geht, soll das Schanzenzentrum im Montafon aber nicht die einzige Trainingsstätte für die Vorarlberger Nachwuchsspringer bzw. -kombinierer bleiben. Das Konzept sieht eine weitere Schanzenanlage im Bregenzerwald vor. Andelsbuch ist Kandidat für drei Schanzen in der Größenordnung der kleinen Bakken von Tschagguns.
„Derzeit läuft das Verfahren für die Umwelterheblichkeitsprüfung“, informiert Sportlandesrätin Bernadette Mennel. „Ich stehe zu dem Konzept und somit grundsätzlich zu den Schanzen in Andelsbuch. Der Springernachwuchs wird ja in den Talschaften generiert, und der Bregenzerwald hat eine große Springertradition.“ „Der Nachwuchs kann dann auf der Großschanze im Montafon die nächsten Entwicklungsschritte setzen“, meint Michael Zangerl, Leiter des Landessportreferats. Die Baukosten, von denen einen großen Teil wieder das Land tragen müsste, will Zangerl nicht bekannt geben. „Sie hängen noch von diversen Einflussfaktoren ab. Eine erste Kostenschätzung gibt es“, sagt er. Laut Andelsbucher Gemeinderatsprotokoll liegt sie aktuell bei 4,9 Millionen Euro.
Wenn die Schanzenanlage im Bregenzerwald tatsächlich zur Umsetzung kommt, würden insgesamt mindestens 20 Millionen Euro in die Infrastruktur für den Vorarlberger Springernachwuchs fließen. Zur Einschätzung der Verhältnismäßigkeit: Derzeit stehen insgesamt 15 junge Vorarlberger Skispringer im Schüler-, Jugend- bzw. Juniorenkader des VSV. Dazu kommt noch eine acht Springer umfassende Fördergruppe.
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