Wilfried Hopfner

Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Herausgeber Thema Vorarlberg

Der Versuch einer sachlichen Würdigung

September 2014

Die Dimension der Affäre schockiert. Wilfried Hopfner kann die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema nachvollziehen: „Sie ist auch dringend notwendig.“

Die Phasen dieser unsäglichen Geschichte: Aufbau und Wachstum bis zum Jahr 2009, Entscheidung zur Notverstaatlichung und die aktuelle Situation mit Blick in die Zukunft.

Wachstumsphase

Die HGAA hat ihre Wurzeln als Regionalbank. Eine Regionalbank agiert in ihrer Region, im ihr bekannten Markt und in einem ihr geläufigen rechtlichen Umfeld. Dies scheint das seinerzeitige Management völlig ausgeblendet zu haben. Eine Expansion in diesem Ausmaß erfordert strukturelle und organisatorische Anpassungen, die sicherstellen, dass geschäftliche Risiken beurteilt werden können. Wir Banken haben ganz wichtige Funktionen wahrzunehmen, die ein gut funktionierendes Risikomanagement voraussetzen. Diese Aufgaben bestehen unter anderem darin, die uns von Kunden anvertrauten Gelder als Kredite zur Verfügung zu stellen. Wir transformieren kurzfristige Einlagen in langfristige Kredite. Über eine risikobewusste Kreditvergabe müssen wir sicherstellen, dass Einleger nicht zu Schaden kommen. Das erfordert seriöses und gewissenhaftes Arbeiten, was bei der HGAA wohl nicht immer der Fall war. Hinzu kam, dass es eine viel zu starke Verflechtung zwischen der Politik in Kärnten und der HGAA gab. Zu dieser Phase laufen bekanntermaßen verschiedenste strafrechtliche Ermittlungen, und es sind auch bereits rechtskräftige Urteile ergangen.

Der Zeitpunkt der Notverstaatlichung

Getroffene Entscheidungen sollten auch in späterer Folge anhand der Fakten und Unterlagen gewürdigt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen. Wir alle wissen, dass man im Nachhinein meistens mehr Informationen zur Verfügung hat, zusätzliche Fakten kennt und sich damit manche Entscheidung anders ergeben würde. Es ist nicht immer einfach, gerade auch in einer öffentlichen Diskussion diesem Aspekt Rechnung zu tragen. Dennoch glaube ich, dass jeder Entscheidungsträger – ob in der Politik, in der Wirtschaft oder auch im privaten Umfeld – dieses Recht für sich beanspruchen kann. Komplexe Entscheidungen – um eine solche handelte es sich im Dezember 2009 sicher – erfordern zum einen eine entsprechende Aufbereitung des Sachverhalts, zum anderen eine gute sachliche Würdigung und dann eine Entscheidung. Inhaltliche Komplexität und enormer Zeitdruck haben die Entscheidung wahrscheinlich beeinflusst.

Situation heute

Die Komplexität des Sachverhalts hat sich nicht verringert – nicht zuletzt auch deswegen, weil Bankbilanzen nicht aus Warenvorräten bestehen, die kurzfristig abverkauft werden können, und auch nicht aus Forderungen resultieren, die kurzfristig eingemahnt und eingebracht werden können, sondern in der Regel einen sehr langfristigen Charakter haben. Den eher kurzfristigen Einlagen der Einleger stehen langfristige Forderungen gegenüber, deren Qualität man klarerweise kennt, über deren tatsächliche Qualität man aber erst im Laufe der Jahre endgültig Bescheid erhält.

Anders gesagt: Wenn ein Kreditportfolio einer Bank bewertet wird, dann stehen den Ausleihungen Sicherheiten gegenüber. Es gilt, die Bonität des Kreditnehmers zu bewerten. Im Normalfall kommen die Kreditnehmer ihren Verpflichtungen nach, sprich die Kredite werden ordnungsgemäß zurückbezahlt. Das funktioniert unter anderem [?? im Allgemeinen ??] auch, solange sich die Bank nicht selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass so unterschiedliche Zahlen genannt wurden und werden, weil eben ein Blick in die Zukunft an sich schon schwer ist und noch komplizierter wird, wenn eine öffentliche Diskussion dazu stattfindet und jetzt – durchaus nachvollziehbar – alle wissen wollen, wie es um die Bank bestellt ist.

Bekanntermaßen führen Nichtentscheidungen oder verzögerte Entscheidungen zu Verunsicherung. Niemand mag Unsicherheit, insbesondere gerade Finanz- und Kapitalmärkte nicht, denn sie bestrafen ein solches Verhalten. Eine Entscheidung, wie sie jetzt aber getroffen wurde, führt eben auch zu Verunsicherung und Unsicherheit. Bei allem Verständnis dafür, dass Gläubiger nicht nur von den Chancen ihres Investments profitieren sollen, sondern auch das damit einhergehende Risiko tragen müssen, trifft das beschlossene „Hypo-Sondergesetz“ keinesfalls Spekulanten, sondern diejenigen Gläubiger, die in mündelsichere Wertpapiere oder in Versicherungen investiert haben.

Bei allem Verständnis auch dafür, dass frühere Eigentümer und Investoren ihren Beitrag leisten sollen, müsste dafür eine vertragsrechtliche Basis gefunden werden, auf der allenfalls aufbauend ein Gesetz erlassen werden kann. Es ist eigentlich eines Rechtsstaates nicht würdig, wenn per Gesetz in privatrechtliche Verträge eingegriffen wird. Vertrauen ist nämlich eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen funktionierenden Finanzmarkt. Die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass bei Vertrauensverlust nicht abschätzbare Ausnahmesituationen entstehen können. Die absehbaren Schäden dieses Gesetzes treffen nicht nur die heimische Finanzbranche, sondern die österreichische Gesamtwirtschaft. Internationale Investoren betrachten den Finanz- und Wirtschaftsstandort Österreich nach diesem Beschluss mit anderen Augen als bisher. Österreichische Titel galten als interessantes Investment. Wenn jetzt eben dieses Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit in einem solchen Ausmaß erschüttert ist, kann das auch zu massiven Mehrkosten für die Republik, für die Bundesländer, aber auch für die Banken führen, weil Investoren künftig höhere Zinsen verlangen könnten. Ob das Gesetz überhaupt der österreichischen Verfassung und den europarechtlichen Grundlagen entspricht, werden die entsprechenden Instanzen klären. Der Reputationsschaden könnte Österreich aber nachhaltig treffen.

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