Christoph Jenny

Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: © Dietmar Walser)

Das Spiel der vergebenen Chancen

Dezember 2023

Es ist wie im Fußball, wer die sich öffnenden Chancen vergibt, erzielt keine Tore und wer keine Tore schießt, kann nicht gewinnen. So kommt es mir vor, wenn es um die Mobilität in Vorarlberg geht. Nehmen wir etwa die aktuelle Situation zur S18 her. Es ist eine dieser vertanen Chancen in einer schier unendlichen Causa, die unnötigerweise immer wieder in die Verlängerung geht. Die Gemeinde Lustenau hat bis auf weiteres entschieden, sich nicht aktiv für die CP-Variante einzusetzen und verkennt damit die Chance für eine echte Verkehrsentlastung. Es bleibt die Frage, was die Lustenauerinnen und Lustenauer eigentlich wollen? Unsinnigerweise wurde erneut eine Südumfahrung ins Spiel gebracht, die bereits als sogenannte G-Variante 2011 im MIR-Prozess als untauglich ausgeschieden wurde. Es ist unverständlich, warum an dieser Variante weiter festgehalten wird. Vergessen wird zudem, dass auch andere Städte und Gemeinden wie Bregenz, Hard, Fußach oder Höchst seit Jahren auf eine Verkehrsentlastung warten. Es muss begriffen werden, dass es sich hierbei um ein überregionales Spiel handelt und nicht um ein bloßes Dorf-Gekicke. 
Ob Schiene oder Straße, ob grenzüberschreitende Verkehrsanbindungen, Verteilnetze oder die Verlagerung vom Güterverkehr auf die Schiene: Die Vorarl­berger Wirtschaft muss für das künftig steigende Güterverkehrsaufkommen gerüstet sein und darf den sprichwörtlichen Anschluss an die anderen Wirtschaftsstandorte und den Weltmarkt nicht verlieren. Die Kapazitäten der bestehenden Gleisanlagen sind längst am Limit – im Personennah- und Fernverkehr wie auch im Güterverkehr.  Wenn etwa gefordert wird, mehr auf der Schiene zu transportieren, dann braucht es dringend einen Ausbau des Schienennetzes über den Arl­berg, ein drittes Gleis im Rheintal, und die Anbindung Richtung Norden, etwa durch das Nadelöhr Bregenz-Lochau. Und letztlich darf die Bedeutung der Straße in dieser Sache nicht missachtet werden. Denn nur wenn die geeigneten Zubringerwege und Verladestationen zur Schiene im Land gegeben sind, kann eine Güterverkehrsverlagerung auf die Schiene gelingen. Der Anreiz für den Schienengüterverkehr funktioniert indes nur, wenn die Betriebe sich die Verlagerung auch leisten können. Die Wirtschaft ist gewillt auf die Bahn umzusteigen, sofern die Bahn endlich konkurrenzfähig ist. 
Und, um die Internationalität unseres Spiels nochmals zu bemühen. Sowohl für die Straßen- als auch Schieneninfrastruktur braucht es gewillte Partner über der Grenze; sonst spielt sich die Partie nur im eigenen Strafraum ab und man verliert sie letztlich durch „dumme“ Eigentore.

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