Matthias Sutter

*1968 in Hard, arbeitet auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomik, ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und lehrt an den Universitäten Köln und Innsbruck. Der Harder war davor auch an der Universität Göteborg und am European University Institute (EUI) in Florenz tätig.

Der Preis des Erfolgs? Spitzenjobs und Scheidungsraten

Mai 2024

Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf Arbeitsmärkten – etwa in Bezug auf Gehälter oder Aufstiegschancen – werden häufig in Verbindung gebracht mit der schlechteren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen. Was aber passiert innerfamiliär, wenn Frauen doch Karriere machen und gar Spitzenjobs bekommen? Ein Blick nach Schweden gibt die Antwort.

Geschlechterunterschiede in der Arbeitswelt sind an allen Ecken und Enden zu sehen. In den vergangenen Monaten habe ich an dieser Stelle etwa über harschere Sanktionen gegen Frauen bei Fehlverhalten, über die Auswirkungen von geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen auf die Diversität in Unternehmen oder über die Auswirkungen von Gehaltstransparenz auf die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen geschrieben.
Grundtenor ist immer, dass es Frauen schwerer als Männer haben, im Beruf erfolgreich zu sein. Das wird manchmal mit Diskriminierung, manchmal mit der geringeren Wettbewerbsbereitschaft von Frauen, manchmal mit den besseren Netzwerken von Männern, aber vielfach auch mit der nach wie vor schwierigeren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen erklärt. Letzteres kommt vor allem daher, dass Frauen in unserer Gesellschaft den größten Teil von Betreuungsverpflichtungen – etwa für Kinder, aber auch für deren Elterngeneration – übernehmen. Unter diesen Umständen ist eine erfolgreiche Karriere für Frauen deutlich schwieriger als für Männer. Im Volksmund sagt man ja oft, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine Frau steht. Steht aber auch hinter jeder erfolgreichen Frau ein Mann, der ihr den Rücken freihält? Oder ist es vielleicht eher so, dass hinter einer erfolgreichen Frau bald gar kein Mann mehr steht? Und falls dem so wäre, in welcher Art von Partnerschaften wäre das eher zu erwarten?
Eine Studie von Olle Folke von der Universität Uppsala und Johanna Rickne von der Universität Stockholm gibt Antworten auf diese Fragen. Die beiden untersuchen, wie sich die Beförderung in eine Spitzenposition auf die Haltbarkeit der Ehe auswirkt. Dafür verwenden sie schwedische Daten von 1979 bis 2012, bei denen sie personenspezifische Informationen (in Schweden hat jeder Bürger eine eindeutige ID) mit Arbeitsmarktdaten, Haushaltsdaten und dem Eheregister verbinden. Als Spitzenpositionen nehmen sie politische Spitzenämter – nämlich Bürgermeister in einer der 290 Gemeinden zu sein oder Abgeordneter zum schwedischen Parlament – und Vorstandsposten in der Privatindustrie in Firmen mit über 100 Mitarbeitern.
Die politischen Ämter katapultieren die erfolgreichen Bewerber in den Kreis der fünf Prozent bestverdienenden Personen in Schweden. Dafür arbeiten die jeweiligen Personen aber auch meist um die 60 Stunden pro Woche. Ein Vorteil der sehr detaillierten schwedischen Daten besteht darin, dass die Autoren der Studie genau wissen, wer für ein bestimmtes Amt kandidiert hat und ob die betreffende Person es bekommen hat oder nicht. Letzteres hängt vom jeweiligen Wahlergebnis ab und dieses Wahlergebnis sollte eigentlich keinen Einfluss auf die ehelichen Beziehungen der Gewinner oder Verlierer für den jeweiligen Posten haben. Um aussichtslose Kandidaten in der Analyse auszuschließen, berücksichtigen die Autoren immer nur die beiden aussichtsreichsten Kandidaten von beiden im jeweiligen Wahlbezirk größten Parteien. Folke und Rickne untersuchen dann, ob die Beförderung in eine Spitzenposition einen Einfluss auf die Scheidungsrate hat. Die Antwort ist ja und nein.
Nein, weil Gewinnen oder Verlieren des Spitzenjobs für Männer überhaupt keinen Unterschied ausmacht. Die Scheidungsraten von Gewinnern und Verlierern bei der Wahl unterscheiden sich nicht.
Ja, weil bei Frauen die Situation ganz anders aussieht. In den vier Jahren vor dem Wahljahr gibt es keinen Unterschied in den Scheidungsraten zwischen Frauen, die später die Wahl in das Spitzenamt gewinnen, und jenen, die dabei verlieren. Dann aber geht die Schere weit auseinander. Innerhalb von drei Jahren nach der Wahl sind die Scheidungsraten der erfolgreichen Frauen (die ins Parlament kommen oder Bürgermeisterin werden) doppelt so hoch wie jene der Frauen, die nicht in das jeweilige Amt gewählt wurden. Es scheint der Preis des Erfolgs für Frauen – aber nicht für Männer! – zu sein, dass eine Beförderung in eine Spitzenposition mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit schlecht für die eigene Ehe ist.
Folke und Rickne zeigen dann, dass dieser Preis vor allem von jenen Frauen bezahlt wird, die in einer eher traditionelleren Ehe lebten, also einen um vier Jahre oder mehr älteren Mann und die über 90 Prozent der Karenzzeit für die Erziehung von gemeinsamen Kindern übernommen hatten. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass im Falle von ungefähr gleichaltrigen Ehepartnern und bei einer gleicheren Aufteilung der Erziehungszeiten erfolgreiche Frauen nicht häufiger eine Scheidung erlebten als die in der Wahl unterlegenen Frauen. Das spezifische Rollenbild in einer Ehe spielt also eine große Rolle für die Folgen weiblicher Karriereerfolge!
Folke und Rickne finden das gleiche Muster bei Vorstandsvorsitzenden schwedischer Privatunternehmen. Nach der Beförderung zerbrechen die Ehen weiblicher CEOs ungefähr doppelt so häufig wie jene männlicher CEOs. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass einer der Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen eben darin liegen könnte, dass der Preis des Erfolgs für Frauen mit höheren Kosten für das Privatleben verbunden ist und deshalb Frauen weniger bereit wären, sich für solche Spitzenpositionen ins Spiel zu bringen. Nur in Ehen, wo die Betreuungspflichten (für Kinder oder Eltern) gleichmäßiger verteilt wären und die Karriere des Mannes nicht von vornherein stärker im Fokus stünde (was bei einem Altersunterschied zugunsten des Mannes häufiger der Fall ist), wäre dieser Preis nicht so hoch. Das zeigt, dass die Rollenverteilung in Familien und Geschlechterunterschiede im Berufsleben zusammenhängen.

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