Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Mundart ist modern

April 2023

Die Person, die diesen Standpunkt vertritt, muss es wissen. Der Autor Wolfgang Berchtold hat zu diesem Thema bereits zwei umfangreiche Werke publiziert: 2023 das „Vorarlberger Sprichwörterbuch“ und 2019 das „Vorarlberger Schimpfwörterbuch.“

Was aber macht den Dialekt beziehungsweise die Mundart so wertvoll und modern? Vorab muss erwähnt werden, dass „Vorarlberg­erisch“ ein Überbegriff für verschiedene alemannische Sprachvarianten ist. Denn jede Region, jede Talschaft, manchmal jede Gemeinde hat ihre sprachlichen Besonderheiten. So heißt der Stein im Rheintal fast überall „Schtoa“, in Dornbirn „Schtua“, in Lustenau „Schtoua“, im Vorderen Bregenzerwald „Schtui“ und im Mittleren und Hinteren Bregenzerwald „Schtua“. Im Kleinen Walsertal ist es der „Schtei“, im Montafon der „Schtee“ und in Bludenz der „Schtaa“.

Bildungsmangel oder Erhalt von Traditionen?
Mundart war lange Zeit in vielen Teilen Österreichs verpönt. Sie wurde vielfach mit Bildungsmangel und eingeschränkten Aufstiegsmöglichkeiten gleichgesetzt. Besonders im fernen Wien war der „Gsiberger“ lange belächelt: das „Landei“ aus dem Westen, das der Hochsprache nicht mächtig war. Denn wer erfolgreich sein will, muss verständlich kommunizieren können. Was mit der Vorarlberger Mundart nicht immer so einfach war und vielfach noch nicht ist.
Auf der einen Seite lernen Kinder in der Schule Hochdeutsch, die Mundart ist aber zugleich Träger des kulturellen Erbes einer Region. Beispiele aus der Unterhaltungsindustrie gefällig? Asterix unterhält sich mit Obelix in Sondereditionen in unterschiedlichsten Dialekten. Ted, der kiffende Plüschbär, durfte im zweiten Teil seiner Filmabenteuer in der Österreich-Version in heimischer Mundart schimpfen.
Auch aus der Musik ist der dialektale Einfluss nicht wegzudenken. Seien es Seiler und Speer, Pizzera und Jaus, die Vorarlberger Musiker Philipp Lingg oder die ehemaligen „Holstuonar“, sie beweisen, dass Mundart modern sein kann. So ist zu erklären, dass – nicht nur aktuell – unter anderem in Vorarlberg Werke verfasst werden, die sich mit heimischer Mundart beschäftigen. Beispielgebend ist sicher Wolfgang Berchtold, der mit seinem „Vorarlberger Sprichwörterbuch“ in der Ländle-Bestsellerliste ganz vorne mitmischt.

Regionalgeschichte und Mundartphänomene
Wolfgang Berchtold ist in der heimischen Autorenszene kein Unbekannter. Der ausgebildete Germanist und Sportwissenschaftler hat sich Zeit seines Lebens mit Mundart und ihren Ausprägungen im Ländle beschäftigt. Während seines Studiums war er am Institut für Sportwissenschaften in Innsbruck als Studentenvertreter nicht unwesentlich daran beteiligt, dass das Universitäts-Sportinstitut Innsbruck (USI) vom Ministerium eine zweite Professur zugesprochen bekam. Daneben war er Mitherausgeber der Sportzeitung „Sport konkret“, in der Fragen des Studienalltags, sportsoziologische und sportphilosophische Fragen abgehandelt wurden.
Neben eigenen Beiträgen konnte Berchtold namhafte Gastautoren wie Friedensreich Hundertwasser, Günter Nenning, Anton Pelinka, Baldur Preiml und zahlreiche andere bekannte Persönlichkeiten gewinnen.
Nach seiner Zeit in Innsbruck zog der umtriebige Sportler zurück in seine Heimat Vor­arlberg, wo er am Sportgymnasium Dornbirn bis zu seinem Ruhestand unterrichtete. Daneben war Berchtold auch in der Gemeindepolitik tätig: In Götzis bekleidete er von 1990 bis 1999 das Amt des Vizebürgermeisters und war damit der erste grüne Gemeindepolitiker Österreichs in einem solchen Amt. Ein Wermutstropfen ist geblieben: „Die Jahre waren so kräfteraubend und anstrengend, dass ich schon meine Zeit gebraucht habe, mich davon zu erholen.“
Nach dem Ausscheiden aus der Politik war Berchtold Pressereferent des Vor­arlberger Leichtathletik-Verbandes, der Hallenrad-WM 2002, der Gymnaestrada 2007 und 2019, Sprecher beim Leichtathletik-Meeting im Götzner Mösle-Stadion und vieles mehr. Außerdem wandte er sich mehr und mehr jenem Gebiet zu, dem er sich bereits in der Diplomarbeit seines Germanistikstudiums gewidmet hatte: der regionalen Sprache und Geschichte.

Über die Kummenberg-Region hinaus
„Die meisten landesweiten historischen Werke können – aus verschiedensten Gründen – die Geschichte der vielen Gemeinden nur streifen. Deshalb wollte ich einigen Fragen auf den Grund gehen, die mich beschäftigten: Wie konnte es dazu kommen, dass aus den fortschrittlichen, judenfreundlichen Liberalen des 19. Jahrhunderts zwei Generationen später rechtsextreme, antisemitische Nationalsozialisten wurden? Welche Rolle spielten die Kirche und parteipolitisch agitierenden Geistlichen in den Gemeinden in der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg?“, erklärt Berchtold seine Beweggründe.
Diese Fragen spielten dann auch in seinen Publikationen „Götzner Lesebuch“, „Kulturgeschichte des Sports von den Anfängen bis 1945“, in der Geschichte des Gesangsvereins „Harmonie“ und vor allem im Buch „Götzis von 1889 bis 1914“ eine Rolle.
Durch sein Buch „ummakummaummi“ wurde Nina Winkler vom Verlag edition-v auf den Autor aufmerksam und fragte an, „ob ich ein Schimpfwörterbuch schreiben würde. Ich habe zuerst gezögert, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass man mit Schimpfwörtern ein Buch füllen kann, habe dann aber doch zugesagt.“ Das Spannende dabei? Das Aufspüren der Etymologie beziehungsweise der Herkunft der Schimpfwörter. Der bislang letzte Streich im Autorenleben des Götzners war dann 2023 das bereits erwähnte „Vorarlberger Sprichwörterbuch“. 
Die meisten der in diesem Wörterbuch aufgezeichneten Sprüche bestehen entweder aus dem Vorarlberger Mundart-Vokabular oder sie verwenden Begriffe, die Vorarlberg zuzuordnen sind. Ein Beispiel gefällig?

„Däne hond’s Höö oo vor am Omet iitoo.“ 
Die haben das Heu auch vor dem Omet eingebracht. (Bedeutung: Dort gab es eine Schwangerschaft vor der Hochzeit.)
„Das „Amet“ (Mundart Omat, Oomat, Oumat, Aumad) ist der zweite Heuschnitt, der – je nach Wetterverhältnissen – von Juli bis September durchgeführt wird. Es ist das wertvollste Heu. Wer aber mäht, bevor diese Omethöö richtig gewachsen und erntereif ist, der macht etwas falsch, der ist eindeutig zu früh dran. Und hier wird diese zu frühe Heuernte auf die zu frühe Schwangerschaft oder die frühe Geburt übertragen, die vor der Hochzeit erfolgte.“ (Berchtold: Vorarlberger Sprichwörterbuch; S.11)

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